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Interessant ist, dass sich auf der Pressekonferenz nach der vorgestrigen Zinsentscheidung der US-Notenbank (Fed) die allererste Wortmeldung aus den Reihen der Reporter an Fed-Chef Jerome Powell auf die gelockerten Finanzierungsbedingungen (engl.: financial conditions) bezog. Genau diese hatte ich in der vorgestrigen Börse-Intern-Ausgabe ebenfalls thematisiert, offenbar aus gutem Grund. Doch auf die Frage, ob diese Entwicklung die Arbeit der Fed erschwere und letztlich ein höheres Leitzinsniveau erforderlich mache, verwandelte Jerome Powell den Elfmeter nicht. Laut Powell sei es zwar wichtig, dass die Finanzbedingungen die Geldpolitik widerspiegeln, man lege aber keinen Fokus auf kurzfristige Bewegungen. Mit dieser Aussage ließ er die Chance ungenutzt, den Börsen einen Schlag zu versetzen, um die Kurse und damit auch die Finanzierungsbedingungen in die für die Fed richtige Richtung zu treiben.
Weil aber offenbar einige Short-Spekulanten am Aktienmarkt auf einen Gegenschlag gesetzt hatten, kam es in der Folge zu einem Short-Squeeze. Die Aktienkurse zogen an, Short-Positionen mussten geschlossen werden, was die Nachfrage anheizte und den Kursanstieg befeuerte. Anders ist die bullishe Marktreaktion auf die Pressekonferenz nicht erklären. Denn Powell sendete keinerlei Signale, vom bisherigen Plan abzurücken.
Stattdessen waren die Aussagen recht eindeutig, dass die Notenbank immer noch die Notwendigkeit für weitere Leitzinsanhebungen sieht. „Auch wenn sich die Inflation zuletzt abgeschwächt hat, bleibt sie zu hoch“, sagte Powell. Und er warnte: „Je länger die derzeitige Phase hoher Inflation anhält, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Erwartungen einer höheren Inflation verfestigen“. Es gäbe daher mehr zu tun, fügte der Notenbankchef hinzu.
Baldigen Zinssenkungen erteilte er deswegen eine Absage. Die derzeitigen Aussichten ließen ein schwächeres Wachstum, einen leichten Anstieg der Arbeitslosigkeit und einen allmählichen Rückgang der Inflation erwarten, so Powell. Und: „Wenn sich die Wirtschaft im Großen und Ganzen im Einklang mit diesen Erwartungen entwickelt, wird es nicht angebracht sein, die Zinsen in diesem Jahr zu senken“. Zumal der disinflationäre Prozess noch in einer frühen Phase sei und der Arbeitsmarkt extrem angespannt bleibe. Und es brauche Zeit, bis die Geldpolitik wirke. Die Fed habe auch noch nicht entschieden, bei welchem Niveau sie ihren Zinserhöhungskurs beenden werde.
Letztere Aussage kann man allerdings auch bullish werten, also ein früheres Ende der Zinsanhebungen hineininterpretieren. Zudem gab es für die Märkte auch eindeutig Positives zu vernehmen. So sei Powell weiterhin der Ansicht, dass es einen Weg gebe, die Inflation wieder auf 2 % zu senken, ohne dass es zu einem erheblichen Konjunkturabschwung oder zu einem signifikanten Anstieg der Arbeitslosigkeit komme. Und sollte die Inflation schneller zurückgehen, werde dies in der Geldpolitik berücksichtigt.
Offensichtlich haben sich die Märkte an diesen Strohhalmen festgeklammert. Sie blenden derzeit alles Negative aus und konzentrieren sich voll und ganz auf das Positive. Das sind bereits wieder klare Anzeichen für eine Übertreibung.
Anders lässt es sich auch nicht erklären, dass der Nasdaq 100 inzwischen in nur 18 Handelstagen mehr als 19 % zugelegt hat.
