Investing.com - Die letzten Tage haben den US-Bankensektor (NASDAQ:KBWB) ordentlich durchgeschüttelt. Der Kollaps der SVB (NASDAQ:SIVB) hat für heftige Turbulenzen gesorgt und die Märkte haben ihre Zinserwartungen in Windeseile angepasst. Während noch vor wenigen Tagen Zinserhöhungen als wahrscheinlich galten, wurden zum Wochenauftakt bereits wieder Zinssenkungen diskutiert. Doch wie realistisch ist ein derartiges Szenario tatsächlich? Und welche Faktoren müssen erfüllt sein, damit die Fed tatsächlich eine Senkung beschließt? Mit diesen Fragen hat sich nun Jim Reid, Research-Stratege bei der Deutschen Bank (ETR:DBKGn), beschäftigt:
Zu einem bestimmten Zeitpunkt gestern preisten die Futures-Märkte drei Zinssenkungen der Fed um jeweils 25 Basispunkte im Jahr 2023 ein. Bis heute Morgen hat der Markt einen Großteil davon wieder ausgepreist. Der Verbraucherpreisindex hat dem ganzen Prozess noch einen zusätzlichen Schub gegeben.
Die Dinge können sich rasend schnell ändern, wie wir gesehen haben, aber wie realistisch sind baldige Senkungen angesichts der derzeitigen wirtschaftlichen Bedingungen?
Um das zu beantworten, haben wir uns angeschaut, wo die Kerninflation und die Arbeitslosigkeit in den USA zum Zeitpunkt der ersten Zinssenkung in jedem Zyklus der letzten 70 Jahre lagen.
Die Fed hat schon einmal die Zinssätze gesenkt, als die Kernrate der Verbraucherpreise über dem aktuellen Niveau lag, allerdings nur in den 1970er/Anfang der 1980er Jahre. Jedoch hat sie die Zinsen noch nie gesenkt, wenn die Arbeitslosigkeit so niedrig ist, wie derzeit. Zusammengenommen wäre das also ein extremer Zeitpunkt für den Beginn eines Zinssenkungszyklus, es sei denn, diese beiden Variablen ändern sich.
Zugegeben, wir gehen seit langem von einer Rezession in den USA im zweiten Halbjahr 2023 aus. Dass die Fed dann die Zinsen senken wird, leuchtet ein, denn zu diesem Zeitpunkt dürfte die Arbeitslosigkeit steigen und die Inflation zurückgegangen sein.
Mit der Abbildung soll daher vielmehr zum Ausdruck gebracht werden, dass wir wohl zunächst einmal handfeste Indizien dafür brauchen, dass die Arbeitslosenquote gedreht hat oder zumindest kurz davor steht, oder dass die Inflation in der Nähe des Zielwerts liegt, bevor wir über Zinssenkungen sprechen können. Natürlich könnten die Marktturbulenzen in den nächsten 5 bis 6 Tagen vor der FOMC-Sitzung die Fed davon überzeugen, dass dies bald der Fall sein wird, aber das Schaubild macht deutlich, in welchem Makro-Dilemma sich die Fed befindet.
von Robert Zach