Manchmal rückt die Börse auch komplett in den Hintergrund. Spätestens dann, wenn unseren Liebsten etwas zustößt. Meine Frau hatte vorgestern einen Fahrradunfall und musste ins Krankenhaus. Das ist auch der Grund, warum Sie vorgestern keinen Steffens Daily erhalten haben. Es ist zum Glück, wie sich dann nach diversen Untersuchungen herausstellte, nichts wirklich Schlimmeres geschehen, außer einer Gehirnerschütterung und einem gebrochenen Finger. Aber in solchen Momenten wird einem bewusst, wie schnell es gehen kann, und das Leben nimmt aus dem Nichts heraus eine dramatische Wendung.
Und irgendwie erinnerte mich dieser Unfall an die Crashs der Börsen, die eben auch meist so vollkommen unerwartet über uns hereinbrechen. Das mag allerdings auch damit zusammenhängen, dass ich, während ich in den ungemütlichen Krankenhausgängen wartete, im Internet zum Thema Börse surfte – der modernen Technik sei Dank.
Dabei fiel mir wieder einmal auf, dass es stets dasselbe ist: Kaum fallen die Kurse, schon liest man wieder von den bekannt markanten Theorien der „Untergangspropheten“ mit zum Teil wahnwitzigen Kurszielen und Ideen. Die Indizes werden sich in den kommenden Wochen halbieren oder/und Gold wird explodieren. Das Übliche also.
Eine Uhr, die kaputt ist, zeigt zwei Mal am Tag die richtige Uhrzeit an
Das erinnerte mich an einen der bekanntesten Untergangspropheten in den USA, der bereits seit Anfang der 90er, also kurz nach dem Börsencrash 1987, immer und immer wieder den baldigen und nun endgültigen Untergang prognostizierte. Leider verpasste er auf diese Weise erst einmal die 13 besten Börsenjahre der vergangenen 40 Jahre. Aber das interessierte niemanden mehr, als er nach diesen dreizehn Jahren Fehlprognosen in den Jahren 2000 bis 2003 endlich mal richtig lag. Ab dem Jahr 2000 hatte er seine große Zeit und wurde bekannt. Man las in dieser Zeit in allen Medien seinen Namen. Leider verpasste er, vielleicht von seinem eigenen Ruhm getragen, 2003 und in den folgenden Jahren die Rally. Er blieb jedoch stoisch weiter konsequent bei seinen Crahs-Szenarien. Im Jahr 2007 waren er und seine Firma fast pleite. Doch er sollte trotzdem dann wieder einmal Recht behalten. 2008 und 2009 hatte er erneut eine gute Phase, gerade noch rechtzeitig – allerdings erinnerten sich jetzt doch viele an die vielen Fehlprognosen zuvor, und sein Name tauchte kaum noch in den Medien auf.
Sie sehen also, als Börsianer bringt es überhaupt nichts, immer die gleiche Meinung zu vertreten, egal was der Markt auch macht. Das gilt für beide Seiten, sowohl für die Dauerbullen als auch die Permabären. Man muss sich hinter den Markt stellen, er hat immer Recht – egal welcher Überzeugung man auch ist.
Den Dollar wird es bald nicht mehr geben, eine bereits sehr alte Theorie
Doch selbst wenn die Märkte haussieren, so wie zurzeit noch in den USA, werden immer mal wieder Untergangsthesen durch die Medien gejagt. Und so fand ich dort unter anderem die Aussage des als „US-Finanzprofi“ betitelten Mike Maloney. Seiner Meinung nach soll es den Dollar in sechs Jahren nicht mehr geben. Die Ursache liege in der extrem expansiven Geldpolitik der Fed. Er erwarte dramatische Folgen für die USA, so Mr. Maloney.
Auch solche Aussagen sind geeignet, Angst zu schüren. Wenn man jedoch weiß, dass diese Prognose fast so alt ist, wie die US-Börsen selbst, relativiert sie sich. Nach dem 1929er Crash waren zum Beispiel viele namhafte Analysten und US-Politiker noch bis weit in die 50er Jahre davon überzeugt, dass der Dollar bald nicht mehr existieren würde und auch damals wurde die enorme Ausweitung der US-Geldmenge als Grund dafür genannt. Nach dem 1987er Crash gab es ebenfalls viele Analysten, die noch in die 90er Jahre hinein von dem baldigen Zusammenbruch des Dollars überzeugt waren.
Aber bis gestern ist das nicht geschehen, und das seit fast 100 Jahren nicht. Das heißt natürlich nicht, dass so etwas niemals passieren kann. Alles ist immer möglich – keine Frage. Aber wenn Sie sich bereits sehr lange und intensiv mit der Börse beschäftigt haben, werden Sie durch solche Aussagen nicht mehr großartig irritiert.
Denn dann wissen Sie auch, dass die meisten Crashs eben plötzlich auftauchen und zwar gerne dann, wenn niemand damit rechnet. So gab es in den Jahren 1999 und 2000 fast keine Bären mehr. Auch 2007 dünnte die Anzahl der skeptischen Analysten dramatisch aus, kurz bevor 2008 die Lehman-Brothers-Pleite einen erneuten Crash auslöste.
Für mich gibt es jedoch noch einen weiteren Grund, warum sich die Aussage von Mike Maloney relativiert. Er besitzt einen Online-Edelmetall. und Goldhandel. Ich will ihm nichts unterstellen, ich kenne den Mann nicht. Doch das bedeutet, dass er ein gewisses Interesse an der Verbreitung solcher Aussagen haben könnte. In solchen Fällen werde ich immer skeptisch – auch wenn ich ihm damit vielleicht Unrecht tue. Aber ich habe leider zu häufig miterleben müssen, dass gerade an den Börsen Menschen rein aus geschäftlichen Interessen Thesen verbreiten.
Nach der Krise ist in der Rally
Wir haben nun eine lange Krisenzeit hinter uns, die über 13 Jahre andauerte. In der Geschichte der US-Indizes war es bisher immer so, dass nach derart langen und großen Seitwärtsbewegungen lange Aufwärtstrends folgten. Aber auch hier heißt dieses „immer“ nicht unbedingt, dass es auch jetzt so sein muss. Lediglich die Wahrscheinlichkeit dafür ist höher – und an den Börsen kann man nur auf Wahrscheinlichkeiten setzen – denn niemand weiß, was wirklich geschehen wird.
Und das ist, wie ich vorgestern wieder einmal sehr deutlich erfahren dürfte, auch im Leben so. Jede Sekunde kann entscheidend sein und unser Leben auf so dramatische Weise verändern, das alles anders wird. Und trotzdem leben die meisten von uns in tiefer Zuversicht, dass irgendwie schon alles gut wird. Aber wie düster sähe auch unser Leben aus, wenn man diese Einstellung nicht hätte? Auch an den Börsen ist eine gewisse Portion vorsichtiger Optimismus langfristig gesehen häufig gewinnbringender, als eine sehr pessimistische Überzeugung – zumindest wenn man sich die Entwicklung der vergangenen 100 Jahre anschaut.
Jochen Steffens
Stockstreet GmbH