Von Geoffrey Smith
Investing.com -- Der Ölpreis hat am Dienstag weiter zugelegt, wenn auch in einem langsameren Tempo als in den Tagen zuvor. Hintergrund sind Anzeichen dafür, dass die westlichen Staaten zunehmend drastische Maßnahmen ergreifen, um den durch die Sanktionen gegen Moskau künstlich verknappten Ölmarkt zu stützen.
Gegen 14.25 Uhr kostete ein Fass der US-Sorte WTI mit 110,06 Dollar 0,1% mehr als am Vortag, während ein Fass der Nordseesorte Brent um 0,5% auf 116,14 Dollar stieg. Damit befinden sich die Rohölnotierungen zwar immer noch rund 16 Dollar unter ihrem Höchststand von vor zwei Wochen, doch befinden sie sich seit einer Woche in einem stabilen Aufwärtstrend, da die Hoffnungen auf eine rasche Friedenslösung in der Ukraine nachgelassen haben.
Die US-Bundesstaaten Maryland und Georgia haben bereits eine einmonatige Aussetzung der staatlichen Benzinsteuern beschlossen, während die Gesetzgeber in New York, Illinois, Massachusetts, Michigan, Minnesota, Tennessee und Maine ähnliche Maßnahmen in Betracht ziehen. Für die Gasoline RBOB Futures ging es um 0,2 % auf 3,3796 Dollar pro Gallone nach oben.
Jenseits des Atlantiks bereiten die Regierungen in Europa ebenfalls vorübergehende Senkungen der Kraftstoffsteuern vor, die in der Regel um ein Vielfaches höher sind als in den USA. Italien und Frankreich haben bereits entsprechende Maßnahmen angekündigt. In Großbritannien werden ähnliche Schritte erwartet. Entsprechendes dürfte der Chef des Finanzministeriums, Rishi Sunak, bei der Vorstellung der Haushaltspläne ankündigen.
Angesichts der Aussicht, dass die EU ihre Sanktionen gegen Russland auch auf Energiekäufe ausdehnen wird, korrigieren Analysten ihre Preisprognosen nach oben. Bisher hatte die EU den Bezug von russischem Öl und Gas von ihren Sanktionen ausgenommen, da sie kurzfristig keine alternativen Lieferanten finden konnte.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selensky hat jedoch in einer Reihe eindringlicher Videoansprachen vor europäischen und US-amerikanischen Regierungsvertretern erklärt, dass Russland so seinen Krieg in der Ukraine weiter finanzieren kann - eine Botschaft, die nun anscheinend langsam ankommt. Nach Angaben von Diplomaten, die vom Wall Street Journal zitiert wurden, will die EU auf ihrem Gipfeltreffen am Donnerstag über ein Verbot des Kaufs von russischem Öl beraten. Ein Verbot des Gasbezugs geht jedoch für Deutschland und andere noch einen Schritt zu weit.
Francisco Blanch, Leiter des Bereichs Global Commodities and Derivatives Research bei der Bank of America (NYSE:BAC), sagte am Montag gegenüber Bloomberg TV, er sehe jetzt einen Höchststand von 150 Dollar je Barrel im Sommer, mit einem Durchschnittspreis von 110 Dollar für das Jahr.
"Die Ukraine-Krise hat die gesamte Erwartung um mindestens 25 bis 30 Dollar pro Barrel nach oben geschraubt", sagte Blanch, der zuvor mit einem Höchstpreis von 120 Dollar pro Barrel gerechnet hatte.
Torbjorn Tornqvist, Geschäftsführer des mit Russland vernetzten Handelshauses Gunvor, äußerte sich auf einer Veranstaltung der FT dahingehend, dass russische Raffinerien bereits ihre Diesellieferungen aufgrund der "Selbstsanktionierung" durch westliche Abnehmer einschränken und damit den Weltmarkt verknappen. Dies werde auch Auswirkungen auf die Rohölmärkte haben.
"Was bedeutet das? Dass mehr Rohöl anstelle der Produkte exportiert werden muss, was unserer Meinung nach nicht möglich ist und zu einer Drosselung der russischen Produktion führen wird", zitierte die Finanzzeitung Tornqvist.