- Dank starker Impulse sollte Visa das inflationäre und rezessive Umfeld meistern können
- Die Wiedereröffnung Chinas und Japans wird die Gewinne trotz der düsteren Makrolage ankurbeln
- Trotz starker Unternehmensgewinne wird Visa zum niedrigsten KGV der letzten 5 Jahre gehandelt
Visa (NYSE:V) ist zwar eine globale Marke, wirkt aber wie ein prozyklisches Unternehmen, dessen Einnahmen an die globale Nachfrage gekoppelt sind. Daher mag es überraschen, dass die Aktie in einer globalen Krise besser performt als der S&P 500. Doch Visa erfreut sich einiger langfristiger säkularer Faktoren, die ein zuverlässiges Wachstum über dem BIP ermöglichen.
Quelle: InvestingPro+
Die Jahresperformance bestätigt das. Bislang ist Visa in diesem Jahr "nur" um 14,23 % gefallen. Im Vergleich dazu ist der S&P 500 um 21,01 % und der NASDAQ 100 um 29,42 % gesunken. Trotz der Verluste gehört die Aktie nach wie vor zu den 15 besten Werten unter den Mega-Cap-Aktien. Mit seinem rezessions- und inflationssicheren Geschäftsmodell hat sich das Zahlungsnetzwerk seit seinem Börsengang im März 2008 in Krisenzeiten stets besser entwickelt als der Gesamtmarkt. Und das wird es wahrscheinlich auch weiterhin tun.
Visas Geschäftsmodell ist von Natur aus defensiv
Die Performance von Visa ergibt sich aus seinem äußerst defensiven Geschäftsmodell, das sich durch wiederkehrende Einnahmen, hohe Margen und einen hohen freien Cashflow auszeichnet. Wenngleich sich COVID-19 erheblich auf das kurzfristige Wachstum niedergeschlagen hat, ist das Geschäftsmodell des Kreditkartenunternehmens vor dem Hintergrund des Inflationsdrucks widerstandsfähig und hat sich in turbulenten Zeiten als überdurchschnittlich erfolgreich erwiesen.
Der wichtigste Treiber für Visa ist die globale Umstellung von Bargeld auf Kartenzahlungen. Die Kartendurchdringung liegt global bei nur 54 % und wächst jährlich um 2 %. Für Visa ergibt sich daraus ein zusätzliches jährliches Volumen von 11,6 Billionen Dollar, das es zu erschließen gilt. Dieser Trend dürfte sich nicht zuletzt aufgrund des Online-Shoppings-Booms noch weiter verstärken.
Wie Sie sich sicher leicht ausmalen können, ist Visa hochgradig abhängig von den persönlichen Konsumausgaben (PCE - Personal Consumer Expenditure). In dem Maße, wie die Verbraucher ihre Ausgaben erhöhen, steigt auch die Zahl und das Volumen der Transaktionen, für die Visa eine Gebühr erheben kann. Nun könnte man meinen, dass dieser Faktor Visa in schlechten Zeiten sicher zu schaffen machen würde. Überraschenderweise wuchsen die PCE in den letzten 20 Jahren um 3 % über dem BIP, sowohl in Rezessionen als auch in Boomzeiten. Also selbst wenn die Weltwirtschaft um, sagen wir, 1 % schrumpfen sollte, würden die Konsumausgaben dennoch um 2 % wachsen.
Ein weiterer wichtiger Faktor für Visa ist die Inflation. Das Zahlungsnetzwerk erhält einen festen Prozentsatz auf Kundentransaktionen. Wenn also der Wert dieser Transaktionen steigt, steigt auch Visas Gebühr. Unabhängig davon, wie hoch die Inflation in den kommenden Jahren bleibt, so dürfte Visa dennoch einen Großteil davon in Umsatzwachstum umwandeln können.
Der letzte Faktor ist das reale Preiswachstum. Obwohl niemand von uns etwas bemerkt (weil die Netzgebühren vom Verkäufer gezahlt werden), erhöht Visa seine Gebühren still und heimlich um etwa 1 % pro Jahr und findet immer neue Wege, die Gebührenerhöhung zu verschleiern.
Durch die Summe aller Faktoren wachsen die Umsätze von Visa also im Durchschnitt um 9 bis 10 % jährlich. Von den vier Treibern des Unternehmens würden im Falle einer globalen Rezession nur die Konsumausgaben (PCE) leiden, während die anderen weiterhin in ihrem üblichen Tempo wachsen würden.
