Der Euro eröffnet heute gegenüber dem USD bei 1,0522 (06:00 Uhr), nachdem der Tiefstkurs der letzten 24 Handelsstunden bei 1,0503 im US-Geschäft markiert wurde. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 129,78. In der Folge notiert EUR-JPY bei 136,58. EUR-CHF oszilliert bei 1,0470.
Die Finanzmärkte sind weiter nervös und reagieren erratisch. Anstiege an Aktienmärkten, die bisher lediglich technische Korrekturen waren, wurden regelmäßig zügig abverkauft. Der USD ist gefragt. Gold und Silber stehen unter mildem Druck. Bitcoin verliert weiter und hat in dieser Krise massiv versagt. Auf USD-Basis sank Bitcoin seit dem 24. Februar von 36.100 auf jetzt 27.300 USD (circa -24%, Gold im identischen Zeitraum -5,0%, EUR/USD -7,0%, DAX -5,0%).
Aus Berlin meldete sich Finanzminister Lindner zu Wort. Ich begrüße, dass er eine stärkere Orientierung an den Nöten der Unternehmen plant. Hier geht es um den Kapitalstock (Lebensbaum), der Staat und Haushalte ernährt. Damit spielt man nicht, nein, man pflegt ihn! Die nächste Einlassung ist sachlich richtig. Der Staat müsse sich selbst mehr zurückhalten. Sollte die Ukrainekrise weiter eskalieren, ist das nichts als Wunschdenken. Die Schuldenbremse soll ab 2023 wieder eingehalten werden. Ich höre wohl die Worte.
Eine Fortsetzung der aktuellen Außen- und Geopolitik steht dem entgegen. Seine Prioritäten seien, die Inflation zu dämpfen und die, Produktivität zu steigern. Das sind gute Ziele, aber können die erreicht werden, wenn die LNG-Preise (sofern überhaupt Versorgungssicherheit hergestellt werden kann) den deutschen Wirtschaftsstandort erodieren? Wird dann hier noch investiert (Kapitalstock, Lebensbaum), da andere Länder bessere Konditionen anbieten können, insbesondere die Länder, die nicht sanktionieren (Discounts auf Weltmarktpreise)?
Bundeskanzler Scholz traf Argentiniens Präsident Fernandez in Berlin. Argentinien beteiligt sich nicht an den Sanktionen gegen Russland. Scholz warnte (auf welcher Rechtsbasis?), westliche Sanktionen gegen Russland zu umgehen. Fernandez bot an, Deutschland mit LNG-Gas beliefern zu können. Er warnte vor einer Debatte, Russland wegen des Angriffs auf die Ukraine aus der G-20 Gruppe auszuschließen. Er sagte, dass wir alle hören müssen, nicht nur die Nato, sondern die ganze Welt. Auch Indonesien, dass derzeit den Vorsitz bei der G20 hat, lehnt einen Ausschluss Russlands ab. Bei genauerer Analyse ist der Westen isolierter, als es erscheint.
EU: Ein Herz für Autofahrer und Haushalte
Private Haushalte und Autofahrer werden voraussichtlich vom Plan einer CO2-Abgabe auf Benzin, Erdgas und Heizöl zunächst ausgenommen. Der Umwelt-Ausschuss des EU-Parlaments würde das Vorhaben der Kommission an verschiedenen Stellen entschärfen. Der EP-Ausschussvorsitzende sprach von einem schmerzhaften Kompromiss, den die große Mehrheit des Ausschusses unterstütze.
Die CO2-Abgabe soll dann ab 2025 nur für Firmen greifen und frühestens ab 2029 auch private Haushalte erfassen. Auch würde die Abgabe nicht mehr als 50 Euro pro Tonne CO2-Ausstoß betragen.
Kommentar: Hier lassen sich zwei Dinge manifestieren. Das in den letzten Jahren medial und politisch sehr "heiß gekochte" Klimathema wird erkennbar abgekühlt. Die Folgen der EU-Außenpolitik, die zu realen Wohlstandsverlusten und partiell zu Verarmungstendenzen innerhalb der EU, aber auch außerhalb der EU (UK: Zahl der Haushalte mit mangelnder Ernährungssicherheit von 12% auf 17% gestiegen) führt, animiert die Verantwortlichen in der EU, diese zusätzlichen Belastungen nicht auch noch zu forcieren, zumindest nicht auf kurze Sicht.
Zum Hintergrund:
Der CO2-Preis für Verkehr und Gebäude ist Element des Fit-for-55-Pakets der Europäischen Kommission mit dem die Klimaziele für 2030 erreicht werden sollte. Osteuropa wehrte sich hinsichtlich der eigenen Strukturen (Energie) von Beginn an gegen dieses Projekt. Mit den Einnahmen aus der Bepreisung von CO2 soll unter anderem ein Sozial-Fonds gespeist werde, der ärmeren Menschen bei Heiz- und Fahrtkosten unterstützen soll. Ergo sollen damit die Leistungsträger der europäischen Ökonomie die maßgeblichen Kosten tragen.
