Für Anleger ist es essenziell, die Entwicklung der Unternehmensgewinne im Blick zu behalten – schließlich beeinflussen diese sowohl die Aktienbewertungen als auch die allgemeine Marktperformance. Wichtige Wirtschaftsindikatoren wie das Bruttoinlandsprodukt (BIP), der ISM-Index für das verarbeitende Gewerbe und der Chicago Fed National Activity Index (CFNAI) geben wertvolle Hinweise auf das wirtschaftliche Umfeld, das für die Rentabilität der Unternehmen eine zentrale Rolle spielt. Sie helfen Anlegern, die Ertragsschätzungen der Wall Street besser einzuschätzen und potenzielle Chancen oder Risiken frühzeitig zu erkennen.
In Zeiten wirtschaftlicher Erholung kann der Markt oft der realen Wirtschaft einen Schritt voraus sein. Anleger werden dann zunehmend optimistisch, und Analysten neigen dazu, ihre Gewinnprognosen nach oben zu korrigieren – in der Hoffnung, dass die wirtschaftlichen Fundamentaldaten letztlich nachziehen. Dieser Überschwang führt manchmal dazu, dass die Bewertungen vorübergehend von der realen Wirtschaft entkoppelt sind. Doch langfristig sind Unternehmenserträge und Wirtschaftsindikatoren eng miteinander verknüpft.
Der Blick auf die Wirtschaftsdaten – warum es sich lohnt:
Das Bruttoinlandsprodukt (BIP)
Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) misst den Gesamtwert aller in einem Land produzierten Waren und Dienstleistungen und gilt als verlässlicher Indikator für die wirtschaftliche Gesundheit. Ein steigendes BIP signalisiert eine lebhafte Wirtschaft, in der Unternehmen von höheren Verbraucherausgaben und steigenden Investitionen profitieren. In der Regel führt dies zu wachsenden Unternehmensgewinnen. Umgekehrt deutet ein sinkendes BIP auf eine wirtschaftliche Abschwächung hin, die häufig mit rückläufigen Erträgen einhergeht.
Die historischen Daten stützen diesen Zusammenhang: Laut der Fed zeigt die Entwicklung seit 1948, dass ein Anstieg des realen BIP-Wachstums um 1 % mit einem durchschnittlichen Ertragswachstum des S&P S&P 500 von etwa 6 % korreliert. Diese Beziehung unterstreicht, warum das BIP als wichtiger Gradmesser für die Entwicklung der Unternehmensgewinne gilt.
Ein anschauliches Beispiel liefert die historische Betrachtung: „Seit 1947 sind die Gewinne pro Aktie jährlich um 7,7 % gestiegen, während die Wirtschaft um durchschnittlich 6,4 % gewachsen ist. Diese enge Beziehung ist naheliegend, da die Verbraucherausgaben einen erheblichen Anteil am BIP ausmachen.“
Ein tieferer Einblick zeigt, dass die Korrelation zwischen der jährlichen Veränderung des Unternehmensgewinnwachstums und dem inflationsbereinigten BIP besonders ausgeprägt ist. Zwar gibt es Phasen, in denen Unternehmensgewinne von der allgemeinen Wirtschaftstätigkeit abweichen – etwa vor oder nach einer Rezession –, doch langfristig tendieren beide Indikatoren zur Konvergenz. Derzeit bewegen sich Wirtschaftswachstum und Unternehmensgewinne nahe an ihrer historischen Korrelation.
Wie bereits erwähnt, besteht auch eine Verbindung zwischen dem Marktgeschehen und dem Verhältnis von Unternehmensgewinnen zum BIP. Zwar können Märkte durch Anlegerstimmung und Marktdynamik vorübergehend von wirtschaftlichen Realitäten abweichen, doch diese Abweichungen sind in der Regel nicht nachhaltig. Die langfristige Rentabilität der Unternehmen bleibt eng mit der zugrunde liegenden Wirtschaftstätigkeit verknüpft.
Zusätzlich kann uns der ISM Composite Index wertvolle Hinweise darauf geben, wie sich die Unternehmensgewinne in den kommenden Jahren – insbesondere bis 2025 – entwickeln könnten.
Der ISM-Index für das verarbeitende Gewerbe
Der ISM-Index für das verarbeitende Gewerbe gilt als einer der wichtigsten Frühindikatoren für die wirtschaftliche Aktivität im Industriesektor. Der Index basiert auf Umfragen unter Einkaufsleitern, die zu Auftragseingängen, Produktionsvolumen und Beschäftigung befragt werden.
