BERLIN (dpa-AFX) - Unmittelbar vor dem "Autogipfel" im Kanzleramt gibt es breite Kritik an möglichen Kaufzuschüssen für Elektroautos. Umweltverbände und Opposition prangerten mögliche Subventionen auch vor dem Hintergrund der Abgasaffäre an: "Nicht mal eine Woche, nachdem fast alle Autohersteller viel zu hoher Abgaswerte bei Diesel-Fahrzeugen überführt wurden, soll jetzt mit Steuergeldern der Kauf von Elektroautos subventioniert werden", sagte NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller am Dienstag. "Das ist der falsche Ansatz."
Für den Abend hat Kanzlerin Angela Merkel (CDU) Vorstandschefs der Branche und das halbe Kabinett zum "Autogipfel" geladen. Von der Autoindustrie nehmen nach Angaben aus Branchenkreisen etwa BMW (XETRA:BMWG)-Chef Harald Krüger, der Daimler (XETRA:DAIGn)-Vorstandsvorsitzende Dieter Zetsche und VW (XETRA:VOW3)-Chef Matthias Müller an dem Treffen teil. Ob am Abend Entscheidungen bekanntgegeben werden, war zunächst offen.
Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt hatte am Morgen die geplante Unterstützung der Autoindustrie beim Thema Elektromobilität bekräftigt. "Wir sind sehr daran interessiert, dass genau diese Zukunft der automobilen Technologie mit mehr Dynamik vom Kunden angenommen wird", sagte der CSU-Politiker im "ZDF"-Morgenmagazin.
Die Regierung hat das Ziel ausgegeben, dass 2020 eine Million E-Autos unterwegs sein sollen. Zu Jahresbeginn waren aber erst 25 500 E-Autos und 130 000 Hybride zugelassen - bei 45 Millionen Pkw insgesamt.
Deshalb müssten jetzt die nötigen Entscheidungen für zusätzliche Anreize getroffen werden, um E-Autos schneller auf die Straße zu bekommen. Ob es die zuletzt diskutierten Kaufprämien geben soll, ließ Dobrindt offen. "Auf was man sich heute verständigen wird, muss man abwarten."
Beim Thema Kaufprämie waren zuletzt 4000 bis 5000 Euro für reine E-Autos und 3000 Euro für Hybride mit ergänzendem Verbrennungsmotor im Gespräch. Allerdings pocht Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) darauf, dass sich Steuerzahler und Autoindustrie die möglichen Förderkosten von rund 1,2 Milliarden Euro 50:50 teilen. Dazu sollen die Konzerne zuletzt noch nicht bereit gewesen sein.
Die Opposition stellt sich allerdings gegen eine Belastung für den Steuerzahler. "Die Einigung darf nicht auf Kosten des Haushalts gehen", sagte Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer der Deutschen Presse-Agentur. "Es gibt keinen Grund, warum alle Steuerzahler die Prämie mittragen müssen." Konsequent wäre es, Halter "übermotorisierter Spritschlucker" zur Finanzierung der Prämie heranzuziehen.
Der Linke-Verkehrsexperte Herbert Behrens forderte Kanzlerin Merkel auf, auch den Abgasskandal bei dem Treffen zum Thema zu machen. "Wenn man schon mal zusammenkommt, muss die Regierungschefin deutlich machen, dass Vertuschung und illegale Software nicht mehr toleriert werden. Grenzwerte sind keine Richtwerte, und sie sind einzuhalten", sagte Behrens der Deutschen Presse-Agentur.
Abgas-Nachmessungen des Kraftfahrtbundesamtes im Zuge des VW-Skandals hatten die Autobauer zu einem "freiwilligen Rückruf" von 630 000 Autos gezwungen. Bei den betroffenen Modellen von Audi (XETRA:NSUG), Mercedes, Opel, Porsche (DE:PSHG_p) und den leichten VW-Nutzfahrzeugen müsse die Technik zur Abgasreinigung bei bestimmten Temperaturen geändert werden. Viele Hersteller seien in ihrer "Interpretation" der EU-Richtlinie, die in bestimmten Situationen ein Herunterregeln der Schadstoff-Reduzierung erlaubt, sehr weit gegangen, hieß es bei der Bekanntgabe der Ergebnisse am Freitag.
Umweltverbände sind vor diesem Hintergrund gegen eine Förderprämie: "Jahrelang haben die deutschen Hersteller gegen strenge Grenzwerte lobbyiert und Abgastests schamlos geschönt, anstatt sauberere Autos zu entwickeln", sagte Tobias Austrup von Greenpeace. "Wenn die Regierung schon Elektroautos fördern will, dann nur kostenneutral, in dem sie die Dieselsubventionen streicht." Der Vorsitzende des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Hubert Weiger, sagte: "Die Förderung der Elektromobilität ist sinnvoll, wenn es um die Förderung intelligenter öffentlicher Verkehrssysteme geht."
Unterdessen teilte der japanische Autokonzern Mitsubishi Motors mit, eine unzulässige Testmethode für Verbrauchswerte bereits seit dem Jahr 1991 benutzt zu haben. Mitsubishi hatte die Manipulationen an Kleinstwagen kürzlich gestanden. Betroffen seien 625 000 Autos für den heimischen Markt. Die Fertigung sowie der Verkauf der vier Modelle wurde inzwischen gestoppt.