Deutschland hat ein ähnliches Modell eingeführt und wollte es ab 2026 mit dem EU-Plan verschmelzen. Derzeit beträgt die Abgabe 30 Euro pro Tonne CO2, was den Benzinpreis um rund zehn Cent verteuert. Die Abgabe soll jährlich steigen und 2026 mindestens 55 Euro und höchsten 65 Euro betragen.
Internationale Wirtschaft: Europa global zusehends im Abseits
Zurück zum Besuch des Präsidenten Argentiniens in Berlin. Bundeskanzler Olaf Scholz fordert Fortschritte beim EU-Lateinamerika-Freihandelsabkommen Mercosur (Argentinien, Brasilien, Uruguay, Paraguay). Argentiniens Präsident Fernandez erwiderte, es wäre im Interesse beider Regionen, das Handelsabkommen abzuschließen. So weit, so gut!
Wo liegt das Problem? Scholz insistierte, dass das Abkommen verbindliche Verpflichtungen von Standards im Umwelt- und Sozialbereich und bei den Menschenrechten sowie einen Schutz der Waldflächen in Südamerika vorsehen sollte. Fernandez erwiderte, dass dafür der Protektionismus einiger EU-Staaten überwunden werden müsste.
Der Freihandelsvertrag kam bisher nicht zustande, weil Frankreich das von der EU 2019 erfolgreich verhandelte Abkommen blockierte. Frankreich hatte und hat Bedenken, da es steigende südamerikanische Agrarexporte nach Europa befürchtet. In Deutschland baute sich Widerstand auf, weil Umweltgruppen negative Folgen für Wälder und Klima fürchteten.
Kommentar: In Asien wurde RECEP umgesetzt, das größte Freihandelsabkommen der Welt. Dieses Abkommen regelt Freihandel, weitgehend ohne in die Innenpolitik der teilnehmenden Länder einzugreifen. Der Westen baut Mauern zu Russland (unverzichtbarer Rohstofflieferant global) und die USA führen Wirtschafts- und Finanzkrieg gegen China (größte Volkswirtschaft der Welt Basis Kaufkraftparität) und ist bemüht, Europa auch in diesen Konflikt zu führen.
Europa will nur freihandeln, wenn unsere Standards umgesetzt werden. Das ist verständlich, aber ist es vor dem internationalen Hintergrund durchsetzbar? Das Risiko einer Marginalisierung Europas auf der globalen Wirtschaftsbühne wächst erheblich.
Datenpotpourri der letzten 24 Handelsstunden:
Eurozone: Keine neuen Erkenntnisse
Laut finaler Berechnung stiegen die deutschen Verbraucherpreise per April im Monatsvergleich um 0,8% und im Jahresvergleich um 7,4%. Das entsprach den Prognosen. Die Arbeitslosenrate Portugals sank im 1. Quartal 2022 von zuvor 6,30% auf 5,90% und markierte den tiefsten Stand seit dem 2. Quartal 2020 (5,60%).
USA: Federal Budget setzt positiven Rekord
Der Hypothekenmarktindex stieg in der Berichtswoche per 6. Mai von zuvor 351,8 auf 358,9 Zähler. Seit Februar 2021 kam es zu einem Rückgang unter Schwankungen ausgehend von 981 Punkten. In der Vorwoche wurde der niedrigste Wert seit Januar 2019 ausgewiesen.
Die US-Verbraucherpreise verzeichneten per April im Monatsvergleich einen Anstieg um 0,3% (Prognose 0,2%) nach zuvor 1,2%. Im Jahresvergleich ergab sich eine Zunahme um 8,3% (Prognose 8,1%) nach zuvor 8,5%. Die Kernrate der Verbraucherpreise legte per April um 0,6% (Prognose 0,4%) nach zuvor 0,3% zu. Im Jahresvergleich übersetzte sich das in einen Anstieg um 6,2% (Prognose 6,0%) nach zuvor 6,5%. Die realen Wochenlöhne waren per Berichtsmonat April im Monatsvergleich unverändert nach zuvor -1,0% (revidiert von -1,1%).
Das Federal Budget setzte mit einem Aktivsaldo per April (Steuerzahlungsmonat) in Höhe von 308,0 Mrd. USD einen historischen Rekord in dieser Datenreihe, die uns bis 1997 vorliegt
© Reuters
Das Federal Budget stellt jedoch nur eine Teilmenge des öffentlichen Haushalts dar. Laut US-Treasury ergab sich in der Gesamtbilanz des öffentlichen Haushalts zwischen 31. März 2022 und dem 30. April 2022 lediglich ein Aktivsaldo von circa 27 Mrd. USD.
Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den USD gegenüber dem EUR favorisiert. Ein Überschreiten des Widerstandsniveaus bei 1.0950 - 1.0980 neutralisiert den positiven Bias des USD.
Viel Erfolg
© Folker Hellmeyer
Chefvolkswirt der Netfonds Gruppe
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