Wie am Dienstag vermutet, stimmt Jerome Powell die Märkte auf mindestens zwei weitere Zinserhöhungen im laufenden Zyklus ein. Das indiziert der Plural, den er bei seinem Vortrag vor dem Finanzausschuss des Senats verwendet hat. Selbst für den FED-Falken Ralph Bostic erscheint dies aber eine zunehmend gefährliche Gratwanderung. Austin Goolsbee, der Gouverneur der Chicago-FED sagt, er habe noch nicht entschieden, für was er über den Juli hinaus stimmen werde. Heute wird sich mit Loretta Mester eine falkenhafte FED-Vertreterin äußern. Dass ein Überdehnen durchaus von den Notenbanken als akzeptabler Weg zur Inflationsbekämpfung erscheint, hat EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel ja bereits Anfang der Woche zum Ausdruck gebracht. Neben den trüben Aussichten des Frühzyklikers Lanxess (ETR:LXSG) war das der wichtigste Grund, warum Europas Börsen diese Woche so unter Druck stehen. Wir haben die Europa-Quote von Mo-Mi sukzessive um 13% abgesenkt. Freilich nähert sich aktuell der STXE 600 einem Niveau, an dem wir bereit sind, die ersten 5% wieder zurückzukaufen. Die Notenbank Norwegens hat eben den Leitzins überraschend kräftig um 0,5%, die Schweiz (SNB) wie erwartet um 0,25% angehoben, gleiches wird sicher auch die Bank of England vornehmen. In der Türkei wird für heute mindestens eine Zinsverdopplung prognostiziert, was sich dämpfend auf die Nachfrage auswirken dürfte.
Das Geschäftsklima in Frankreich hat sich im Juni von 99 auf 101 verbessert. Prognostiziert war ein unveränderter Stand. Zurück zu Lanxess: das Unternehmen steht stellvertretend für die schwierig zu analysierende aktuelle Lage: die aus mehreren Branchen stammenden Kunden des Spezialchemiekonzerns sitzen auf noch recht gut gefüllten Lägern, die sich derzeit in moderatem Tempo leeren. Erwarten diese Firmen anhaltende Nachfrage, werden sie ihre Bestände bald wieder auffüllen wollen/müssen. Gehen sie aber von einem Käuferstreik ihrer Abnehmer aus, werden sie weiter zuwarten. Das derzeitige Zögern der Industrie zeugt von der hohen Unsicherheit bezüglich der weiteren konjunkturellen Entwicklung – gerade auch in Anbetracht von Zinsen, die offenbar auf ein höheres Niveau steigen als von den meisten Marktteilnehmern eingepreist war. Die Hartnäckigkeit der Kerninflation ist hierbei das Problem. In England hat sich diese zuletzt ja sogar weiter beschleunigt. Das könnte darauf hindeuten, dass nun eine Lohn/Preis-Spirale startet. Oder aber, dass die deutlich steigenden Kosten im Dienstleistungsbereich den Verbrauchern die Kaufkraft nehmen für den Erwerb von Gütern.
Der inverse Abstand zwischen 2- und 10-jährigen US-Staatsanleihen beträgt derzeit 1% und liegt damit auf dem höchsten Stand seit der US-Bankenkrise im März – ein Hinweis auf sich wieder ausbreitende Rezessionsängste. Dank Umschichtungen aus Technologieaktien in Industrieaktien (NYSE:XLI) hat sich der S&P gestern recht gut gehalten. Die Shortseller haben ihre Positionen auf über 1 Bio USD hochgefahren, überzeugt davon, dass der Rallye des S&P nach 14% Zuwachs seit Jahresanfang der Dampf ausgeht. Noch ist die Schieflage gewaltig: laut Bloomberg überstiegen die diesjährigen Buchverluste der Leerverkäufe kürzlich die 100 Mrd USD - Marke. Insbesondere „Wetten“ gegen AI-Unternehmen wurden weiter hochgefahren, diese Marktteilnehmer erwarten, dass der Boom bald in sich zusammenfällt. Die für Optimisten positive Kehrseite der Medaille: irgendwann müssen die Positionen geschlossen werden, was Kurs stützend wirkt.
In Asien blieben China und Hongkong heute wegen des Drachenbootfestes geschlossen. Japan tendierte leichter, auch erhöht sich der Verkaufsdruck auf den Yen. Die Rallye der Kryptowährungen hängt mit Erwartungen etlicher Marktteilnehmer zusammen, dass Blackrock die Zulassung für einen ETF erhält. Das könnte eine ganze Serie von Anträgen nach sich ziehen.
Bereits gestern stabilisierten Rezessionsängste dt. Staatsanleihen (+1) , was jedoch via DAX und STXE 600 sechs Punkte kostete.