FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Fondsmanager Christoph Frank analysiert mögliche Auswirkungen eines deutschen EM-Titelgewinns auf den hiesigen Aktienmarkt. Vorab: die eine oder andere Börse ist in der Vergangenheit nach oben geschossen.
25. Juni 2024. Spät, aber meines Erachtens verdient, sicherte sich die deutsche Fußballnationalmannschaft im letzten Gruppenspiel gegen die Schweiz am vergangenen Sonntagabend ein Remis und damit den Gruppensieg. Auf wen sie am kommenden Samstag im Achtelfinale trifft, spielen England, Dänemark, Slowenien und Serbien am Dienstag unter sich aus. Würde sie auch diese Hürde nehmen, stünden im besten Fall noch drei weitere Spiele bis zum ersehnten Titelgewinn an. Bei den Buchmachern rangiert derzeit nur noch Top-Favorit Frankreich vor der deutschen Elf. Hält die Elf ihre Vorrundenform und bekommt ihre Defensivprobleme in den Griff, ist der Titel mit dem Heimvorteil im Rücken durchaus möglich.
Hätte ein deutscher Titelgewinn Auswirkungen auf den hiesigen Aktienmarkt? Natürlich ist diese Frage, passend zum Sujet, spielerisch gedacht. Zum einen ist die Datengrundlage für eine seriöse Analyse viel zu dünn: Es gibt zu wenige Datenpunkte, teilweise hießen die (manchmal gar nicht mehr existierenden) Siegerländer Sowjetunion oder Tschechoslowakei, in denen es zu den Zeiten der Titelgewinne keine Aktienmärkte gab. Zum anderen wäre ein Zusammenhang zwischen einem EM-Sieg und einer anschließenden Hausse am Aktienmarkt kausal schwer herzustellen. Gleichwohl habe ich für diese Kolumne (spaßeshalber) ein paar Daten zusammengetragen.
Konkret analysierte ich, ob der heimische Aktienmarkt eines Siegerlandes vom Tag des EM-Finales (stets im Juni oder Juli) bis zum Jahresende bzw. in den zwölf Monaten nach dem Titelgewinn eine Outperformance gezeigt hat. Als Vergleichsmaßstab dienten mir hierbei für den weltweiten Aktienmarkt der MSCI World (ETR:X010) und für den europäischen Aktienmarkt der Stoxx Europe 50. Letzterer enthält auch Aktien aus Ländern außerhalb der Eurozone wie z. B. Großbritannien oder der Schweiz. Das passt zum EM-Teilnehmerfeld, in dem sich ja auch Nicht-Euro-Länder (oder Nicht-Euro-Fußballverbände) wie unsere Vorrundengegner Schottland und Schweiz tummeln.
Die Ergebnisse streuten breit: So haussierte der deutsche Leitindex DAX nach dem vorerst letzten deutschen EM-Titelgewinn von Ende Juni 1996 bis Ende Juni 1997 mit über 40 Prozent, was im damaligen Börsenumfeld allerdings keine Outperformance darstellte. Analoges gilt für die Kursverluste des französischen CAC 40 nach dem französischen Triumph 2000 bzw. die Einbußen am spanischen Aktienmarkt 2008. Seinerzeit dominierten eben das Platzen der New-Economy-Blase bzw. die Finanzkrise das Geschehen an den Börsen. Relativ unauffällige Renditen folgten auch dem (erneuten) spanischen Titelgewinn 2012 sowie dem portugiesischen Erfolg 2016. Ausgeprägter war das Eigenleben des Siegermarktes bei der vorangegangenen EM, die wegen der Corona-Pandemie erst 2021 ausgetragen wurde: Der Aktienmarkt des Europameisters Italien brach insbesondere im ersten Halbjahr 2022 deutlich ein, was auch die Gesamtrendite von Mitte Juli 2021 bis Mitte Juli 2022 deutlich ins Negative drehen ließ, ganz im Gegensatz zum MSCI World oder dem Stoxx Europe 50, die sich weitgehend behaupten konnten.
Den Vogel schoss dagegen Griechenlands Aktienmarkt nach dem Triumph 2004 ab: Rund 36 Prozent Kursgewinn beim griechischen Aktienindex (Greece) Athex Composite standen den etwa 15 Prozent des Weltaktienindex und des Europa-Index gegenüber. Wer sich eine Erklärung aus den Rippen quetschen will, könnte argumentieren, dass ein ursächlicher Zusammenhang vielleicht noch am ehesten bei marktengen Aktienmärkten und/oder Überraschungssiegern zutage treten könnte. Mir persönlich erschiene dergleichen allerdings eher als spielerische Mutmaßung denn als faktenbasierte Analyse.
Ob ursächlicher Zusammenhang oder nicht: Ich hätte nichts dagegen, würde sich 1996 wiederholen. Deutschland erspielt sich den EM-Titel und in den darauffolgenden zwölf Monaten gewinnen deutsche Aktien über 40 Prozent. Gegen dieses doppelte (Sommer-)Märchen hätten wohl weder deutsche Fußballfans noch Aktienliebhaberinnen etwas einzuwenden.
Von Christoph Frank, 25. Juni 2024, © pfp Advisory
Christoph Frank ist geschäftsführender Gesellschafter der pfp Advisory GmbH. Gemeinsam mit seinem Partner Roger Peeters verwaltet der Experte, der seit über 25 Jahren am deutschen Aktienmarkt aktiv ist, den 2006 aufgelegten und mehrfach ausgezeichneten Stock-Picking-Fonds DWS (ETR:DWSG) Concept Platow sowie den im August 2021 aufgelegten pfp Advisory Aktien Mittelstand Premium (WKN A3CM1J). Weitere Informationen unter www.pfp-advisory.de. Frank schreibt regelmäßig für die Frankfurter Wertpapierbörse.
(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse (ETR:DB1Gn) AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.