In mehreren Beiträgen haben wir in letzter Zeit unsere Besorgnis über die geringe Breite der Rallye 2023 kundgetan. So heißt es in einem Artikel u. a.:
"Die Jagd nach KI schafft einen sehr engen Markt. Bob Farrell formulierte das sehr pointiert:
Die Märkte sind am stärksten, wenn die Rallye breit angelegt ist, und am schwächsten, wenn sie von einer Handvoll Blue-Chip-Namen getragen wird."
Breite ist wichtig. Eine Rallye mit geringer Breite deutet auf eine begrenzte Beteiligung hin, und die Chancen für einen Misserfolg sind überdurchschnittlich hoch. Der Markt kann sich nicht weiter erholen, wenn nur einige wenige Large-Caps (die Generäle) den Weg vorgeben. Kleine und mittelgroße Unternehmen (die Truppen) müssen ebenfalls an Bord sein, um der Rallye Glaubwürdigkeit zu verleihen. Eine Rallye, bei der 'alle Boote schwimmen', deutet auf weitreichende Stärke hin und erhöht die Chancen auf weitere Gewinne".
Wie bereits erwähnt, lässt sich die Outperformance großkapitalisierter Unternehmen an dem Performance-Spread zwischen den nach Marktkapitalisierung gewichteten Indizes und den gleichgewichteten Indizes ablesen.
"Das folgende Diagramm illustriert die erhebliche Outperformance des ungewichteten Nasdaq gegenüber dem gleichgewichteten Index im bisherigen Jahresverlauf. Der Spread zwischen NDX und NDXE liegt jetzt bei +11 % im Jahresverlauf und ist damit der bei weitem größte Spread über einen 4,5-Monats-Zeitraum in den letzten 18 Jahren."
Der Chart zeigt bis Ende Mai aktualisierte Daten und die vollständigen historischen 5-Monats-Spreads. Mit mehr als 15 % ist dieser Spread nun so groß wie nie zuvor.
Es ist ein einseitiger Markt
Ich hatte bereits in meinem Artikel letzte Woche darauf hingewiesen, dass die absolute und relative Performance der S&P 500 Marktsektoren eine ähnliche Breite der Beteiligung zeigt. Oder besser gesagt, einen Mangel daran.
"Wie bereits im Artikel über die künstliche Intelligenz erwähnt, entfällt der Großteil der Zuflüsse auf den Technologiesektor, während alle anderen Marktsektoren weiterhin unter Druck stehen. Grund dafür sind die anhaltenden wirtschaftlichen und fundamentalen Aussichten für ein schwächeres Wachstum, Stress im Bankensektor und höhere Zinssätze."
Wenn wir tiefer nachforschen, stellen wir fest, dass das Problem der Marktbreite bei Betrachtung der Faktor-Beteiligung deutlicher zutage tritt. Bei dieser Analyse wurde der Vanguard Mega Cap Growth Index Fund ETF (NYSE:MGK) als Stellvertreter für die Top-10-Werte im Vergleich zu Small- und Mid-Cap-Werten (IWM) und dem gleichgewichteten Index (RSP) verwendet. Wir haben sogar den Vanguard High Dividend Yield Index Fund ETF mit (NYSE:VYM) einbezogen.
Es ist völlig klar, dass der Besitz von anderen Anlagen als den Aktien mit der größten Marktkapitalisierung in diesem Jahr zu einer eher enttäuschenden Performance geführt hat.
Ein Blick auf die Advance-Decline-Ratio des S&P 500 zeigt jedoch ein ganz anderes Bild.
Ist die Marktbreite ok so?
Erst kürzlich veröffentlichte Barry Ritholtz den lesenswerten Artikel "10-Bad Takes On This Market". Darin stellt er fest, dass die Marktbreite viel besser ist, als viele glauben. Im zitierten Artikel heißt es u.a.:
"Es gibt viele Möglichkeiten, die Marktbreite darzustellen, aber die einfachste ist die Advance-Decline-Line. Sie misst, wie viele Aktien nach oben und wie viele nach unten tendieren. Hier sind der NDX und der SPX (rote Linien am unteren Rand). Beiden scheint es gut zu gehen."
Es sieht wirklich so aus, als sei die Breite viel besser, als viele der Daten vermuten lassen.
Das Kalkül der Analyse hat jedoch einen Haken. Um das Problem besser zu verstehen, ist eine Erläuterung der Advance-Decline Line erforderlich.
"Die Advance-Decline Line ist ein technischer Indikator, der die Differenz zwischen der täglichen Anzahl steigender und fallender Aktien aufzeigt. Der Indikator ist kumulativ, d. h. eine positive Zahl wird zur vorherigen Zahl addiert, oder, wenn die Zahl negativ ist, wird sie von der vorherigen Zahl subtrahiert". - Investopedia
Der Schlüssel zu dieser Definition ist die "Anzahl der steigenden oder fallenden Aktien." Das ist für unser Verständnis der Geschehnisse auf dem Gesamtmarkt wichtig. Der Indikator erfasst zwar die Anzahl der täglich steigenden oder fallenden Aktien, berücksichtigt aber zwei Dinge nicht:
- Das Ausmaß, um das diese Aktien steigen oder fallen.
