FRANKFURT (dpa-AFX) - Mit dem Start in den November hat sich die Stimmung am deutschen Aktienmarkt spürbar aufgehellt. Die neue Woche könnte dies untermauern, sofern die zahlreichen Quartalsberichte großer deutscher Konzerne die Erwartungen erfüllen oder gar übertreffen. Wenig Hoffnung ruht indes auf den Konjunkturdaten, die vor allem die Industrie- und Einzelhandelstrends in Europa in den Fokus rücken werden. Auch geopolitische Risiken dürften wieder stärkere Beachtung finden. Sie waren angesichts der zuletzt fast euphorischen Hoffnung an den Märkten, dass der Zinsgipfel erreicht sein könnte, in den Hintergrund gerückt.
Nach den deutlichen Kursverlusten von Anfang August bis Ende Oktober habe "der stark überverkaufte Dax in der ersten Novemberwoche eine Erholung gestartet, die sich in den kommenden Wochen fortsetzen dürfte", erwartet nicht nur Commerzbank-Analyst Andreas Hürkamp. Claudia Windt, Analystin bei Helaba, verweist darauf, mit welcher Leichtigkeit der deutsche Leitindex die Hürde von 15 000 Punkten wieder zurückerobert hat. "Das könnte der Beginn der Jahresendrally werden, da die nach wie vor niedrige Bewertung die Investoren lockt", konstatiert sie.
Nachdem der Dax am letzten Tag im Juli bei knapp unter 16 530 Punkten auf ein Rekordhoch geklettert war, ging es in den darauf folgenden drei Monaten um bald 2000 Punkte wieder abwärts. Inflations- und Zinssorgen samt steigender Renditen am Anleihemarkt verschreckten die Anleger. Schließlich kamen noch die Sorgen angesichts des Gaza-Kriegs in Nahost hinzu. Erst als die US-Notenbank Fed und die Bank of England - wie zuvor bereits die Europäische Zentralbank - die Leitzinsen nicht erneut anhoben, sondern stillhielten, setzte die Erholungsrally ein.
Nun müssen die anstehenden Quartalszahlen den zurückgewonnenen Optimismus der Anleger rechtfertigen. Allein 17 Unternehmen aus dem Dax werden in der neuen Woche vorläufige oder endgültige Zahlen vorlegen und Ausblicke geben. Die wichtigsten Berichtstage sind Mittwoch und Donnerstag.
Zu den Unternehmen, denen besondere Aufmerksamkeit zuteilwerden dürfte, zählen der Agarchemie- und Pharmakonzern Bayer (ETR:BAYGN) , der Sportartikelhersteller Adidas (ETR:ADSGN) und der Rüstungskonzern und Autozulieferer Rheinmetall (ETR:RHMG) .
Bei Bayer dürfte die Entwicklung der Glyphosatpreise besonders im Blick stehen. Gehofft wird zudem auf Strategieaussagen des neuen Vorstandschefs Bill Anderson. Von Adidas wird erwartet, dass das Management die Mitte Oktober vorgelegten Eckzahlen samt des optimistischeren Ausblicks auf 2023 bestätigt. Womöglich gibt es auch bereits erste Aussagen zum neuen Jahr.
Rheinmetall könnte sich zur Vorlage des endgültigen Berichts über finanzielle Details zur Expal-Übernahme sowie den Barmittel- und Ergebnisrisiken im Schlussquartal äußern. Zudem gilt das Interesse auch möglichen Aussagen zum Jahresausblick und den mittelfristigen Aussichten.
Konjunkturseitig stehen in der neuen Woche aus der weltgrößten Volkswirtschaft USA wenige wichtige Daten auf der Agenda. Erst am Freitag wird die Verbraucherumfrage der Universität Michigan im November in den Fokus rücken. Während die Deutsche Bank (ETR:DBKGn) einen Anstieg erwartet, rechnet die Helaba mit einem leichten Rückgang.
Aus Europa - und im Speziellen aus Deutschland - stehen dagegen "vor allem harte Daten im Fokus", schreibt Chefstratege Robert Greil von der Privatbank Merck (ETR:MRCG) Finck. "Sowohl die Industrie- als auch die Einzelhandelstrends dürften unterstreichen, dass Europa in einer milden Rezession steckt." Die September-Daten für die Auftragseingänge und Produktion der hiesigen Industrie stehen am Montag und Dienstag an. Die Einzelhandelsumsätze für den Euroraum werden zur Wochenmitte publiziert.
Ob die anstehenden Unternehmenszahlen und Konjunkturdaten das Zeug haben, den Dax weiter nach oben zu treiben oder auch eine womöglich andauernde Zinseuphorie, bleibt abzuwarten. "Es wird mit Sicherheit keine einfache Handelswoche werden. Die Investoren müssen mit einer hohen Schwankungsfreudigkeit des Gesamtmarkts rechnen", erwartet Marktexperte Andreas Lipkow.
In jedem Fall dürften laut Portfoliomanager Thomas Altmann von QC Partners geopolitische Risiken wieder mehr Raum einnehmen. Erst wenn diese ihren Schrecken für die Anleger verlören, sei der Weg nach oben langfristig frei. "Kurzfristig sind aber auch im aktuellen Umfeld weitere begrenzte Anstiege möglich", gibt er Hoffnung. "Voraussetzungen dafür sind der Glaube an die Jahresendrally und eine anhaltende Kaufbereitschaft auch deutlich oberhalb von 15 000 Punkten.