"Bullische Indikatoren sind jetzt wirklich bullisch".
Das ist eine interessante Aussage, wenn man bedenkt, wie "bärisch" die Stimmung im Jahr 2022 war. Damals habe ich das so formuliert:
"Die Stimmung unter den Anlegern ist derart bärisch, dass man förmlich in die bullische Rolle gedrängt wird.
Es erfordert außergewöhnliche Entschlossenheit, sich gegen die Strömung der vorherrschenden Meinungen zu stemmen. Diese Taktik wird als Contrarian Investing bezeichnet. Ein Titan unter den Contrarian-Investoren, Howard Marks, verriet einst:
"Dem Herdentrieb zu widerstehen und als konträrer Investor erfolgreich zu sein, ist wahrlich keine einfache Aufgabe. Zahlreiche Faktoren erschweren diese Strategie, allen voran der natürliche Gruppenzwang und der Schmerz, der entsteht, wenn man nicht im Gleichklang mit den Massen agiert – vor allem dann, wenn die kurzfristige Dynamik des prozyklischen Handelns vermeintlich den einzig richtigen Pfad weist.
In Anbetracht der Unwägbarkeiten, die die Zukunft bereithält, sowie der Schwierigkeit, mit vollkommener Gewissheit zu wissen, dass die eigene Position die richtige ist – insbesondere wenn sich die Kurse vehement gegen einen richten – wird die Herausforderung, als einsamer Contrarian zu agieren, zur wahren Prüfung."
Hierbei sei der Index in dem besagten Artikel angemerkt, welcher die Stimmung von Privatanlegern und Experten aufgreift, um zu unterstreichen, wie düster die Stimmungslage zu jener Zeit wirklich war. Unübersehbar wird, dass das Barometer für die Stimmungslage damals beinahe so steil abfiel wie zuletzt während der Finanzkrise 2008.
Wenn der Pessimismus extrem tiefe Niveaus erreicht, entspricht das in der historischen Betrachtung kurz- bis mittelfristigen Markttiefs. Übertreibungen werden nämlich dann aufgebaut, wenn bei einem Trade alle auf der gleichen Seite sind. Zu diesem Zeitpunkt herrschte eine so pessimistische Stimmung, dass man darin ein bullisches Signal sehen musste. Wie wir damals feststellten, "wird der Markt reflexartig reagieren, wenn der Stimmungswechsel eintritt"
Rückblickend ist es ziemlich offensichtlich, dass genau das der Fall war, insbesondere bei Anlagen wie dem QQQ, die man schon für tot erklärt hatte.
Bullische Signale werden bärisch
Natürlich ist man im Nachherein immer klüger. Im vergangenen Jahr gab es viele Gründe, die für einen Bärenmarkt sprachen. Die Lage schien so schlecht zu sein und jeder Marktteilnehmer rechnete mit einer Rezession - so konnte es nur noch aufwärts gehen. Seit Oktober wettet der Markt nun darauf, dass eine Rezession vermieden werden kann. Der scharfe Umschwung der bärischen Stimmung kam, als sich die Angst verbreitete, das man den Zug verpassen könnte, das vielzitierte "Fear of Missing out" oder kurz FOMO.
Seit Ende Januar klettert der Markt trotz der zahlreichen Zinserhöhungen der Fed, der Bankenkrise und der sich abschwächenden Konjunkturdaten weiter an der "Mauer der Sorgen" empor. In der Tat hat er nicht nur eine Sorgenmauer erklommen.
Wie in diesem Artikel erörtert, wären die Marktrenditen in diesem Jahr ohne die 7 größten nach Marktkapitalisierung gewichteten Aktien im S&P 500 wesentlich niedriger.