- Werte über 50 signalisieren eine Expansion im verarbeitenden Gewerbe, was in der Regel mit einem Anstieg der Unternehmensgewinne einhergeht.
- Werte unter 50 deuten hingegen auf eine Schrumpfung hin und werden oft als Warnsignal für eine bevorstehende wirtschaftliche Abschwächung und sinkende Unternehmensgewinne interpretiert.
Seit Ende 2024 liegt der ISM-Index konstant unter der kritischen Marke von 50, was auf eine Rezession im verarbeitenden Gewerbe hindeutet. Diese Entwicklung geht mit rückläufigen Auftragseingängen und einer schwächeren Nachfrage einher, was die Sorge um die Ertragskraft der Unternehmen im Jahr 2025 verstärkt. Obwohl das verarbeitende Gewerbe nur rund 20 % des US-BIP ausmacht, hat es durch seine weit verzweigten Lieferketten einen überproportionalen Einfluss auf die Gesamtwirtschaft.
Die bisherige Korrelation zwischen dem Anstieg der Unternehmensgewinne und Wirtschaftsindikatoren wie dem ISM-Index legt nahe, dass die optimistischen Schätzungen der Wall Street für 2025 mit Vorsicht zu genießen sind. Selbst unter Berücksichtigung des Dienstleistungssektors, der einen weitaus größeren Anteil am Wirtschaftswachstum hat, scheint der Aktienmarkt der realen wirtschaftlichen Entwicklung bereits weit vorausgeeilt zu sein.
Historisch betrachtet waren solche Phasen überdurchschnittlicher Aktienrenditen selten nachhaltig, wenn das Ertragswachstum letztlich hinter den Markterwartungen zurückblieb.
Ein weiterer nützlicher, aber oft übersehener Indikator ist der Chicago Fed National Activity Index (CFNAI). Als breit gefasster Maßstab für die wirtschaftliche Aktivität verdient er mehr Aufmerksamkeit, als er derzeit erhält.
Der Chicago Fed National Activity Index (CFNAI)
Der CFNAI (Chicago Fed National Activity Index) aggregiert 85 monatliche Wirtschaftsindikatoren aus vier Hauptbereichen:
- Produktion und Einkommen
- Beschäftigung, Arbeitslosigkeit und Arbeitsstunden
- Verbrauch des Privatsektors und Wohnen
- Umsätze, Aufträge und Bestände
Ein Wert über Null signalisiert ein überdurchschnittliches Wirtschaftswachstum, während ein Wert unter Null auf ein Wachstum unterhalb des langfristigen Trends hinweist. Im Oktober 2024 lag der CFNAI bei -0,15, was auf eine abgeschwächte Wirtschaftstätigkeit hindeutet. Anhaltend negative Werte deuten häufig auf ein erhöhtes Rezessionsrisiko hin. Besonders die Entwicklung im Beschäftigungssektor lässt erwarten, dass das Beschäftigungswachstum nachlässt, die Industrieproduktion weiter zurückgeht und der Verbrauch des Privatsektors moderat sinkt.
Die breite Abdeckung des CFNAI ermöglicht eine differenzierte Sicht auf verschiedene wirtschaftliche Kräfte und deren Einfluss auf die Unternehmensgewinne. Wenn sich Schlüsselindikatoren wie Produktion und Beschäftigung verschlechtern, sinken die Chancen auf starke Erträge im Jahr 2025 erheblich. Historisch gesehen besteht eine klare, wenn auch schwankende, Korrelation zwischen dem CFNAI und den Unternehmensgewinnen.
Neben den CFNAI-Komponenten gibt es weitere entscheidende Wirtschaftsdaten, die Anleger im Hinblick auf 2025 berücksichtigen sollten:
- Konsumausgaben: Da die Verbraucherausgaben fast 70 % des US-BIP ausmachen, sind sie ein zentraler Treiber für das Wirtschaftswachstum. Jüngste Daten zeigen jedoch, dass das Wachstum der Einzelhandelsumsätze nachlässt. Dies könnte auf ein vorsichtigeres Konsumverhalten aufgrund des anhaltenden Inflationsdrucks und der höheren Zinssätze hindeuten – ein Risiko für Unternehmen, die stark vom privaten Verbrauch abhängen.
- Arbeitsmarkttrends: Trotz weiterhin niedriger Arbeitslosenquoten gehen die Zahl der offenen Stellen und das Lohnwachstum zurück. Ein nachlassender Arbeitsmarkt könnte das verfügbare Einkommen der Verbraucher schmälern und damit die Ertragsaussichten konsumnaher Unternehmen belasten.
