FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 14. April 2016. Trotz anhaltender wirtschaftlicher und politischer Probleme in Brasilien geht es an der dortigen Börse seit zwei Monaten nach oben.
Ein wieder steigender Ölpreis, sich stabilisierende Notierungen anderer Rohstoffe und nur moderate Zinserhöhungen in den USA - das alles hat Emerging Markets-Aktien in den vergangenen Wochen Flügel verliehen. Der Schwellenländer-Aktienindex MSCI Emerging Markets ist seit den Tiefs vom Januar um über 20 Prozent gestiegen. Ein wichtiger Treiber ist der brasilianische Markt, der Aktienindex Bovespa hat seit seinem Tief im Januar bei 37.046 Punkten - dem niedrigsten Stand seit der Finanzkrise - mittlerweile um 44 Prozent zugelegt auf aktuell 53.150 Zähler.
Die an der Börse Frankfurt gehandelten Aktien brasilianischer Unternehmen profitieren gleich zweifach, ihnen kommt zusätzlich die jüngste Erholung der brasilianischen Währung zugute: Im Januar mussten für einen Euro noch 4,45 Real bezahlt werden, jetzt sind es nur noch 3,93.
Aufwärts nach kräftigem Minus
Der Anstieg folgt einem tiefen Fall, vor wenigen Jahren stand der Bovespa noch bei über 70.000 Punkten, ein Euro war 2,20 Real wert. Getrieben ist der Aufschwung an der Börse aber eher durch Hoffnung als Fakten. Das Land steckt immer noch tief in der Rezession: Nach einem BIP-Rückgang von 3,8 Prozent 2015 prognostiziert der IWF im World Economic Outlook vom April für Brasilien 2016 abermals einen Einbruch um 3,8 Prozent, erst für das kommende Jahr wird ein Nullwachstum erwartet.
Zudem hat sich die politische Krise zuletzt weiter zugespitzt: Diese Woche ist ein weiterer Koalitionspartner aus der Regierung von Staatspräsidentin Dilma Rousseff ausgestiegen - wenige Tage bevor das Abgeordnetenhaus über die Aufnahme eines Amtsenthebungsverfahrens gegen die Präsidentin abstimmt. Rousseff wird vorgeworfen, Haushaltszahlen geschönt und ihren Wahlkampf illegal mit Spenden von Zulieferern des staatlichen Ölkonzerns Petrobras finanziert zu haben.
Kursverdopplung bei Petrobras
Petrobras steht im Zentrum eines gigantischen Schmiergeldskandals. Doch die ADRs, also Hinterlegungsscheine für ausländische Aktien, von Petrobras (WKN 541501) haben sich an der Börse Frankfurt seit dem Tief im Januar bei 2,50 Euro mittlerweile mehr als verdoppelt auf aktuell knapp 6 Euro. "Das hat mit dem gestiegenen Ölpreis und dem Real zu tun, aber auch mit der Hoffnung auf einen baldigen politischen Neuanfang", kommentiert Walter Vorhauser von Oddo Seydler. Im vergangen Jahr hatte Petrobras einen Rekordverlust von 8,6 Milliarden Euro eingefahren, 2014 waren es 6,7 Milliarden Euro. "Wie schlecht es dem Konzern geht, zeigt das Beispiel der neuen Raffinerie Comperj bei Rio de Janeiro: Die Eröffnung wurde von 2016 auf 2023 verschoben, obwohl angeblich bereits 20 Milliarden US-Dollar investiert wurden." Dem jüngsten Kursanstieg war ein langer Verfall vorausgegangen: Anfang 2010 kosteten die ADRs noch über 32 Euro.
Viele Gewinner
Verdoppelt haben sich auch die Aktien des Energiekonzerns Companhia Energética de Minas Gerais, kurz Cemig (WKN 899018), auf die Roland Stadler von der Baader Bank hinweist. Cemig notierte im Januar noch unter 1 Euro, aktuell sind es 1,95 Euro. Ähnlich aus sieht es beim Banco Bradesco (WKN 896694), neben Banco do Brasil, Banco Itaú und Unibanco eins der vier größten Kreditinstitute des Landes: Nach 3,80 Euro im Januar wird die Aktie jetzt zu 7,40 Euro gehandelt. Ein Sprung nach oben machten auch die Stamm- und Vorzugsaktien des Stromkonzerns Centrais Elétricas Brasileiras, kurz Eletrobrás (WKN 899037, 899026).
Übernahmespekulationen um Braskem
Erholt, aber längst nicht so stark gestiegen wie andere Titel sind ADRs des größten südamerikanischen Polyolefin-Herstellers Braskem, die an der Börse Frankfurt (WKN 896191) aktuell zu 12,54 Euro gehandelt werden nach 10 Euro Mitte Februar. Allerdings hatte sich der Chemiekonzern auch besser gehalten, dazu kam ein deutlicher Kursanstieg im Herbst 2015. "Es gibt Übernahmespekulationen", berichtet Vorhauser. Der chinesische Ölkonzern China National Offshore Oil Corporation CNOOC habe offenbar Interesse an dem Kauf einer Minderheitsbeteiligung an Braskem.
Aussichten unsicher
Insgesamt mehren sich die Stimmen, dass die Krise der Emerging Markets vorüber ist, die Zuflüsse in Schwellenländer-ETFs sind in den vergangenen Wochen deutlich gestiegen. Vorhauser zufolge könnte sich der Anstieg fortsetzen. "Die Rohstoffpreise haben sich stabilisiert, es sieht nach einer Wende aus."
Die Deutsche Asset Management hat die Gewichtung für Schwellenländer in diesem Monat auf Neutral hochgesetzt. Viel Potenzial sieht sie aber nicht: "Die Bewertung entspricht in etwa dem Chancen-Risikoprofil", erklärt Chief Investment Officer Stefan Kreuzkamp im neuen CIO View. Laut DekaBank wird die positive Marktentwicklung nicht durch eine nachhaltige Aufhellung des Konjunkturausblicks gestützt. Die politischen Krisen eröffnen aber auch neue Chancen, etwa bei einer Amtsenthebung von Rousseff in Brasilien, schreibt die Bank in ihren volkswirtschaftlichen Prognosen für April und Mai. Spätestens wenn im Herbst der nächste US-Zinsschritt erfolge, würden Emerging Markets-Anlagen aber wieder unter Druck kommen. "Kurzfristig ist jedoch noch Raum für Kursgewinne."
von: Anna-Maria Borse© 14. April 2016 - Deutsche Börse AG
(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.