Auch beim gestrigen Treffen im Weißen Haus zwischen dem US-Präsidenten und dem Sprecher des Repräsentantenhauses kam es nicht zum Durchbruch bei den Schuldenverhandlungen. Damit steigt die Nervosität bezüglich eines vorübergehenden Zahlungsausfalls der USA. Zwar berichtete McCarthy von einem produktiven 3-Stundengespräch und er betonte, ihm sei bewusst, wie dringend es sei, einen Deal rechtzeitig zu zementieren. Aber Finanzministerin Janet Yellen hat noch einmal bekräftigt, dass evtl. bereits ab 1. Juni erste anstehende Zahlungen nicht mehr bedient werden können. Anscheinend ist der Hauptstreitpunkt derzeit das Ausmaß der Kürzungen bei diversen Positionen. Die Hauptforderung der Republikaner ist ein kräftiger Rückschnitt der von den Demokraten geplanten Ausgaben. Diese wiederum stemmen sich gegen Kürzungspläne und streben stattdessen Steuererhöhungen an, was wiederum für die Republikaner ein „no go“ ist. Die Verhandlungen sind komplex und deshalb zäh - trotzdem ist zwischen den Zeilen meiner Meinung nach eine Annäherung erkennbar. Die große Frage ist, ob eine Lösung noch vor dem 1. Juni gefunden und zudem durch beide Häuser gewunken werden kann. Aber selbst, wenn es ein paar Tage später wird, glaube ich nicht, dass die USA in den Default geraten. Es wird technische Tricks geben, u.a. wird eine tageweise Verlängerung endfälliger US-Staatspapiere in Betracht gezogen. Das Problem ist aber, dass etliche institutionelle Investoren das sogenannte Fat Tail – Risiko (große Marktverwerfung) absichern müssen, was – falls zu viele gleichzeitig diesbezüglich aktiv werden - ironischerweise genau jenes auslösen kann. Das hängt aber auch davon ab, ob diese Anlegergruppe aktiv und massiv Assets verkauft oder nur Absicherungen (long puts u.ä.) erwirbt. Da am Tag der Einigung im Schuldenstreit ein Kurssprung zu erwarten ist, will andererseits kein investierter Anleger genau jenen verpassen, weshalb sich die Märkte trotzig-entschlossen auch heute früh relativ stabil verhalten.
Stark nachgefragt waren gestern erneut Technologiewerte, unter erhöhtem Abgabedruck standen erneut Hersteller von Verbrauchsgütern wie P&G (NYSE:PG), J&J (NYSE:JNJ) und Nahrungsmittelproduzenten. Es kann sein, dass hier der Druck der Straße wächst: viele Supermarktketten sind nicht mehr bereit, die den Endverbrauchern zunehmend schwerer zu begründenden immer weiteren Preissteigerungen mitzutragen. Es kann also sein, dass der Margendruck, den die Produzenten bislang umgehen konnten, nun doch größer wird, was die Gewinnaussichten schmälern würde. Vielleicht wird dieses Szenario derzeit eingepreist?
Asiens Aktienmärkte gaben heute früh überwiegend nach. Chinas Börsen kommen einfach nicht in den Tritt – nach dem leicht positiven Wochenstart fällt das Minus mit ca. 1,4% heute wieder drastisch aus. Angeführt wurde die Abwärtsbewegung von Finanzwerten. Auch Japan beendete heute nach einem erneuten Interimshoch den Börsenhandel mit leichten Abschlägen. Zuvor meldete die Jibun Bank, dass Japans verarbeitender Sektor erstmals seit sieben Monaten wieder wächst. Sowohl Produktion als auch Neuaufträge seien im Mai gestiegen.
Auch Europas Börsen starten mit Abgaben in den Tag. Der Industrieindex in Deutschland ist entgegen der Erwartungen mit 42,5 noch tiefer in den kontraktiven Bereich zurück gefallen. Auf der Gegenseite überrascht der Servicesektor mit 57,8 aufs Neue positiv. Der Eurozonen-Sammelindex für Mai fällt mit 53,3 expansiv aus, erwartet war jedoch mit 53,5 ein noch etwas besserer Wert. Das lag daran, dass zwar wie in D der Dienstleistungsbereich besser als erwartet lief, dafür aber das verarbeitende Gewerbe auf breiter Front enttäuschte: mit 44,6 wurden die Erwartungen (46) klar verfehlt und auch der April mit 45,8 unterboten. Dank freundlicher Finanz- und Telekommunikationswerte halten sich die Abgaben auf Indexebene aber in Grenzen: aktuell notiert der ESX 50 bei -0,5%.
Der Shanghai Composite Index kostet den APX heute einen Punkt.