Berlin (Reuters) - In der Datenaffäre nimmt der Druck auf Facebook (NASDAQ:FB) zu, für Aufklärung und mehr Schutz zu sorgen.
EU-Justizkommissarin Vera Jourova sagte der "Bild am Sonntag", sie verlange von dem Konzern weitere Klarstellungen, etwa inwieweit europäische Nutzer betroffen seien. Dazu wolle sie am Montag einen Brief an Facebook-Geschäftsführerin Sheryl Sandberg schicken, berichtete die Zeitung. Bundesjustizministerin Katarina Barley hat für Montag hochrangige Vertreter des sozialen Netzwerks einbestellt. Facebook-Chef Mark Zuckerberg bat unterdessen in der britischen Presse um Entschuldigung für die Datenaffäre.
In ganzseitigen Anzeigen wiederholte Zuckerberg sein Eingeständnis, dass es einen Vertrauensbruch gegeben habe. "Wir haben die Verantwortung, Ihre Daten zu schützen", schrieb der 33-Jährige. Er bedauere, dass sein Unternehmen nicht mehr dafür getan habe. Zugleich appellierte er an die Nutzer: "Vielen Dank, dass Sie an diese Gemeinschaft glauben. Ich verspreche Ihnen Besserung." Zuckerberg hatte bereits vergangene Woche in US-Fernsehinterviews um Entschuldigung gebeten.
Die Anzeige erschien auch im "Observer", dessen Berichterstattung über den Skandal zu massiven Kursverlusten der Facebook-Aktie geführt hatte. Seit Bekanntwerden des Skandals hat der Konzern mehr als 50 Milliarden Dollar Börsenwert verloren.
Wegen des Skandals haben das Raumfahrt-Unternehmen SpaceX und der Elektroauto-Hersteller Tesla ihre Konten bei Facebook stillgelegt. Die Commerzbank (DE:CBKG) und das Internet-Unternehmen Mozilla haben ihre Reklame in dem Online-Netzwerk gestoppt. Dass Facebook-Nutzer dem sozialen Netzwerk nun massenhaft den Rücken kehren, erwartet die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff aber nicht. Ein Sprecher von Facebook Deutschland sagte der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung", das Unternehmen habe "eine Handvoll Berichte von Kunden gesehen", die ihr Engagement auf Facebook pausierten. In Deutschland setze aber jedes dritte mittelständische Unternehmen auf die Internetplattform - insgesamt 1,2 Millionen Firmen.
Die Affäre war vor einer Woche publik geworden. Demnach wurden persönliche Daten von rund 50 Millionen Facebook-Nutzern von der britischen Analysefirma Cambridge Analytica mutmaßlich auf unlautere Weise eingesetzt, um US-Präsident Donald Trump im Wahlkampf zu unterstützen. Ermittler der britischen Datenschutzbehörde ICO durchsuchten am Freitagabend per Gerichtsbeschluss die Büros der Londoner Analysefirma Cambridge Analytica.
"EUROPÄISCHE ANTWORT"
"Dieser Missbrauch von Daten von 50 Millionen Facebook-Nutzern ist völlig inakzeptabel", sagte EU-Kommissarin Jourova. Die US-Regierung und die zuständigen Behörden hätten ihr bei einem Besuch zugesichert, "dass sie die Vorwürfe sehr ernst nehmen und an der Vorbereitung der notwendigen Schritte arbeiten". Gleichzeitig seien die EU-Datenschutzbehörden am Zug, um eine europäische Antwort zu geben. Der Skandal müsse ein Weckruf sein, wie jeder mit persönlichen Daten umgehe. Es gehe letztlich um die "Grundfesten unserer Demokratie". Einer Emnid-Umfrage für die "Bild am Sonntag" zufolge sind 60 Prozent Deutschen der Ansicht, dass soziale Netzwerke negative Auswirkungen für die Demokratie haben.
Justizministerin Barley, die im Zusammenhang mit dem Skandal auch von einer Gefahr für die Demokratie gesprochen hatte, hat den Vize-Europachef von Facebook, Richard Allan, in ihr Ministerium zitiert, um von ihm mehr über die Rolle des Konzerns in der jüngsten Affäre zu erfahren.
Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) sieht im Datenschutz bei Facebook Lücken. Die Schutzsysteme seien zwar grundsätzlich gut, sagte Behördenpräsident Arne Schönbohm der "Rheinischen Post". Das Beispiel Cambridge Analytica zeige aber, "dass der Schutz in der Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen noch höherer Qualität bedarf".
Die Bundesdatenschutzbeauftragte Voßhoff erwartet in Zukunft weitere Fälle von Datenmissbrauch wie bei Facebook. "Es wird immer wieder solche Vorfälle geben. Kein noch so gutes Gesetz kann Datenmissbrauch verhindern", sagte sie der "Welt am Sonntag". Gesetze wie die in wenigen Wochen in Kraft tretende Europäische Datenschutzgrundverordnung könnten aber eine abschreckende Wirkung entfalten.