Investing.com - Die älteren Semester unter uns werden sich sicherlich noch daran erinnern können, dass der Ölpreis vor noch nicht einmal zehn Jahren stabil über 100 Dollar pro Barrel gehandelt wurde. Damals prophezeiten die besten Analysten der Welt, dass wir nie wieder Ölpreise unter 75 Dollar pro Barrel zu sehen bekommen werden.
In den folgenden Jahren sah die Realität jedoch ganz anders aus. Bereits 2015/2016 fielen die Kurse unter 50 Dollar pro Barrel und damals konnte man diese scheinbar unvorhersehbare Situation keiner globalen Pandemie in die Schuhe schieben.
Mit Covid-19 verzeichneten die Öl-Futures sogar negative Preise, da man am Umschlagplatz in Cushing Oklahoma froh war, wenn jemand mit Tanklastern vorbeikam und das schwarze Gold abholte. Zu diesem Zeitpunkt war der Markt dermaßen übersättigt, dass es keine freien Lagerkapazitäten mehr gab.
Die gleichen Analysten, die ursprünglich davon sprachen, dass der Ölpreis nie wieder unter 75 Dollar pro Barrel fallen wird, stellten nun die kühne These auf, dass es nie wieder Preise über 100 Dollar pro Barrel geben wird. Es zeichnet sich jedoch bereits ab, dass sie scheinbar wieder daneben liegen.
Einigkeit der OPEC+ ist nur noch Geschichte
Es gibt zwei wichtige Faktoren, die über die künftige Entwicklung der Ölpreise entscheiden - die OPEC+ und die Investoren.
Im vergangenen Jahr gelang es der OPEC+ den Ölmarkt gemeinsam zu stabilisieren. Als die Preise im freien Fall waren, kämpften einige Länder ums nackte Überleben. Aus der Not heraus entstand eine Zweckgemeinschaft, welche beschloss die globale Ölproduktion zu drosseln. So konnte über die folgenden Monate hinweg ein Marktgleichgewicht herbeigeführt werden und die Preise knackten erfolgreich die 70 Dollar Marke.
Aber die Zeit, in der man an einem Strang zog, ist scheinbar vorbei. Der OPEC+ gelang es in mehreren Anläufen nicht sich auf eine gemeinsame Strategie für die Ölförderung im August und darüber hinaus zu einigen. Jeder der Produzenten ist nur noch darauf bedacht ein möglichst großes Stück vom neu zu verteilenden Kuchen abzubekommen.
"Bleiben die Fronten innerhalb der Organisation so verhärtet, dann werden wir schon bald Preise von 75 Dollar bis 80 Dollar zu sehen bekommen", so der Goldman Sachs (NYSE:GS) Rohstoffspezialist Jeffrey Currie.
Auf der Nordhalbkugel nimmt die Sommerreisesaison ihren Lauf und damit steigt auch die Nachfrage nach Kraftstoffen. Bereits im Juni lag das tägliche Defizit bei 2,3 Millionen Barrel und es ist davon auszugehen, dass sich die Lage im Juli und August weiter zuspitzt.
Wie wir alle wissen steigen die Preise für eine Handelsware, wenn das Angebot mit der zunehmenden Nachfrage nicht Schritt halten kann.
Ölpreis auf dem Weg zu neuen Hochs
Ein weiterer Faktor, der den Ölpreis in den kommenden Monaten weiter nach oben treibt, sind die Investoren selbst. Wer sich den Energiesektor einmal näher anschaut, der wird feststellen, dass die Renditen in letzter Zeit mehr als zu wünschen übrig ließen.
Viele der Kapitalgeber warten noch immer darauf, dass sie ihr in die Ölbranche investiertes Geld zurückbekommen. Sie haben schlichtweg kein Interesse mit neuem Geld die Ölförderung anzukurbeln, da das steigende Angebot die Preise fallen lässt, wodurch die ohnehin schon dürftige Eigenkapitalrendite noch weiter sinkt.
Der Tag an dem die Marke von 100 Dollar pro Barrel geknackt wird, ist vielleicht näher als so manch einer denkt.