FRANKFURT (dpa-AFX) - Mitten im Übernahmekampf mit der Unicredit (BIT:CRDI) besetzt die Commerzbank (ETR:CBKG) die Konzernspitze neu. Der Aufsichtsrat habe beschlossen, Finanzvorständin Bettina Orlopp (54) zur Vorstandschefin zu bestellen, teilte das Institut am Dienstagabend in Frankfurt mit. Sie solle den derzeitigen Vorstandsvorsitzenden Manfred Knof "zeitnah" ablösen. Zugleich werde Firmenkundenvorstand Michael Kotzbauer neuer Vize-Chef der Bank. Wann der Wechsel stattfinden soll, ließ der Dax-Konzern offen.
Die Commerzbank-Aktie legte am Mittwochmorgen kurz nach Handelsbeginn um gut ein Prozent zu und war damit einer der besten Dax-Werte. Nachdem die Unicredit vor zwei Wochen im großen Stil als Aktionärin bei der Commerzbank eingestiegen war, hatte das Papier kräftig zugelegt. Zuletzt stockte die Erholung etwas.
Denn am Freitagabend hatte der Bund als Großaktionär bekannt gegeben, dass er bis auf Weiteres keine weiteren Commerzbank-Aktien verkaufen will. Daraufhin hatte das Papier am Montag zunächst deutlich verloren. Als die Unicredit dann am Montagmittag mitteilte, dass sie ihre Beteiligung mittels Finanzinstrumenten von 9 auf 21 Prozent aufgestockt hat, machte das Papier seine Kursverluste zunächst wett, ging letztlich aber doch mit einem Abschlag von fast sechs Prozent aus dem Handel. Am Dienstag legte die Aktie aber wieder zu.
Dass Orlopp die nächste Commerzbank-Chefin werden dürfte, hatte sich schon abgezeichnet. Mit der Managerin habe man "eine ideale Nachfolgelösung an der Spitze der Commerzbank gefunden", sagte Aufsichtsratschef Jens Weidmann. "Gerade in der jetzigen Phase der Bank sind klare Verantwortlichkeiten entscheidend. Mein großer Dank gilt Manfred Knof, ohne dessen Durchsetzungskraft und strategischen Weitblick die Bank heute nicht wieder so erfolgreich dastehen würde."
Anfang September hatte das Frankfurter Geldhaus überraschend mitgeteilt, dass Knof (59) seinen Ende 2025 auslaufenden Vertrag erfüllen, aber nicht verlängern wird. Er führt die Commerzbank seit 2021 und hatte ihren Umbau vorangetrieben - samt dem Abbau Tausender Stellen. Unter seiner Führung schaffte das Geldhaus die Wende und erzielte 2023 auch dank der gestiegenen Zinsen einen Rekordgewinn.
Doch mit dem kurz darauf erfolgten Einstieg der italienischen Großbank Unicredit, die nach der Commerzbank greift, geriet Deutschlands zweitgrößte Privatbank unter Druck. Großinvestoren wie die Fondsgesellschaft Deka drangen auf eine zügige Klärung der Vorstandsfrage. In dieser kritischen Phase brauche die Commerzbank Klarheit, hieß es.
Die Unicredit war kürzlich überraschend im großen Stil bei der Commerzbank eingestiegen. Mit der Aufstockung des Anteils auf 21 Prozent wäre die Unicredit mit Abstand größter Aktionär des Instituts - vor dem Bund, der noch rund 12 Prozent der Anteile hält. Zugleich beantragte die Unicredit die behördliche Erlaubnis, ihren Anteil auf bis zu 29,9 Prozent zu erhöhen. Damit wird ein offizielles Übernahmeangebot für die Commerzbank wahrscheinlicher.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nannte den Einstieg der Italiener eine "unfreundliche Attacke". Finanzminister Christian Lindner (FDP) sieht die Commerzbank in der Verantwortung, eine Übernahme durch die italienische Unicredit abzuwehren. "Das ist eine Angelegenheit vom Vorstand und Aufsichtsrat der Commerzbank", hatte Lindner am Dienstag auf die Frage gesagt, was die Bundesregierung tun könne, um die italienische Großbank abzuhalten.
Unicredit hat unterdessen am Mittwoch angekündigt, keinen Sitz im Aufsichtsrat der Commerzbank anzustreben. Dies sagte Bank-Chef Andrea Orcel auf einer Konferenz der Bank of America (NYSE:BAC). Zudem hat er seine Bereitschaft erklärt, den Dialog zum Thema Commerzbank wieder aufleben zu lassen. Man habe zuvor wiederholt mit den Interessensgruppen (Stakeholder) der Bank gesprochen.
Auch Orlopp soll nach einem Bericht der "Financial Times" (FT/Mittwoch) eine Übernahme nicht unterstützen. Zu den Argumenten gegen eine Übernahme durch Unicredit gehört, dass sie die Kreditvergabe der Commerzbank an kleine und mittlere deutsche Unternehmen beeinträchtigen und eine Integration der beiden Banken Jahre dauern könnte, wie mit der Situation vertraute Personen dem Blatt sagten.
Orlopp galt schon lange als heiße Kandidatin für die Nachfolge von Knof. Die bisherige Vize-Vorstandschefin arbeitet seit 2014 für die Commerzbank und gehört seit Herbst 2017 dem Vorstand an. Zuvor war sie Partnerin bei der Unternehmensberatung McKinsey. Sich selbst bezeichnete die promovierte Betriebswirtin und Mutter zweier Kinder einmal als "treue Seele", da sie in ihrer Karriere erst für zwei Arbeitgeber tätig war.
"Ich freue mich auf diese herausfordernde Aufgabe, die ich mit Respekt, aber auch mit großem Selbstvertrauen und einem hervorragenden Vorstandsteam an meiner Seite antreten", sagte Orlopp. "Wir haben eine Strategie, die greift, aber auch noch große Aufgaben vor uns."
Orlopp und Kotzbauer erhalten bei Antritt ihrer Ämter einen Vertrag über fünf Jahre, wie die Commerzbank weiter erklärte. Zur Nachbesetzung der Rolle des Finanzvorstands habe der Aufsichtsrat einen Auswahlprozess angestoßen. Für die Übergangszeit nach der Stabübergabe werde Orlopp die Rolle der Finanzchefin in Personalunion weiterführen.