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Transatlantischer Zollstreit - Brandsatz für den Welthandel

Veröffentlicht am 03.06.2018, 11:49
Aktualisiert 03.06.2018, 11:50
© Reuters. FILE PHOTO: A red-hot steel plate passes through a press at the ArcelorMittal steel plant in Ghent
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- von Reinhard Becker

Berlin (Reuters) - US-Präsident Donald Trump gibt sich siegessicher: "Handelskriege sind leicht zu gewinnen", tönte er schon lange bevor er die Welt mit Schutzzöllen auf Stahl und Aluminium konfrontierte. Schlägt die EU zurück, droht Experten zufolge allerdings eine fatale Eskalation. Schon geht die Angst um, dass die Weltwirtschaft schweren Schaden nehmen könnte. Sollten sich beide Seiten in einem "neuen kalten Krieg im Handel" mit Vergeltung überziehen, sei im schlimmsten Fall eine Rezession nicht ausgeschlossen, warnt Ifo-Experte Gabriel Felbermayr. Die Gefahr steige noch, wenn die als Wächterin des globalen Handels fungierende WTO "plattgemacht" werde: "Wenn die Welthandelsorganisation als Folge des Streits auseinanderfallen würde, wäre das katastrophal."

Laut WTO-Chef Roberto Azevedo hat der von Trump befeuerte Handelsstreit das Zeug dazu, das weltwirtschaftliche Wachstum abzuwürgen. Ohne die Institution wäre es womöglich schon im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 zu einer Protektionismus-Welle gekommen. Doch der Trump-Regierung, die sich den Slogan "Amerika zuerst" auf die Fahnen geschrieben hat, ist die WTO ein Dorn im Auge. Handelsminister Wilbur Ross hat ihr offen vorgeworfen, den Exporteuren stärkeren Schutz zu gewähren als den Importeuren und Dumping Vorschub zu leisten.

Die OECD hat ihre Prognose für das weltweite Wachstum in diesem Jahr bereits von 3,9 auf 3,8 Prozent nach unten revidiert und nennt bei den Risiken an vorderster Stelle eine drohende Eskalation der Handelsspannungen. Seit der Finanzkrise 2007 sind laut OECD in den 20 führenden Industrie- und Schwellenländern bereits mehr als 1200 neue Handelsschranken eingeführt worden. Da die Weltwirtschaft heute wesentlich stärker vernetzt sei als in der Vergangenheit, könne der Aufschwung durch neue Hindernisse ausgebremst werden, so die Sorge der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).

EU STEHT ZUM SHOWDOWN BEREIT

Der Chef des gewerkschaftsnahen Forschungsinstituts IMK, Gustav Horn, hält eine Reform der Welthandels für den Schlüssel zur Lösung des Problems. Im Zuge der Globalisierung und Liberalisierung seien auch Beschlüsse gefasst worden, die den Menschen geschadet hätten: "Es bedarf einer reformieren globalen Handelsarchitektur, um den Welthandel wieder auf sichere Beine zu stellen und dessen Vorteile letztlich wieder allen zugutekommen zu lassen." Doch selbst wenn es auf beiden Seiten des Atlantiks den Willen dazu geben sollte, kämen solche Beschlüsse wohl zu spät. Die EU steht zum Showdown bereit und hat eine Giftliste mit Gegenzöllen auf amerikanischen Whiskey, Orangensaft sowie andere US-Exportgüter erstellt.

© Reuters. FILE PHOTO: A red-hot steel plate passes through a press at the ArcelorMittal steel plant in Ghent

Doch die deutsche Industrie dringt auf stärkere Waffen und bringt offen Schutzzölle ins Gespräch, die Drittländer treffen würden. Sie fürchtet, dass das ebenfalls von den US-Zöllen auf Stahl und Aluminium betroffene China mehr billigen Stahl auf den europäischen Markt werfen könnte und die hiesigen Hersteller damit stärker in Bedrängnis bringen würde. Genau hier - also im Ausufern des transatlantischen Handelsstreits auf Drittländer - sieht Ifo-Experte Felbermayr die Gefahr für die Wirtschaft in Deutschland und der Welt: "Es geht Trump nicht so sehr um Stahl und Aluminium, sondern es geht um eine Generalattacke gegen das multilaterale Handelssystem. Und wenn er dabei erfolgreich ist, dann ist plötzlich sehr viel mehr im Feuer." Bei einem Flächenbrand werde es auch für Deutschland teuer.

Bei den amerikanischen Zöllen von zehn beziehungsweise 25 Prozent auf Aluminium- und Stahlprodukte sei das Handelsvolumen im Vergleich zum Handel eher klein: "Wir reden von 0,04 Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts, die betroffen sind." Dieser Konflikt könnte sich aber als bloßes Vorhutgefecht für einen Handelskrieg herausstellen. Wenn sich die Spirale weiterdrehe - etwa durch US-Schutzzölle auf Autos - wird Europa laut Felbermayr die USA dort zu treffen versuchen, wo es sie richtig schmerze: nämlich in der von US-Branchengiganten wie Google (NASDAQ:GOOGL) und Facebook (NASDAQ:FB) dominierten Digitalwirtschaft. "Wenn die USA einen Angriff ins Herzen der europäischen Volkswirtschaft tragen, sind die Europäer wohl bereit, mit Digitalsteuern nachzulegen. Das wird die Amerikaner treffen."

Der Konjunkturexperte des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Stefan Kooths, befürchtet, dass bereits US-Schutzzölle auf Autos eine deutlich fühlbare Eskalation des Konflikts bedeuten würden. "Das wäre dann schon eine richtige Breitseite, während die Stahlzölle doch eher Nadelstichen gleichkommen." Wie stark die Weltwirtschaft letztlich durch einen ausgewachsenen Handelskrieg belastet wird, lässt sich derzeit kaum abschätzen. Für den Ifo-Experten Felbermayr ist aber eines klar: "Ein Handelskrieg ist nicht zu gewinnen."

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