- Unternehmensmargen: Steigende Kosten für Rohstoffe, Arbeitskräfte und Kredite setzen die Gewinnspannen vieler Unternehmen unter Druck. Sollten sich diese Trends fortsetzen, könnten die Unternehmensgewinne im Jahr 2025 schwächer ausfallen als derzeit erwartet.
Gewinnschätzungen der Wall Street für 2025
Die Analysten an der Wall Street erwarten für 2025 Rekordgewinne. Die aktuelle Bottom-up-Schätzung für den Gewinn pro Aktie (EPS) im S&P 500 liegt bei 268,94 USD, was einem jährlichen Wachstum von über 10 % entspricht. Sollte diese Prognose eintreten, wäre das der höchste jemals erreichte EPS-Wert für den Index.
Allerdings zeigt die Vergangenheit, dass solche Prognosen oft zu optimistisch sind: Analysten überschätzen die zukünftigen Gewinne im Median um rund 30 %. Angesichts der aktuellen Wirtschaftsdaten, die auf eine Verlangsamung hinweisen, könnten auch die jetzigen Schätzungen zu hoch sein. Indikatoren wie der ISM-Index für das verarbeitende Gewerbe und der Chicago Fed National Activity Index (CFNAI) signalisieren eine nachlassende wirtschaftliche Dynamik – Grund genug für einen vorsichtigeren Blick nach vorn.
Ein weiteres Risiko ist die aktuelle Bewertung des Marktes. Der S&P 500 wird derzeit etwa zum 22,43-fachen des geschätzten Gewinns gehandelt – deutlich über dem historischen Durchschnitt von 15,8. Sollten die tatsächlichen Unternehmensgewinne hinter den Erwartungen zurückbleiben, könnten die Bewertungen unter Druck geraten, wenn Anleger beginnen, die aktuellen Kursniveaus kritisch zu hinterfragen.
Die Zeichen stehen auf Vorsicht: Gedämpfte Produktionszahlen, ein verlangsamtes BIP-Wachstum und zurückhaltende Verbraucherausgaben deuten auf ein wirtschaftliches Umfeld hin, das möglicherweise weniger förderlich für ein starkes Gewinnwachstum ist, als die Analystenschätzungen erwarten lassen. Anleger sollten sich daher bewusst mit der Kluft zwischen den optimistischen Erwartungen der Wall Street und den nachlassenden wirtschaftlichen Fundamentaldaten auseinandersetzen.
Fünf Strategien, die Sie in Betracht ziehen sollten:
- Diversifikation: Verteilen Sie Ihre Investitionen auf verschiedene Sektoren, um Risiken in besonders konjunkturabhängigen Branchen zu minimieren.
- Qualität vor Quantität: Setzen Sie auf Unternehmen mit starken Bilanzen, stabilen Cashflows und wettbewerbsfähigen Marktpositionen. Solche Unternehmen sind widerstandsfähiger gegenüber wirtschaftlichen Abschwüngen.
- Wirtschaftsdaten im Blick behalten: Beobachten Sie wichtige Indikatoren wie den ISM-Index, den CFNAI und die Verbraucherausgaben, um mögliche Revisionen der Gewinnschätzungen frühzeitig zu erkennen.
- Auf Volatilität einstellen: Hohe Bewertungen lassen wenig Raum für Enttäuschungen. Bleiben die Gewinne hinter den Erwartungen zurück, könnten die Märkte schnell volatil werden.
Sollten diese Gegenwinde anhalten, ist damit zu rechnen, dass die Unternehmensgewinne langsamer wachsen oder sogar leicht zurückgehen – weit entfernt von den optimistischen Prognosen der Wall Street. Das könnte die Renditen für Anleger erheblich belasten, insbesondere in wachstumsstarken Sektoren, die empfindlich auf enttäuschende Erträge reagieren.
Wir werden weiterhin auf Anzeichen zunehmender Risiken achten, darunter sich ausweitende Kreditspreads und sinkende Verbraucherausgaben. Der Markt wird derzeit stark von Optimismus und hohem Anlegervertrauen getragen – ein Zustand, der sich oft länger hält, als die Fundamentaldaten vermuten lassen. Doch letztlich neigt der Markt dazu, zur wirtschaftlichen Realität zurückzukehren.
Zwar lässt sich die Marktentwicklung auf lange Sicht kaum exakt timen, doch Anleger können das Risiko im Portfolio aktiv steuern. Wer auf die treibenden Faktoren wie Stimmungen, Kreditspreads, Unternehmensgewinne und aktuelle Wirtschaftsdaten achtet, hat die besten Chancen, in einem sich wandelnden Marktumfeld erfolgreich zu bestehen.