- Volatilität und Rotation zwischen den Sektoren des Marktes. (Manche Aktien steigen an einem Tag und fallen schon am nächsten.)
Analyse des S&P 500
Der folgende Chart zeigt alle Aktien, die im S&P 500 enthalten sind, und ob ihre Performance für das Jahr positiv oder negativ ist. Wie man sieht, haben sich einige Aktien für das Jahr positiv entwickelt, mehr als die Hälfte jedoch nicht. Die horizontale rote Linie zeigt die Anzahl der Aktien, die seit Jahresbeginn eine Rendite von mehr als 10 % erzielt haben. Diese Daten unterscheiden sich deutlich von dem, was die AD-Linie vermuten lässt.
Doch gehen wir den Daten etwas genauer auf den Grund. Das nächste Diagramm zeigt nur die Aktien des S&P 500, die in diesem Jahr bisher positive Renditen erzielt haben (Stand: Ende Mai). (Klicken Sie auf den Chart, um ihn zu vergrößern) Wie oben erwähnt, sind von den 500 Aktien im Index weniger als die Hälfte positiv für das Jahr, und viele liegen nur knapp im Plus.
Im bisherigen Jahresverlauf konnten jedoch weniger als 25 % der Aktien bis Ende Mai eine höhere Rendite als der Markt erzielen.
Natürlich führen die Mega-Cap-Aktien die Renditen des Jahres mit großem Abstand an. Dass ist ein wichtiger Faktor, wenn man die Gewichtung dieser Unternehmen mit großer Marktkapitalisierung innerhalb des S&P 500 Index betrachtet.
Jeder Prozentpunkt, der bei diesen Titeln gewonnen wird, hat einen überproportionalen Einfluss auf den Gesamtindex. Wie man sieht, hat jeder Punkt, den die 10 führenden Unternehmen im Index gewinnen, die gleiche Wirkung wie der, den die 426 Schlusslichter gewinnen.
Wenn die untersten 426 Aktien jeweils einen Punkt zulegen würden, die obersten 10 Aktien aber stagnieren würden, wäre der Marktanstieg gleich null. Mit anderen Worten: Die Marktbreite, wie sie durch die Advance-Decline-Line bestimmt wird, wäre stark, aber der Markt würde nicht steigen.
Sehen Sie, was hier das Problem ist?
Wir haben hier einen Bullenmarkt, bis er das nicht mehr ist ...
Die geringe Breite des Marktanstiegs ist zwar besorgniserregend, aber wie wir bereits festgestellt haben, können solche Anstiege viel länger weiterlaufen, als man es logischerweise erwarten würde. Wie wir bereits gezeigt haben, verläuft der aktuelle Marktanstieg, der auf Spekulationen über "künstliche Intelligenz" beruht, ähnlich dem Muster der "Dot.com"-Mondfahrt des Jahres 1999.
Wer 1999 in den Markt investiert hat, folgte einem regelrechten Hype. Die Unternehmen starteten hektisch Websites und verlegten den Unternehmensschwerpunkt während der Bilanzvorlage auf das "Internet". Portfoliomanager legten Fonds auf, die auf die Jagd nach Internet-Aktien gingen, und andere Fonds änderten einfach den Namen des Fonds, um von diesem Hype zu profitieren.
Natürlich war im März des folgenden Jahres alles vorbei, und alle Gewinne, die erzielt wurden, waren für die meisten in Rauch aufgegangen.
Das Internet gibt es natürlich immer noch, und es hat die Welt, wie wir sie kannten, verändert. Das Problem ist, wie auch heute, dass das vom Internet erwartete Ertragswachstum nicht ausgereift war.
Es war nicht so, dass die Unternehmen ihre Gewinne nicht in hohem Maße gesteigert hätten, aber die Erwartungen waren so überzogen, dass viele Unternehmen sie niemals hätten erfüllen können.
Vereinfacht ausgedrückt: Letztlich spielten die Bewertungen am Ende die wichtigste Rolle.
Heute erleben wir genau das Gleiche - eine kleine Marktrallye treibt den Index in die Höhe, begeistert die Anleger und weckt Fantasien von unvorstellbarem Reichtum.
Ich möchte meine Schlussfolgerung noch einmal wiederholen, falls sie nicht richtig klar geworden ist.
Anleger müssen an solchen Marktentwicklungen teilnehmen. Es ist jedoch auch wichtig, darauf zu achten, wann man verkaufen sollte, nämlich dann, wenn die Erwartungen die fundamentalen Realitäten übersteigen.
Mit anderen Worten, um es mit den berühmten Worten des legendären Investors Bernard Baruch zu sagen:
"Ich habe mein Geld damit gemacht, dass ich frühzeitig verkauft habe."