Er konnte damit das Hoch vom 13. Dezember deutlich überwinden und somit die Kurserholung in Rekordtempo fortsetzen. Das ist ein klar bullishes Signal. Zudem hat er inzwischen mehr als 61,80 % der vorangegangenen Korrekturwelle aufgeholt (rotes Rechteck), so dass diese aus Sicht der Fibonacci-Marken (dicke graue Linien) als beendet gilt.
Auch das ist bullish zu werten.
Allerdings ist der Index nun natürlich massiv überkauft. Zwar kann man aufgrund der Übertreibung durchaus noch mit steigenden Kursen rechnen, nur darauf setzen würde ich nicht mehr. Stattdessen würde ich weiterhin an Gewinnmitnahmen denken, um verkaufte Positionen nach einem Rücksetzer zu günstigeren Kursen zurück ins Depot zu holen.
Sollte sich die Übertreibung fortsetzen, dann lasse auch ich die Märkte einfach gewähren, bis wieder Normalität eingekehrt ist. Denn in Übertreibungsphasen muss man nicht zwingend im Markt investiert sein, auch wenn man dadurch mögliche Gewinne liegen lässt.
Übrigens gab es auch von Seiten der Europäischen Zentralbank (EZB) eigentlich kaum Anlass für weiter steigende Aktienkurse. Denn die EZB hält ebenso wie die Fed an ihren bisherigen Plänen weiter steigender Leitzinsen fest. Aber da das so erwartet wurde, ließen auch diese geldpolitischen Beschlüsse den Markt offensichtlich kalt. Er setzte seine Kursentwicklungen fast ungestört fort. Dabei kam es nicht nur an den Aktienmärkten zu weiter steigenden Kursen, sondern auch im Bund-Future zu einem starken Anstieg (siehe grüne Ellipse im folgenden Chart).
Es scheint dadurch so, dass die Märkte den Notenbanken einfach weiterhin keinen Glauben schenken und sie stattdessen nach wie vor davon ausgehen, dass die Zinsanhebungen bald enden und es wenig später schon erste Zinssenkungen geben wird.
Und das, obwohl der EZB-Rat nicht nur die erwartete Anhebung der drei Leitzinssätze um jeweils 50 Basispunkte beschloss, sondern auch erneut ungewöhnlich klar formulierte, dass die bei der nächsten geldpolitischen Sitzung im März ein weiterer Schritt in diese Größenordnung erfolgen wird. Dass damit Hoffnungen auf ein langsameres Tempo bei der geldpolitischen Straffung zerstört wurden, juckte aber niemanden.
Passend dazu hatte ich aber bereits am 26. Januar geschrieben, dass man die anhaltende Stärke der Aktienmärkte womöglich nicht mit schwindenden Zinssorgen, sondern mit dem deutlich besser als erwarteten Konjunkturverlauf begründen muss. Und dieser ist aktuell offenbar vor allem in China zu beobachten, dank des Wegfalls der dortigen Corona-Maßnahmen (siehe Börse-Intern vom Dienstag).
Dass das EZB-Portfolio des Asset Purchase Programms (APP), wie im Dezember bereits angekündigt, von Anfang März bis Ende Juni 2023 monatlich im Durchschnitt um 15 Mrd. € verringert wird, war daher auch nur eine Randnotiz. Wenn der Herdentrieb an der Börse einmal geweckt ist, lässt er sich offensichtlich nur schwer bremsen. Genießen wir also die Party, solange sie noch läuft.
Ich werde jedenfalls bei Gelegenheit weitere Long-Positionen schließen und möglichst hohe Gewinne mitnehmen, um dann an der Seitenlinie auf neue Kaufgelegenheiten zu warten. Und bis dahin werde ich wohl auch den einen oder anderen schnellen Short-Trade wagen.
Ich wünsche Ihnen damit viel Erfolg an der Börse
Ihr
Sven Weisenhaus
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