Die Rallye an den Märkten hat die extrem negative Stimmung jedoch komplett umgedreht. In diesem Zusammenhang ist die NAAIM-Umfrage unter professionellen Anlegern recht interessant. Dieser Index misst das Aktienengagement institutioneller Investmanager wöchentlich. Im vergangenen Jahr wurden Aktienpositionen in der Nähe der Markttiefs reduziert, weil sie verkauften.
Heute steigt das Aktienengagement wieder rapide an. Aus Sicht eines Contrarian-Investors haben professionelle Investoren eine lange Tradition, zu Tiefstkursen zu verkaufen und zu Höchstkursen zu kaufen.
Natürlich investieren nicht nur professionelle Manager, sondern auch Privat- oder Kleinanleger in den Aktienmarkt. Im Jahr 2022 war auch die Stimmung der Kleinanleger extrem negativ. Als sie dann aufgrund der Marktentwicklung kapitulierten und Aktien zurückkauften, schoss der Markt in die Höhe, was ihre optimistische Stimmung noch beflügelte.
Leider verhält es sich bei diesen überschwänglichen Aufwärtsimpulsen ähnlich wie bei extremen Abwärtsimpulsen (siehe oben). Während extrem pessimistische Indikatoren in der Regel auf kurzfristige Markttiefs hindeuten, lassen extrem optimistische Indikatoren erfahrungsgemäß kurzfristige Höchststände erwarten.
Eine Korrektur ist wahrscheinlich
Der Wechsel von einer pessimistischen zur aktuell optimistischen Stimmung hat sich seit Anfang März stetig vollzogen. Die Kapitulation der bärisch orientierten Anleger lässt die Märkte weiter steigen. Das lässt sich aus der "Net Bullish Ratio" (optimistische minus pessimistische Anleger) bei Privatanlegern und professionellen Investoren ablesen.
Es überrascht nicht, dass der zunehmende Optimismus zu einem Einbruch der Marktvolatilität geführt hat, die zudem immer extremere Werte erreicht.
Der Stimmungsumschwung ist auf den "Schmerz" zurückzuführen, den die Anleger an der Seitenlinie verspürten. Auch wenn der Stimmungswechsel nicht auf eine sehr extreme Entwicklung hindeutet, so ist er doch oft eher ein Zeichen für das Ende einer Rallye als für einen Beginn.
Für einen konträren Investor werden Übertreibungen aufgebaut, wenn bei einem Trade alle auf der gleichen Seite sind. Zuvor war jeder ein Pessimist - damit war ein Aufwärtstrend unvermeidbar. Jetzt ist das Gegenteil der Fall.
Egal, wie Ihre persönliche Einschätzung des Marktes aussieht - der im Oktober begonnene Bullenmarkt ist weiterhin intakt. Angesichts des extremen Optimismus auf kurze Sicht deutet jedoch vieles darauf hin, dass eine kurzfristige Korrektur wahrscheinlich ist. Der technisch überkaufte Zustand des Marktes unterstützt diese Einschätzung.
Das bedeutet jedoch nicht, dass man alles verkaufen und auf Cash umsteigen sollte.
Mein Vorschlag ist, dass der Einzelne bei "Verkaufssignalen" ein grundlegendes Portfoliorisikomanagement durchführen sollte:
- Gewinnpositionen auf die ursprüngliche Portfoliogewichtung reduzieren: Investmentregel: Gewinner weiterlaufen lassen
- Positionen verkaufen, wenn sie nicht laufen (Positionen, die in einem steigenden Markt nicht gut laufen, laufen auch in einem fallenden Markt nicht.) Investmentregel: Verlustpositionen eliminieren
- Legen Sie das Geld aus diesen Geschäften so lange zurück, bis sich die nächste Kaufgelegenheit ergibt. Investmentregel: Niedrig kaufen
Das Risiko beim "Risikomanagement" ist minimal. Langfristig überwiegen die Vorteile. Ich vertrete zwar die Auffassung, dass man die Märkte nicht "timen" kann, aber man kann das Risiko "managen", um das langfristige Ergebnis zu verbessern.