FRANKFURT (dpa-AFX) - Der deutsche Aktienmarkt ist am Donnerstag nach einer weiteren "Hiobsbotschaft" von US-Präsident Donald Trump in die Knie gegangen. Ausgelöst wurde die klare Abwärtsbewegung am Nachmittag von der Nachricht, dass sich Trump nun doch nicht am 12. Juni mit dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong Un treffen wird. Nordkorea habe in seinen letzten Statements "enormen Ärger und offene Feindschaft" erkennen lassen, begründete der US-Präsident die Absage.
Der bis zum Mittag freundlich und zeitweise wieder über der Marke von 13 000 Punkten notierende Dax (DAX) rauschte im späten Handel merklich nach unten und büßte letztlich 0,94 Prozent auf 12 855,09 Punkte ein. Der MDax (MDAX), der die Aktien mittelgroßer Unternehmen umfasst, verlor 0,57 Prozent auf 26 547,49 Punkte. Der zwischenzeitlich deutlich festere Technologiewerte-Index TecDax (TecDAX) rettete zum Handelsende noch ein kleines Plus von 0,16 Prozent bei 2800,64 Punkten.
"Die Liebesaffäre Trump/Kim ist vorbei", kommentierte Börsenexperte Jasper Lawler von der London Capital Group. "Die Unsicherheit ist an die Börsen zurückgekehrt", schrieb Marktanalyst Milan Cutkovic vom Handelshaus AxiTrader.
Aus Branchensicht standen vor allem Automobilaktien unter Druck, weil US-Präsident Donald Trump Einfuhrzölle auf ausländische Fahrzeuge prüfen lässt. "Importzölle auf Autos wären ein Albtraum für die deutsche Autoindustrie und würden massive Absatzeinbußen bedeuten", kommentierte dies Thomas Altmann, Leiter des Portfoliomanagements von QC Partners. Entsprechend standen die Papiere von Volkswagen (4:VOWG_p), Daimler (4:DAIGn) und BMW (4:BMWG) mit Verlusten zwischen 1,7 und 2,8 Prozent weit hinten im Dax-Tableau.
Bei Daimler kam ein weiterer Belastungsfaktor hinzu: Der Autobauer hat nach Ansicht der Behörden die Abgasreinigung bei Diesel-Fahrzeugen manipuliert. Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) habe bei Untersuchungen des Kleintransporters Mercedes-Benz Vito unzulässige Abschalteinrichtungen entdeckt, teilte das Bundesverkehrsministerium mit. Für weltweit knapp 6300 Fahrzeuge, darunter gut 1370 in Deutschland, sei ein Rückruf angeordnet worden. Daimler will das nicht hinnehmen und hat Widerspruch angekündigt.
Für die zum Umtausch eingereichten Aktien von Linde (4:LIN1) ging es an der Dax-Spitze um 1,3 Prozent nach oben. Eine optimistische Analystenstudie gab der gesamten Chemiebranche am Donnerstag Rückenwind. Analyst Tom Jones rechnet mit weiter steigenden Gewinnschätzungen und verwies auf den Ölpreisanstieg, sinkende Zollschranken in China sowie weniger negative Währungseffekte als Gewinntreiber.
Die Deutsche-Bank-Aktien (4:DBKGn) schmierten trotz der Ankündigung eines verschärften Sparprogramms ab. Nach anfänglich schwankendem Verlauf tauchten die Anteilscheine des größten deutschen Geldhauses am Nachmittag immer tiefer ab und büßten letztlich 4,79 Prozent auf 10,376 Euro ein. Mit einem Tagestief von 10,186 Euro hatten sie zwischenzeitlich den tiefsten Stand seit September 2016 markiert. Nach drei Verlustjahren in Folge will das Institut unter seinem neuen Vorstandschef Christian Sewing die Zahl der Vollzeitstellen von derzeit mehr als 97 000 auf deutlich unter 90 000 verringern.
Im Sog der Deutsche-Bank-Aktien ging es mit den Commerzbank-Titeln (4:CBKG) noch tiefer nach unten. Sie verließen die seit Wochen bestehende Handelsspanne zwischen 10 und gut 11 Euro und sackten unter die Marke von 10 Euro ab. Zum Handelsschluss betrug der Verlust 6,47 Prozent bei 9,495 Euro. Damit waren Commerzbank der größte Verlierer im Dax (DAX). Bereits im frühen Handel hatten die Aktien Händlern zufolge unter einer kritischen Analystenstudie gelitten.
Die Aktien von Gerresheimer (0:GXId) legten um 1,35 Prozent zu und waren damit Spitzenreiter im MDax. Mit einem Sprung bis auf 69,15 Euro hatten die Papiere des auf die Pharmaindustrie spezialisierten Verpackungsherstellers kurz zuvor den höchsten Stand seit Mitte Februar erreicht.
Der Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50 (Euro Stoxx 50) büßte 0,57 Prozent auf 3521,76 Punkte ein. Der FTSE 100 (GB0001383545) in London verlor rund 0,9 Prozent, der Pariser CAC 40 (CAC 40) sank um 0,3 Prozent. Der Dow Jones Industrial (Dow Jones Industrial Average) in New York stand zum Börsenschluss am deutschen Markt rund ein halbes Prozent im Minus.
Am Rentenmarkt stieg die Umlaufrendite von 0,33 Prozent am Vortag auf 0,35 Prozent. Der Rentenindex Rex (DE0008469107) fiel um 0,10 Prozent auf 140,21 Punkte. Der Bund-Future (DE0009652644) gewann 0,32 Prozent auf 160,18 Punkte. Der Euro stieg zuletzt auf 1,1728 US-Dollar. Die Europäische Zentralbank hatte den Referenzkurs am Nachmittag auf 1,1728 Dollar festgesetzt. Der Dollar hatte damit 0,8527 Euro gekostet.