Quelle: InvestingPro+
Rezessionsresistent
In Anbetracht der nicht gerade vielversprechenden konjunkturellen Aussichten und der drohenden Rezession ist es durchaus nachvollziehbar, dass die Stabilität des Wachstums von Visa auf kurze Sicht in Frage gestellt wird. Eine globale Krise würde sich mit Sicherheit auf das Zahlungsnetzwerk auswirken, aber es gibt zwei mögliche Puffer, die man beachten sollte.
Reiseausgaben sind eine der Cash Cows von Visa. Wenn Sie im Ausland Geld ausgeben, entstehen sehr viel höhere Gebühren: Die Gebühren betragen das Sechsfache oder mehr als bei Standardtransaktionen im Inland. Dank der Lockerung der Reisebeschränkungen konnte sich Visa trotz der jüngsten Makro-Turbulenzen recht gut behaupten. Denn die Ausgaben im Ausland erreichten ungeahnte Höhen. Während einige meinen, der Boom sei bereits vorbei, ist diese Einschätzung wohl etwas voreilig, angesichts der Tatsache, dass China und Japan - auf die 15 % des grenzüberschreitenden Zahlungsvolumens entfallen - weiterhin geschlossen sind. Bislang kommt die APAC-Region nur auf 70 % der Reiseausgaben aus 2019; der Rest der Welt steht bereits bei 180 % im Vergleich zu 2019, so dass hier noch viel Luft nach oben ist.
Der zweite Punkt ist weitaus interessanter. Im Grunde handelt es sich bei einem Zahlungsnetzwerk einfach um einen Server, was bedeutet, dass Computer einen großen Teil der Investitionsausgaben von Visa ausmachen. Das Besondere an Computern ist, dass die Technologie es uns alle zwei Jahre ermöglicht, sie doppelt so leistungsfähig und nur halb so teuer zu machen, wie es das Mooresche Gesetz vorschreibt (Gordon Moore, Mitbegründer von Intel (NASDAQ:INTC)). Wenn sich die Computerkapazität alle zwei Jahre bei gleichen Kosten vervierfacht, die Transaktionen aber pro Jahr um 9 bis 10 % zunehmen, können die Zahlungsnetze ihre Investitionskosten für Computer jedes Jahr senken und gleichzeitig mit ihrer maximalen Kapazität wachsen. Nur ganz wenige Unternehmen - und vielleicht keines, das so groß ist - können es sich leisten, die Kosten jedes Jahr erheblich zu senken, ohne das Wachstum zu beeinträchtigen. Hierdurch entsteht ein massiver Aufwärtsdruck auf die Gewinnmargen, die bei 68 % (operativ) liegen. Aber was noch wichtiger ist: Wenn die Zeiten schwierig werden, kann Visa immer seine Investitionen kürzen und seine Gewinne mit sehr geringen Auswirkungen schützen. Ein gutes Beispiel dafür war COVID. Wie Sie nachfolgend gut sehen können, hat Visa seine Ausgaben zur Bewältigung der Pandemie von rund 250 Millionen Dollar auf knapp über 150 Millionen Dollar gesenkt.
Quelle: InvestingPro+
Ist Visa ein Kauf?
All die oben genannten Vorzüge haben natürlich ihren Preis. Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 25,2x (erwartet) ist Visa nicht gerade billig. Aber Visa war noch nie billig. Es stellt sich also eher die Frage, ob Sie genug für Ihr Geld bekommen.
Quelle: InvestingPro+
Wie oben zu sehen ist, wird Visa derzeit mit dem niedrigsten Kurs-Gewinn-Verhältnis der letzten fünf Jahre gehandelt. Zudem befindet es sich mehr als eine Standardabweichung unter dem 5-jährigen Mittelwert; die Aktie dürfte also kaum noch billiger werden
Quelle: InvestingPro+
Laut den Modellen von InvestingPro ist ein Ertragspotenzial von 15,3 % gegeben, während die durchschnittlichen Analystenschätzungen von einer Rendite von 39 % ausgehen. Und das bei den derzeitigen schwierigen Marktbedingungen. Mit vielen positiven Treibern und einem relativ niedrigen KGV wirkt Visa wie eine widerstandsfähige Aktie, die in Zeiten großer Makrounsicherheit gut positioniert ist, um den Markt zu schlagen.
Disclaimer: Der Autor ist in keiner der hier genannten Aktien investiert.