KARLSRUHE (dpa-AFX) - Hat die Deutsche Bank (ETR:DBK) bei der Übernahme der Postbank die Kleinaktionäre über den Tisch gezogen und ihnen viel zu wenig für ihre Aktien bezahlt? Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe verhandelte am Dienstag über eine Klage der Verlagsgesellschaft Effecten Spiegel, die als Postbank-Minderheitsaktionär im Zuge der Übernahme 25 Euro pro Aktie bekommen hatte. Hauptaktionär Deutsche Post (ETR:DPW) hatte hingegen im Jahr zuvor fast das Doppelte kassiert (Az.: II ZR 353/12).
Bekommt die Klägerin recht, müsste die Deutsche Bank nachzahlen und Kleinaktionäre entschädigen - die Rede ist von bis zu 1,6 Milliarden Euro. Der Effecten Spiegel, einst Besitzer von 150 000 Postbank-Anteilen, entgingen 4,8 Millionen Euro - sie klagt diesen "Nachschlag" nun ein. In den beiden Vorinstanzen war sie gescheitert. Experten räumen auch der BGH-Klage wenig Aussicht auf Erfolg ein.
Der Vorwurf der Verlagsgesellschaft: Die Deutsche Bank habe beim Übernahme-Deal getrickst. Laut Wertpapier-Übernahmegesetz muss allen Aktionären ein Pflichtangebot unterbreitet werden, sobald der neue Eigentümer die Kontrolle über das Unternehmen, also mindestens 30 Prozent der Stimmrechte erworben hat.
Das versuchte die Deutsche Bank nach Ansicht der Klägerin aber mit einem komplizierten Kaufkonstrukt zu verschleiern: Sie bezahlte das gesamte Aktienpaket schon 2009 zwar komplett, beließ einen Teil der Anteile formal aber bei der Deutschen Post, um unter der 30-Prozent-Marke zu bleiben.
Damit war sie nicht mehr zu einem Pflichtangebot verpflichtet, wartete stattdessen einen niedrigen Kurs der Aktie ab und bot den Kleinaktionären schließlich 2010 das gesetzlich vorgeschriebene Minimum von 25 Euro. Dieses Angebot hatte Effecten Spiegel angenommen.
Das Vorgehen der Deutschen Bank lese sich wie ein "Beipackzettel für die Verhinderung unliebsamer Pflichtangebote" sagte Matthias Siegmann, der die Klägerin vor dem BGH vertritt. Der Vorsitzende Richter Alfred Bergmann äußerte jedoch Zweifel, ob allein das schon bedenklich und damit gesetzeswidrig sei.
Die Deutsche Bank habe sich an die gesetzlichen Vorschriften gehalten, sagte dazu auch Rechtsanwalt und Experte für Übernahmerecht, Hartmut Krause, dessen Kanzlei auch Mandanten aus der Kreditwirtschaft betreut. "Das Pflichtangebot wird nun mal erst ab einer Beteiligung von 30 Prozent ausgelöst", der Übernahmemarkt brauche klare Regeln.
Sollte der BGH der Klage stattgeben, gebe es für künftige Übernahmen keinerlei Rechtssicherheit mehr. "Wir würden vermuten, dass sich die Deutsche Bank innerhalb des gesetzlichen Rahmens bewegt hat", erklärte auch ein Sprecher der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DWS).
Das Pflichtangebot sei absichtlich und in Absprache mit der Post umgangen worden, sagte hingegen Anwalt Oliver Krauß, der die Klägerin in der Vorinstanz vertreten hatte. "Wenn das beim BGH durchgeht, kann man den Minderheitenschutz bei Aktionären künftig vergessen."/avg/DP/stb