Der DAX hangelt sich Stückchen für Stückchen weiter in Richtung der 10.000-Punkte-Marke. Heute markierte er wieder ein neues Allzeithoch, das vorherige wurde um 5 Punkte übertroffen. Doch anschließend kamen die Kurse wieder zurück. Der Dax befindet sich damit seit dem 15. Januar in einer kleinen Seitwärtsphase. Das wiederum ist typisch vor einem derart wichtigen Widerstand, denn es ist nicht leicht, so eine psychologisch wichtige Marke zu überwinden.
Wie ich schon geschrieben hatte: Der DAX wechselt mit Überwinden dieser Marke vom vierstelligen in den fünfstelligen Bereich und das bedeutet einen Paradigmenwechsel. Und gemeinhin braucht ein solcher Paradigmenwechsel Zeit.
Ein schönes Beispiel hierfür liefert der Dow Jones:
Hier sind die Widerstände eingezeichnet, die einen solchen Paradigmenwechsel darstellen: 100, 1000, 10.000 Punkte. Jedes Mal kam es vor oder um diese Marken zu einer oft weit über zehn Jahre andauernden Seitwärtsbewegung. Auch wenn ich nicht davon ausgehe, dass wir im DAX so lange auf einen nachhaltigen Ausbruch warten müssen, so zeigt dieses Beispiel doch, wie schwierig es für Anleger offensichtlich ist, in einer neuen Größenordnung zu arbeiten. Hier zeigt sich der Mensch mal wieder als Gewohnheitstier.
Aber wie kommt es zu diesem seltsamen Phänomen?
Das kann man stark vereinfacht in etwas so erklären: Der Mensch denkt „räumlich“. Das heißt, er erstellt in seiner Vorstellung, um sich irgendetwas Neues vorstellen zu können, immer einen neuen „Raum“. Selbst wenn sich ein Mensch Unendlichkeit vorstellt, stellt er sich einem Raum vor, hinter dem es dann weiter geht. Das dahinter ist dabei auch nur wieder ein neuer Raum. Diesem Denken kann der Mensch nur sehr schwer entkommen.
In der Natur sucht er für diese Räume „Begrenzungslinien“. Deswegen gibt es Grenzen, die häufig an Flüssen entlang verlaufen, an Küsten oder an Gebirgen. Der Mensch braucht solche erkennbare Grenzen einfach. In einem Chart sind dies dann eben diese großen Marken.
Ist der DAX teuer?
Im DAX wird im Moment von den meisten Anlegern ein DAX-Stand von mehr als 10.000 Punkten als sehr teuer empfunden. Solange das der Fall ist, werden sich viele davor scheuen, oberhalb dieses Niveaus noch zu investieren. Und auch das macht ein Überwinden schwierig. Dieser Eindruck wird dann noch verstärkt, wenn der DAX jetzt mehrfach an dieser Marke scheitern sollte.
Im Prinzip müssen sich die Anleger erst daran gewöhnen, dass der DAX nun fünfstellig sein soll und dass ein Niveau von mehr als 10.000 Punkten nichts Besonderes mehr ist.
Und das macht den Übergang über diese Marke so schwierig.
Der Unterschied zwischen dem DAX und einer Leitbörse
Allerdings hat der DAX einen großen Vorteil gegenüber den amerikanischen Indizes, da die US-Indizes als Leitbörse den Takt vorgeben. Deswegen ist im Dow Jones dieses seltsam menschliche Verhalten auch in Reinform zu erkennen. Bei den Indizes, die nicht als Leitbörse fungieren, kann es zu Verzerrungen kommen. Nehmen wir als Beispiel den aktuellen DAX. Hier könnte nun Folgendes geschehen: Wenn die US-Indizes immer weiter steigen, wird sich der DAX diesem Sog nicht lange entziehen können und wird somit quasi von außen über diese Marke gezogen. Das ist der entscheidende Unterschied! Stünde der DAX alleine, wäre er also diesem oben beschriebenen Einfluss ohne eine Leitbörse unterworfen, müssten wir tatsächlich damit rechnen, dass es einige Jahre dauert, bis der DAX diese Marke nachhaltig überwinden kann.
Jochen Steffens