FRANKFURT (dpa-AFX) - Der überraschend moderate Anstieg der US-Verbraucherpreise im Oktober hat am deutschen Aktienmarkt eine Rally ausgelöst. Der Leitindex Dax zog am Donnerstag um 3,51 Prozent auf 14 146,09 Punkte an und erreichte damit das Niveau von Anfang Juni. Der MDax der mittelgroßen Werte schnellte um 4,08 Prozent auf 25 270,81 Punkte in die Höhe.
Der etwas abgeschwächte Preisauftrieb deutet auf weniger starke Leitzinsanhebungen durch die US-Notenbank Fed hin, die den Leitzins im laufenden Jahr schon stark erhöht hat. Die Fed hatte diesen auf den letzten vier Sitzungen um jeweils 0,75 Prozentpunkte angehoben. Notenbankchef Jerome Powell hat bereits auf der letzten Sitzung weniger starke Zinserhöhungen in Aussicht gestellt, wenn auch noch kein Ende der Maßnahmen.
"Die Inflation ist auf deutlichem Rückzugskurs", kommentierte Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank. Powell habe Grund zum Durchatmen. "Wenn es zu keinen weiteren externen Schocks kommt, werden die Teuerungsraten im kommenden Jahr noch merklicher fallen", schrieb Gitzel. Für die Fed rücke also der Zeitpunkt, an dem sie von weiteren Zinsanhebungen absehen könne, näher.
Diese Aussicht ließ dies- und jenseits des Atlantiks vor allem die Anleger von Technologie- und Internet-Unternehmen jubeln, denn hohe Zinsen schmälern den heutigen Wert der erwarteten hohen Gewinne in der Zukunft. Der europäische Branchenindex der Technologie-Werte (NYSE:XLK) sprang um 7,6 Prozent in die Höhe, in New York gewann der breit gefasste Tech-Index Nasdaq Composite zuletzt 6,1 Prozent.
Hierzulande setzten sich die Aktien des Online-Händlers Zalando (ETR:ZALG) mit einem Plus von 13,8 Prozent an die Dax-Spitze. Sie hatten seit Jahresbeginn besonders deutlich unter der Aussicht auf stark steigende Zinsen gelitten. Den ersten Platz im MDax sicherten sich die Papiere von Delivery Hero (ETR:DHER) mit einem Aufschlag von 18,6 Prozent. Der Essenslieferdienst will zudem im laufenden Geschäftsjahr den operativen Verlust im Bestfall noch etwas weiter begrenzen und 2023 schwarze Zahlen schreiben.
Auch ansonsten lief die Berichtssaison der Unternehmen auf Hochtouren. So setzt der hohe Druck aus Energiekrise, Lieferschwierigkeiten und wieder steigender Zinsbelastung dem Autozulieferer und Reifenhersteller Continental (ETR:CONG) zwar weiter zu. Im laufenden Geschäft aber konnte das Unternehmen das dritte Quartal recht solide abschließen, neue Großbestellungen sollen zudem frisches Geld in die Kasse bringen. Die Anteilscheine zogen um 7,6 Prozent an.
Geringere Schäden durch Naturkatastrophen und höhere Anlagegewinne hatten dem Versicherer Allianz (ETR:ALVG) im Sommer Rückenwind verschafft. Dies bescherte den Aktien ein Plus von fast sechs Prozent.
Der EuroStoxx 50 als Leitindex der Eurozone zog um 3,18 Prozent auf 3846,56 Punkte an. Der Pariser Cac 40 gewann fast zwei Prozent und der Londoner FTSE rund ein Prozent. In New York schnellte der Dow Jones Industrial zum Börsenschluss in Europa um gut drei Prozent in die Höhe.
Der Euro kletterte mit schwindender US-Zinsfantasie auf das höchste Niveau seit Mitte September und notierte zuletzt bei 1,0175 US-Dollar. Die Europäische Zentralbank hatte den Referenzkurs zuvor auf 0,9954 (Mittwoch: 1,0039) Dollar festgesetzt. Der Dollar kostete damit 1,0046 (0,9961) Euro.
Am Rentenmarkt fiel die Umlaufrendite von 2,20 Prozent am Vortag auf 2,15 Prozent. Der Rentenindex Rex stieg um 0,11 Prozent auf 126,85 Punkte. Der Bund-Future schnellte um 1,35 Prozent auf 140,29 Punkte in die Höhe.