FRANKFURT (dpa-AFX) - Nach einer kurzen Stabilisierung ist der Dax am Donnerstag deutlich ins Minus gedreht. Der Krieg in der Ukraine und steigende Energiepreise belasten. Kapitalmarktstratege Jürgen Molnar von RoboMarkets bezeichnete die anfänglichen Kursgewinne als eine lediglich technische Gegenbewegung nach den jüngsten Verlusten, die nicht überbewertet werden sollte.
Um die Mittagszeit büßte der deutsche Leitindex gut ein Prozent auf 13 858,50 Punkte ein. Damit blieb er immerhin über dem Tiefstand seit einem Jahr, auf den er zur Wochenmitte abgerutscht war, bevor er es noch in positives Terrain geschafft hatte.
Der MDax der mittelgroßen deutschen Unternehmen verlor zuletzt 0,83 Prozent auf 30 843,27 Punkte. Für den Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50 ging es um 0,78 Prozent auf 3790,60 Zähler nach unten.
Es herrsche weiter Unsicherheit über den Verlauf des Krieges in der Ukraine und die wirtschaftlichen Folgen der Sanktionen gegen Russland, betonte Experte Molnar. Denn dass die Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine über einen Waffenstillstand fortgesetzt würden, "während russische Truppen die ukrainische Hauptstadt Kiew weiter unter Beschuss nehmen", klinge doch "ziemlich illusorisch".
Unternehmensseitig steht am deutschen Aktienmarkt weiter die laufende Berichtssaison im Fokus. Dass der Pharma- und Spezialchemiekonzerns Merck (DE:MRCG) KGaA dank guter Geschäfte der Laborsparte nach dem historisch starken Vorjahr auch 2022 ein hohes organisches Wachstum bei Umsatz und bereinigtem Ergebnis anpeilt, ließ die Aktien an der Dax-Spitze um 2,7 Prozent zulegen. JPMorgan-Analyst Richard Vosser sprach von einem starken Ausblick, der die Konsensschätzung für das operative Ergebnis (Ebitda) steigen lassen sollte.
Beim zuletzt starken Versorger (NYSE:XLU) RWE (DE:RWEG) und dem im MDax gelisteten Branchenkollegen Uniper (DE:UN01) standen indes Verluste von knapp fünfeinhalb beziehungsweise elf Prozent zu Buche. Börsianer führten diese zuvorderst auf den Krieg in der Ukraine zurück. Vor allem Uniper sei ein bedeutender Importeur von Erdgas aus Russland, heißt es im Handel. Mit der fortgesetzten Auseinandersetzung und den einschneidenden Sanktionen gegen Russland seien folglich unmittelbar operative Risiken für den Stromerzeuger verbunden.
Aus dem MDax legten gleich mehrere Mitglieder Zahlen vor. Lufthansa-Titel (DE:LHAG) waren mit einem Minus von siebeneinhalb Prozent einer der größten Verlierer. Die Fluggesellschaft stellt sich angesichts des Ukraine-Krieges nach zwei verlustreichen Pandemiejahren auf weiter schwierige Zeiten ein. Sie konnte zwar 2021 ihren Verlust um zwei Drittel reduzieren. Ob sie 2022 in die Gewinnzone zurückkehrt, ließ der Vorstand aber offen. Analyst Dirk Schlamp von der DZ Bank befürchtet, dass sich der stark steigende Ölpreis und geopolitische Risiken auf die Nachfrage auswirken könnten.
Die anfangs freundlichen Aktien von ProSiebenSat.1 (DE:PSMGn) sackten um fast vier Prozent auf ein Tief seit November 2020 ab, obwohl der Fernsehkonzern am Rekordumsatz des vergangenen Jahres anknüpfen und 2022 noch mehr schaffen will. Das Unternehmen habe zwar einen guten Ausblick gegeben, schrieb JPMorgan-Analyst Daniel Kerven. Die Anleger sollten jedoch abwarten angesichts möglicher Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine. Der militärische Konflikt drohe die positive Dynamik der Werbeeinnahmen zu bremsen.
Die Anteilseigner von Evonik (DE:EVKn) mussten einen Kursverlust von über drei Prozent verkraften. Der Spezialchemiekonzern traut sich trotz der hohen Rohstoffkosten 2022 ein weiteres Gewinnwachstum zu, betont aber auch die Unsicherheiten durch die Entwicklungen in der Ukraine.
Dagegen legten die Aktien von Kion (DE:KGX) mit einem Plus von zuletzt noch knapp fünfeinhalb Prozent eine Erholungsrally hin und eroberten den MDax-Spitzenplatz. Der Gabelstapler-Hersteller profitierte im vergangenen Jahr von der großen Nachfrage nach Logistik-Fahrzeugen und blickt zuversichtlich auf 2022. Im Kielwasser von Kion schafften es die Titel des Konkurrenten Jungheinrich mit einem Plus von 0,7 Prozent ebenfalls auf einen der vorderen Indexplätze.
Beim Anlagenbauer Gea (DE:G1AG) bremsten zwar Lieferengpässe das Umsatzwachstum im vergangenen Jahr. Allerdings legte der Gewinn dank der Restrukturierungsmaßnahmen des Unternehmens deutlich zu. Die Aktien verbilligten sich indes um 3,7 Prozent und waren damit so günstig wie zuletzt im vergangenen Sommer.