Wir waren schon einmal an diesem Punkt, aber nach der Entscheidung der US-Notenbank vom Mittwoch, den Leitzins unverändert zu lassen, und den Kommentaren des Fed-Vorsitzenden Jerome Powell fragen sich die Marktakteure erneut, ob der Straffungszyklus seinen Höhepunkt erreicht hat.
Einigen Berichten zufolge trägt der jüngste Rückgang der Rendite der 10-jährigen US-Staatsanleihen dazu bei, die Erwartung zu bestätigen, dass die Zinsen ihren Höhepunkt erreicht haben. Die Rendite fiel am Donnerstag (2. November) den dritten Tag in Folge und erreichte mit 4,67 % den tiefsten Stand seit drei Wochen. Zwei Wochen zuvor hatte die Rendite 10-jähriger Treasuries noch bei rund 5 % gelegen.
Analysten zufolge deuten die Äußerungen des Fed-Vorsitzenden Powell vom Mittwoch darauf hin, dass das Ende der Zinserhöhungen durch die Fed nun gekommen sein könnte. Die Märkte konzentrierten sich vor allem auf seine Bemerkung, dass der jüngste Renditeanstieg seit dem Sommer die Arbeit der Zentralbank erledigt habe, was die Notwendigkeit weiterer Zinserhöhungen durch die Fed verringere oder sogar überflüssig mache.
"Powells Äußerungen auf der Pressekonferenz waren das, was alle hören wollten", kommentierte Justin Burgin, Vice President of Equity Research bei Ameriprise Financial.
Die Fed-Funds-Futures tendieren weiterhin in die Richtung, dass die aktuelle Spanne für den Zielzinssatz von 5,25 % bis 5,50 % den Zenit des Zyklus markieren wird. Der Markt geht mit einer Wahrscheinlichkeit von 80 % davon aus, dass die Fed die Leitzinsen auf der nächsten FOMC-Sitzung am 13. Dezember erneut unverändert lassen wird.
Die Zinsen mögen ihren Höchststand erreicht haben, die Aussicht auf deutlich niedrigere Renditen in naher Zukunft ist jedoch weniger wahrscheinlich. So liegt die Rendite 10-jähriger Treasuries in der obigen Grafik immer noch deutlich über ihrem 50- und 200-Tage-Durchschnitt. Solange sich das Trendprofil nicht umkehrt - ein Rückgang des 50-Tage-Durchschnitts unter den 200-Tage-Durchschnitt wäre ein starkes Indiz dafür - ist davon auszugehen, dass das Mantra "higher for longer" das Marktgeschehen weiterhin überschatten wird.
Jean Boivin, Leiter des BlackRock Investment Institute und ehemaliger stellvertretender Gouverneur der Bank of Canada, sagte dazu:
"Wir denken, dass die langfristigen 10-Jahresrenditen in den USA bei 5,5 % das Niveau erreichen, das mit dem makroökonomischen Umfeld der nächsten fünf Jahre vereinbar ist."
"Das steht auch im Einklang mit der Risikokompensation, die Anleiheinvestoren verlangen sollten, um in Langläufer zu investieren."
Boivins Standpunkt deckt sich mit Powells Bemerkungen letzte Woche:
"Der Ausschuss denkt im Moment überhaupt nicht über Zinssenkungen nach. Wir reden nicht über Zinssenkungen."
Die auf geldpolitische Maßnahmen sensible reagierende Rendite der 2-jährigen Treasuries signalisieren jedoch weiterhin, dass der Leitzins seinen Höchststand erreicht hat und bereit für eine Zinssenkung in naher Zukunft sein könnte. Das lässt sich damit erklären, dass die 2-jährige Rendite, die weithin als Indikator für die Zinserwartungen gilt, weiterhin deutlich unter dem Zielsatz notiert.
Dennoch hat sich der Aufwärtstrend der Renditen im Zweijahresbereich nach dem jüngsten Anstieg noch nicht umgekehrt. Stattdessen scheint sich dieser wichtige Renditemarker in einer Warteschleife zu befinden, was bedeutet, dass bei den Zinssätzen vorerst alles so bleibt, wie es ist.
Derweilen bleibt die Geldpolitik relativ straff, wie die nachstehende Abbildung zeigt.
Makro- und geopolitische Faktoren stehen nun im Mittelpunkt, wenn es darum geht, den Zinspfad für die kommenden Wochen und Monate abzustecken. Die entscheidenden Variablen sind die nächsten Inflations- und Wirtschaftsdaten sowie die Entwicklungen im Nahen Osten.
Hier lauern verschiedene Risiken, aber die Märkte haben die aktuellen Bedingungen bereits eingepreist. Ein größerer Krieg im Nahen Osten oder überraschende Wirtschaftsdaten könnten dieses Kalkül schnell ändern, aber vorerst dominiert der Status quo und bestimmt das Szenario einer von Ungewissheit geprägten Ruhe.