Investing.com - An den Börsen brodelt es kräftig. Und Morgan Stanley (NYSE:MS) warnt: Das war's noch nicht!
Die Aktionäre sind besorgt über steigende Zinsen, explodierende Inflationsraten, Lieferkettenprobleme, den Ukraine-Krieg und schwächere Wirtschaftsprognosen.
Seit Jahresanfang hat der S&P 500 bereits 18,7 Prozent verloren. Titel aus den Sektoren zyklische Konsumgüter (NYSE:XLY) (-29,21 Prozent), Kommunikationsdienste (NYSE:XLC) (-26,7 Prozent) und Technologie (NYSE:XLK) (-25,47 Prozent) wurden besonders stark abgestraft. Lediglich der Energiesektor (NYSE:XLE), der üblicherweise am Ende eines Konjunkturzyklus stark anzieht, kann sich dem allgemeinen Marktdruck noch entziehen. Seit Jahreswechsel steht hier ein Plus von 38,3 Prozent zu Buche.
Als neues Bear-Case gibt die US-Großbank nun ein S&P 500-Ziel von 3.900 Zählern über die nächsten zwölf Monate aus. Diese Kursmarke hat der Leitindex heute bereits gerissen. Aktuell notiert er bei 3.876,7 Punkten. Vor einer möglichen Erholung rechnen die Experten von Morgan Stanley mit einem Seitwärtshandel in einer Spanne von 3.700 bis 3.800 Punkten, ehe sich der Index bis zum nächsten Frühjahr wieder bis auf 3.900 Punkte hocharbeiten kann.
"Wir gehen davon aus, dass die Volatilität an den Aktienmärkten in den nächsten 12 Monaten hoch bleiben wird. Charakteristisch für diesen Zyklus ist sicherlich die erhöhte Unsicherheit in Bezug auf Wirtschaft und Unternehmensgewinne", schrieb Mike Wilson, Leiter der US-Aktienstrategie bei Morgan Stanley, in einer Mitteilung. "Zusammen mit der erhöhten geopolitischen Unsicherheit, die in den letzten Monaten durch den Russland-Ukraine-Konflikt entstanden ist, ist der Boden für eine anhaltende Volatilität bereitet."
In einer separaten Notiz sprach Lisa Shalett etwas ausführlicher über das Thema Gewinnunsicherheit. Zwar seien die Zahlen zum ersten Quartal allgemein besser als befürchtet ausgefallen, doch diese Ergebnisse sollten im Rückspiegel betrachtet werden und spiegeln nicht die vollen Auswirkungen der strafferen Geldpolitik und des langsameren Wirtschaftswachstums wider, warnte sie.
Von den 434 S&P 500 Unternehmen, die bis letzten Freitag Q1-Ergebnisse gemeldet haben, haben 79,0 Prozent die Gewinnerwartungen übertroffen. Das zeigen Auswertungen von Refinitiv, einem globalen Anbieter von Finanzmarktdaten.
Die Gewinne im ersten Quartal 2022 dürften um 10,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal steigen. Für das zweite Quartal wird dann eine Verlangsamung des Gewinnwachstums der S&P 500-Unternehmen auf 5,6 Prozent erwartet, ehe es sich wieder auf 10 Prozent im dritten Quartal beschleunigt. Von Wachstumsraten über 40 Prozent, wie sie in den Zeiten nach Corona zu beobachten waren, ist in der Prognosetabelle von Refinitiv allerdings keine Spur mehr. Und das hat auch seine Berechtigung, wie Shalett weiter unten erläutert.
"Die Gewinnerwartungen bedürfen einer Neukalibrierung, da die Unternehmensgewinne zahlreichen Widrigkeiten ausgesetzt sind, darunter:
- Margendruck durch steigende Kosten,
- eine Normalisierung der Nachfrage gegenüber den ersten Tagen der Pandemie,
- eine schwächere internationale Nachfrage und
- der stärkste Dollar seit Jahrzehnten, der die US-Exporte und die Umrechnung der Auslandsgewinne von US-Unternehmen beeinträchtigen kann."
Der US-Dollar ist in Reaktion auf die straffere Geldpolitik der Fed, die ihren Schlüsselsatz auf den letzten beiden Sitzungen um insgesamt 75 Basispunkte erhöht und weitere Anhebungen in Aussicht gestellt hat, drastisch gestiegen. Allein heute kann der Dollar-Index um mehr als 1 Prozent zulegen. Mit 104,955 Indexpunkten befindet er sich derzeit auf dem höchsten Stand seit Dezember 2002.
Angesichts der zahlreichen Herausforderungen, mit denen der Aktienmarkt derzeit konfrontiert ist, mahnt die Expertin die Investoren zur Disziplin. Von der "Buy-the-Dip"-Strategie, die in den letzten Jahren immer wieder funktioniert hat, rät sie ab, auch wenn diese auf dem aktuellen Kursniveau attraktiv erscheinen mag. Solange keine Klarheit in Bezug auf Inflation, Geldpolitik, Gewinnentwicklung sowie internationale Ereignisse herrsche, sollten die Anleger lieber die Füße stillhalten, resümierte Shalett.
von Robert Zach