Berlin (Reuters) - Ein Bündnis der deutschen Wirtschaft mit den führenden Sicherheitsbehörden soll Firmen besser vor Spionage schützen.
Die "Initiative Wirtschaftsschutz" soll insbesondere kleinen und mittelständischen Betrieben helfen, Angriffe zu erkennen und abzuwehren. "Deutsche Unternehmen verlieren jährlich mehrere Milliarden Euro durch Spähangriffe und Sabotage", sagte Bundesinnenminister Thomas de Maiziere am Dienstag in Berlin beim offiziellen Start der Aktion, die durch sein Ressort koordiniert wurde. "Spionage gehört nicht ins Reich von Fiktion und Agentenfilmen. Sie ist längst real." Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen warnte, mit der Digitalisierung werde nicht nur die Zahl der Gegner größer, sondern auch die Qualität von Cyberangriffen nehme zu.
Auf einer eigenen Internetseite (www.wirtschaftsschutz.info) wollen Bundesnachrichtendienst (BND), Verfassungsschutz, Bundeskriminalamt (BKA) und das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnologie (BSI) aufklären. Gleichzeitig verspricht das Portal "praxisnahe Handlungsempfehlungen, um Gefahren entgegen zu wirken". Registrierte Nutzer können in einem passwortgeschützten Bereich an aktuelle Lageinformationen kommen und werden über neue Spionagemethoden aufgeklärt.
Viele mittelständische Unternehmen seien technologisch hoch spezialisiert, sagte der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Eric Schweitzer. "Oftmals wissen sie aber nicht, dass sie vielleicht schon im Fadenkreuz von Wirtschaftskriminalität und Wirtschaftsspionage stehen." Auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) warnte davor, die Gefahr zu unterschätzen. "Als Unternehmer zu glauben, Spionage, Sabotage und Kriminalität betrifft einen nicht, weil das Unternehmen zu klein, zu unbekannt, zu unwichtig sei, ist ein gewaltiger Fehler", warnte BDI-Präsident Ulrich Grillo.
Maaßen sagte, die für Angreifer interessanten "Kronjuwelen" eines Unternehmens müssten nicht nur Forschungsergebnisse oder Kundenlisten sein. Auch weniger geheime Dinge, etwa Telefonnummern, seien für einen ausländischen Geheimdienst von Interesse. Wer für ein Unternehmen von Bedeutung sein könne, werde oft über Netzwerke wie Xing oder LinkedIn festgestellt. Cyberwelt und Realwelt vermischten sich immer mehr, sagte der Verfassungsschutz-Chef.
Die meisten deutschen Industriebetriebe wurden bereits Opfer von Datendiebstahl, Spionage oder Sabotage. 69 Prozent seien in den vergangenen zwei Jahren von solchen Delikten betroffen gewesen, ermittelte der Digitalverband Bitkom bei seiner Umfrage unter 504 Unternehmen. "Jahr für Jahr entstehen der deutschen Wirtschaft Schäden in Höhe von rund 50 Milliarden Euro, wobei die Dunkelziffer deutlich höher liegen dürfte", sagte Grillo. Verursacht wird das durch Umsatzverluste durch Plagiate, Patentrechtsverletzungen, den Verlust von Wettbewerbsvorteilen sowie Kosten für Rechtsstreitigkeiten.
Der Vorsitzende der Allianz (DE:ALVG) für Sicherheit in der Wirtschaft (ASW), Volker Wagner, sagte, Studien zufolge dauere es rund ein halbes Jahr, bis Unternehmen Cyber-Angriffe bemerkten. Dies müsse sich ändern.