Ich hatte schon im Vorfeld der Konsolidierung darauf hingewiesen, dass die Stimmung mit fallenden Kursen dunkler werden wird und mit steigenden dann wieder freundlicher. In den Medien ist dieses Konsolidierungs-Spektakel weiterhin schön zu beobachten: Der DAX hat bereits gestern zum Handelsschluss noch die 50-Prozent-Marke der vorherigen Konsolidierung überwunden. Und nun scheint die Welt wieder in Ordnung.
Versetzen Sie sich in die Journalisten
Aber wo sind nur all die schlechten Nachrichten hin? Was ist mit dem Crash in den Schwellenländern? Was mit den Verwerfungen auf den Devisenmärkten? und die Problemen in China (dazu gleich mehr)? Gibt es das alles nicht mehr?
Doch, aber jetzt wird das Spiel einfach umgedreht: In den Redaktionsbüros der Zeitungen und der Onlineportale sind nun eben dieselben Redakteure, die vor wenigen Tagen noch nach Gründen für den Einbruch gesucht und gefunden haben, damit beschäftigt, Gründe für die steigenden Kurse zu finden. Und wie ich schon vor kurzem schrieb: Eigentlich gibt es immer für beide Richtungen - rauf oder runter - genügend Gründe. In den Nachrichten lesen Sie aber meist nur das, was zu der tatsächlichen Kursentwicklung passt.
Eine Rede, die nichts Neues brachte wird zur Standardbegründung
Im Moment wird die Rede der neuen Notenbankchefin der USA Janet Yellen vorgeschoben. Aber wie am Dienstag schon beschrieben, gab es NICHTS Neues in der Rede. Eigentlich taugt diese Nachricht bei genauerer Betrachtung also nicht, die steigenden Kurse zu begründen. Aber sie ist eingängig und den meisten Lesern entsprechend einleuchtend. Eine Meldung, die schnell und einfach abgeschrieben und verstanden wird, ist perfekt für die Medien. Übersetzt heißt das jedoch nur: Uns fällt auch kein besserer Grund ein.
Aber natürlich gibt es auch weitere Gründe, die in den Medien genannt werden: Republikaner und Demokraten einigen sich. So wurde der mögliche Schuldenstreit in den USA, der Ende Februar hätte erneut eskalieren können, heute durch eine überraschende Abstimmung im US-Repräsentantenhaus frühzeitig beendet. Das von den Republikaner dominierte Repräsentantenhaus stimmte für ein Gesetz, das der US-Regierung Spielraum bis März 2015 (!) gibt. Hintergrund dieser schnellen Einigung sind die im November anstehenden Kongresswahlen. Damit hat die Börse ein mögliches Problemthema weniger.
China mit guten Zahlen, die jedoch vielleicht verzerrt sind
Eine Sorge des Marktes war und ist auch immer wieder China. Hier fürchten einige Analysten schwächere Wachstumsraten. Ich hatte dazu das Entscheidende bereits geschrieben (siehe Steffens Daily vom 23.01.2014). Am Mittwoch wurden jedoch erfreuliche Zahlen gemeldet. So stiegen die Ausfuhren Chinas im Januar um 10,6 Prozent. Zwar kletterten auch die Importe, doch insgesamt verblieb ein Anstieg des Handelsbilanzüberschusses von 14 Prozent auf 32 Mrd. Dollar. Das ist der höchste Wert seit Januar 2009. Allerdings kann es sein, dass es durch das Neujahrsfest Ende Januar zu einer Verzerrung gekommen ist. Händler könnten Geschäfte in den Januar vorgezogen haben. Die wirkliche Entwicklung wird man demnach erst mit den Februar-Zahlen erkennen können.
Alles wieder gut?
Sie haben sicherlich bemerkt, dass der Anfang des Steffens-Daily heute einen leichten ironischen, aber freundlich gestimmten Unterton hatte. Es ist eben das, was Sie sich als Anleger angewöhnen müssen: gelassener Humor! Natürlich helfen die Nachrichten dabei, ein Gesamtbild zu kreieren. Sie sollten allerdings nicht alles so tierisch ernst nehmen. Hier agieren nur Menschen, die ebenfalls mit den Marktstimmungen hin und her getrieben werden. Und davon kann sich niemand frei machen.
Aber diese gehörige Portion Abstand, die man insbesondere dadurch erzielen kann, dass man vieles mit dem gebotenen Humor nimmt, hilft ungemein, sich nicht in falschen Überzeugungen zu verfangen. Und gerade die Ereignisse der vergangenen Wochen belegen das erneut sehr schön.
Die Börse ist und bleibt ein Sammelbecken für hysterische Emotionen und Meinungen. So lange Sie Teil dieser Hysterie sind, werden Sie nicht erfolgreich sein können. Erst wenn Sie sich von dieser Hysterie entfernen, werden Sie das wahre Gesicht der Börse erkennen. Aber das braucht zugegebenermaßen Zeit.
Was macht der S&P500 da?
Und damit zu einem altbekannten Chart:
Zunächst einmal bleibt der große Aufwärtstrend im S&P500 (hier blau) weiterhin intakt, wie Sie im Chart erkennen können. Der S&P500 hat lediglich die Mittellinie des Trendkanals getestet. Das ist tatsächlich noch alles ganz gesund und mittelfristig immer noch bullish zu werten. Natürlich kann es sein, dass er auch noch die untere Begrenzung des Trendkanals anläuft, aber selbst das wäre alles noch im normalen Rahmen eines breiten und gesunden Aufwärtstrends.
Nicht unwahrscheinlich ist übrigens, dass er diese untere Begrenzung des Trendkanals in Form einer Seitwärtsbewegung anläuft. Das würde zumindest zu unserer Jahresprognose passen.
Jochen Steffens