PARIS/LONDON (dpa-AFX) - Anlässlich der nächsten Eskalationsstufe im amerikanisch-chinesischen Handelsstreit haben die Anleger an Europas wichtigsten Aktienmärkten am Freitag die Reißleine gezogen. Nach den kräftigen Vortagsgewinnen fielen die Kurse wieder. Auch der am Nachmittag erwartete US-Arbeitsmarktbericht sorgte wieder für Zurückhaltung.
Der EuroStoxx 50 (Euro Stoxx 50) fiel am Vormittag um 0,73 Prozent auf 3405,02 Punkte, nachdem er am Vortag noch um 2,7 Prozent nach oben geschnellt war. Damit deutet sich für den Leitindex der Eurozone ein Wochengewinn von rund 1,3 Prozent an. Der CAC 40 (CAC 40) in Paris verlor am Freitag ein halbes Prozent auf 5249,62 Punkte. Der Londoner FTSE 100 gab derweil moderat um 0,18 Prozent auf 7186,63 Zähler nach.
Nachdem es im Handelskonflikt zwischen den USA und China am Vortag noch nach Entspannung ausgesehen hatte, werden nun wieder aggressivere Töne angestimmt. US-Präsident Donald Trump lässt wegen "unfairen Vergeltungsmaßnahmen Chinas" zusätzliche Strafzölle auf chinesische Warenimporte im Volumen von 100 Milliarden US-Dollar prüfen. China reagierte scharf auf die überraschenden Drohungen und kündigte "umfassende Gegenmaßnahmen" an. Bereits zuvor hatten sich beide Länder gegenseitig mit Importzöllen auf Waren überzogen.
In der Sektorbetrachtung waren die Vortagsgewinner nun die größten Verlierer. Die neuerlichen Sorgen um den freien Welthandel setzten konjunkturempfindlichen Sektoren wie Chemie (Stoxx 600 Chemicals PR) oder Technologie- (STOXX Europe 600 Technology) und Industriegütern (STOXX Europe 600 Technology) zu, für deren Branchenindizes es um bis zu 0,75 Prozent bergab ging. Der Teilindex der Automobilbranche (Stoxx 600 Automobiles & Parts RP) büßte als Schlusslicht sogar 1,5 Prozent ein.
Die am Vortag nachhinkenden und als defensiv geltenden Versorgerwerte (STOXX Europe 600 Utilities) waren dagegen zu Wochenschluss der einzige Lichtblick. Ihr Sektorindex war zuletzt in der einzige mit einem denkbar knappen Zugewinn. Aktien wie Veolia (9:VIE) oder Suez (9:SEVI) gehörten in Paris mit 1 beziehungsweise 1,7 Prozent zu den Gewinnern. Auch europäische Immobilienwerte (STOXX Europe 600 RE Cap EUR Price) entwickelten sich im Allgemeinen vergleichsweise stabil.
In London standen vor allem die zahlreiche vertretenen Minenwerte unter Druck - getoppt von Abgaben von fast 2 Prozent bei Glencore (3:GLEN). Als größte Verlierer im "Footsie" kamen jedoch Marks & Spencer (3:MKS) und Next (3:NXT) aus dem Handelsbereich mit 3 bis 4 Prozent unter Druck. Hier belastete ein negativer Branchenkommentar durch die US-Bank Citigroup (NYSE:C).
Im Pharmabereich dagegen waren Shire (3:SHP) in London mit einem Aufschlag von etwa 1,5 Prozent besonders gefragt. Hier kursieren weiter Spekulationen um eine mögliche Übernahme durch den japanischen Pharmakonzern Takeda (20:4502).
In Zürich standen Roche-Aktien (5:ROG) mit knapp 0,9 Prozent unter Druck, nachdem der Pharmakonzern die milliardenschwere Übernahme von Flatiron Health erfolgreich abgeschlossen hat.
Dufry dagegen überzeugte die Anleger mit versprochenen Gewinnausschüttungen. Die Aktien rückten in Zürich um fast 3 Prozent vor.
Im Eurostoxx 50 gehörten die kaum veränderten Eni (6:ENI)-Aktien in der Spitzengruppe zu den stabilen Papieren. Kreisen zufolge soll der italienische Ölkonzern derzeit Gespräche über einen Verkauf von Anteilen an einem Ölprojekt in Mexiko führen - und zwar mit einem Investor aus dem Emirat Katar.