Nicht die Dividende, sondern der ETF ist der neue Zins? Ist diese Position haltbar? Zumindest habe ich zuletzt entdeckt, dass zum Weltspartag am 29. Oktober (ja, ich bin inzwischen ein bisschen spät dran!) eine solche Meinung die Runde gemacht hat.
Wie immer gilt: Ja, eine Menge dieser Meinung ist wahr. Aber es gibt definitiv auch gewisse Einschränkungen, die man als Investor kennen sollte. Wenn man den Ansatz und den anvisierten Zeitraum richtig ausgearbeitet hat, kann ein ETF der neue Zins sein. Oder: Zumindest etwas anderes, vielleicht sogar etwas deutlich Besseres.
ETF: Der neue Zins? Konkret hieß es zugegebenermaßen nicht, dass ein ETF der neue Zins sei. Nein, sondern dass die kostengünstigen Fonds das Rezept gegen Niedrigzinsen seien. Um wirklich fair zu sein: Das hat natürlich eine ganz andere Konnotation als die platte Aussage, dass man einen Zins gegen einen Passivfonds tauschen könnte.
Riskieren wir jedoch lieber einen Blick auf die Position, warum es einen guten Ausgleich geben kann. Argumentiert wird an dieser Stelle zunächst mit überzeugenden Merkmalen. Dem einfachen, kostengünstigen und trotzdem renditestarken Ansatz. Der breite Markt bietet außerdem jede Menge Diversifikation. Außerdem schaffen es marktbreite Konstrukte wie der MSCI World (DE:X010), Investoren an 1.600 verschiedenen Aktien partizipieren zu lassen. Diversifikation, wenn auch mit einer gewissen Allokation, kann daher durchaus überzeugend sein.
Ein ETF als Zinsersatz könnte außerdem für viele die notwendige Flexibilität geben. Sparpläne, direkte Investitionen oder wenn nötig auch das Verkaufen und Entsparen: Es gibt eine Menge Möglichkeiten, die flexibel sind. Und damit grundsätzlich für viele Verbraucher geeignet.
Die Rendite bewegt sich historisch im höheren einstelligen Prozentbereich. Im Kern sind daher gerade Indexfonds nach der Einschätzung geeignet, um die ehemaligen Zinsen zu ersetzen. Wer dann noch auf Zocker-Varianten, Hebel-Produkte und andere Unarten achtet, der könnte einen soliden, langfristigen Ausgleich finden. Eine sehr positive Sichtweise, die ich geneigt bin, zu teilen.
Mit ein, zwei Ausnahmen ETF können ein Zinsersatz sein. Aber eben nur mit Einschränkungen. Im Kern ist dabei der Zeitraum wichtig, den man investieren möchte. Früheres Festgeld konnte man beispielsweise für ein Jahr anlegen und die Zinsen gutgeschrieben bekommen. Das ist so einfach bei einem Indexfonds nicht möglich, der volatil ist und in jede Richtung schwanken kann.
Das für mich Wichtigste, das man als angehender, passiver Investor daher beachten muss, ist die zeitliche Komponente. Mit einem ETF als Zinsersatz kann man über viele Jahre, idealerweise Jahrzehnte eine solide, marktbreite Rendite einfahren. Sowie eine, die mit Blick in die Vergangenheit die historischen Renditen von Zinsen alt aussehen ließ. Dafür muss man jedoch den Preis tagesaktueller Schwankungen, mal einer Korrektur oder sogar eines Crashs überstehen. Die langfristige Performance führte jedoch bislang stets zu einer positiven Rendite, auch wenn das mitunter auch mal Jahre gedauert hat.
Wer diese wichtige Differenz berücksichtigt, der kann einen ETF als Ersatz in Niedrigzinszeiten betrachten. Aber: Es geht um die langfristige Investition, nicht um einen kurzfristigen Schnellschuss, wie es früher bei Zinsen möglich gewesen wäre.
Der Artikel ETF: Der neue Zins? ist zuerst erschienen auf The Motley Fool Deutschland.
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