Aktienmärkte: Die Chancen für eine Weihnachtsrally steigen, wenn…

Veröffentlicht am 03.11.2020, 10:55

von Wolfgang Müller

Die US-Wahl steht an – was aber wird das für die Aktienmärkte in Sachen Jahresendrally bedeuten? Sind die Risiken bereits eingepreist oder abgesichert?

Nun ist es so weit: die US-Wahl steht an – was aber wird das für die Aktienmärkte in Sachen Jahresendrally bedeuten? Ausgerechnet vor dem wichtigen US-Wahltag solche Gedanken anzustellen – Überlegungen für eine Jahresendrally? Gerade deshalb, weil sich viele große Sorgen um die nahe Zukunft machen. Bei einem Wahlausgang, der zu einer wochenlangen Zitterpartie führen kann, mit juristischem Nachspiel oder sogar großen Unruhen auf den amerikanischen Straßen. Außerdem macht Covid-19 auch nicht halt vor den USA und könnte Teile der Wirtschaft wieder ernsthaft beeinträchtigen. Aber ist eine Wall of Worry nicht Grundvoraussetzung für Kursanstiege? Richtig, nur dürfen die Sorgen nicht zur Realität werden.

Aktienmärkte: Der Vorwahltag, eine kleine Indikation

Am gestrigen Handelstag gab es zunächst einmal eine richtige Rally der Aktienmärkte. Verursacht am Morgen durch gute chinesische Wirtschaftsdaten und vor allem durch den Montagseffekt. Dieser entsteht aus meiner Sicht nicht durch Impfstoff- oder Stimulushoffnungen (die Kurse machen die Nachrichten), sondern durch die Erleichterung, dass sich am Wochenende nichts Gravierendes zugetragen hat. In den Zeiten von Corona oder auch von Trump-Tweets mit seinen unkalkulierbaren Aktionen gehen Investoren vor dem Wochenende ein wenig auf Nummer sicher, da man nicht reagieren kann. Wie an diesem Wochenende, wo man sich angesichts der Kursverluste (Charttechnik) schon verstärkt mit Put-Optionen eingedeckt hat. Und am Montag festgestellt hat, die Welt ist doch nicht untergegangen.

Jedenfalls dürfte eine kleine Short Squeeze für den Kursanstieg der Aktienmärkte gesorgt haben, dann um 15:45 Uhr unserer Zeit, kamen auch noch gute amerikanische Konjunkturdaten, dazu gleich mehr. Im Verlauf des Nachmittags an der Wall Street gab es zwar Gewinnmitnahmen, aber am Ende schloss der S&P 500 mit einem Plus von 1,23 Prozent (Dow +1,60%, Nasdaq +0,42%).

Was sind die Voraussetzungen für einen versöhnlichen Jahresausklang?

Zunächst einmal ein klarer Wahlausgang, ohne all die Widrigkeiten, über die mittlerweile jedes Wirtschaftsmedium geschrieben hat. Aber genau das ist schon einmal eine Voraussetzung, dass es nicht allzu schlimm kommen wird. 2016 kam Trumps Sieg völlig überraschend, 2020 kann die Wall Street dagegen mit beiden Kandidaten auf dem Präsidentenstuhl leben. Aber was wird ein knappes Ergebnis für mögliche Konsequenzen haben – welcher Investor hat diese Unsicherheit nicht in seine Strategie eingebaut? Selbst die Staatsfonds aus Norwegen, China, Abu Dhabi u.w. dürften dieses Risikomomentum registriert haben.

Deshalb dürfte selbst eine Hängepartie die Aktienmärkte nicht zu sehr in die Knie treiben – wenn selbst die Bank of America (NYSE:BAC) mit einem Kurseinbruch von 20 Prozent rechnet, sollte dieses Szenario Wirklichkeit werden. Aber wann hat eine Großbank einen solchen Einbruch richtig vorhergesagt und wenn, dann hätte man sich dafür abgesichert, mit der entsprechenden Gegenreaktion bei der Eindeckung der Puts. Kurzum, was die Märkte überrascht, ist das Unbekannte, „das auf dem falschen Fuß erwischt“ werden.

Wie ist die Stimmung bei Börsenschluss des gestrigen Tages zu bewerten?

Der Volatlititätsindex VIX an der US-Terminbörse ist um 2,3 Prozent auf 37 Punkte gesunken, blieb aber auf hohem Absicherungsniveau. Die Marktteilnehmer bleiben also besorgt hinsichtlich möglicher Verluste für die Aktienmärkte. Auch das deutsche Pendant, der VDAX-New, ist mit seinen 37 Punkten auch nur wenig von seinen hohen Ständen der Vorwoche zurückgekommen. Auch das Angstbarometer, der Fear & Greed-Index, ist weiter in Richtung extremer Angst unterwegs, von großer Zuversicht keine Spur.

Die Positivfaktoren

Es werden sowohl die Leitzinsen als die Kapitalmarktzinsen (noch) unten bleiben, weil die großen Notenbanken weiter Gas geben werden. Die EZB kauft weiter Anleihen (20 Milliarden Euro monatlich) am Markt und wird in Bälde ihr Notprogramm PEPP aufstocken – möglicherweise um gewaltige 500 Milliarden Euro.

Warum dagegen die FED in letzter Zeit so ruhig geblieben ist, hat einen historischen Grund: Wann hat die US-Notenbank bei den letzten Wahlen kurz vorher etwas an den Zinsen oder an der Strategie geändert? Ein ungeschriebenes Gesetz, welches zu Neutralität verpflichtet, bis die Wahlen vorbei sind. Bereits bei der Notenbanksitzung am 5. November könnte es neue Hinweise geben, weil die Federal Reserve nun schon X-mal bereits betont hat, dass sie die Wirtschaft so lange unterstützen wird, bis „Maximum Employment“ herrscht, also circa 4 Prozent Arbeitslosenrate (derzeit ist die Quote bekanntlich deutlich höher).

Der Stimulus muss kommen, unter wem und unter welchen Umständen auch immer. Über 10 Millionen Arbeitslose haben keine ausreichende finanzielle Unterstützung, 40 Prozent der Bevölkerung besitzen keine 400 Dollar als Reserve für Anschaffungen und ca. 50 Millionen Amerikaner sind Bezieher von Food Stamps (Lebensmittelmarken). Wenn sich Covid-19 nicht in Luft auflöst, was bleibt der Regierung dann anderes übrig als zu unterstützen, will man keine Unruhen im Lande riskieren?

Fondsmanager haben ihre Cash-Quote erhöht, in Erwartung von Kursrückgängen der Aktienmärkte, und die aktive Fondsbranche liegt so stark wie selten hinter der Benchmark zurück – die besten Voraussetzungen für ein Window Dressing zu Jahresende.

Auch die „Insider Transaction Ratio“, das Verhältnis von Verkäufen zu Käufen, berechnet von Thomson Reuters, ist auf unter 10 gefallen, einem Verhältnis, welches als bullish gewertet wird.

Die US-Berichtssaison läuft überraschend gut, im Schnitt mit 17 Prozent über den Erwartungen und trotz Corona wurden die 2021-er- Ausblicke nicht abgesenkt.

Rückhalt für die Anleger kommt auch von neuen Wirtschaftsdaten: Die US-Industrie ist mit dem höchsten Wachstumstempo seit fast zwei Jahren in das Herbst-Quartal gestartet. Der Einkaufsmanager-Index des Institute for Supply Management (ISM) legte von September auf Oktober von 55,4 auf 59,3 Punkte zu. Es ist der fünfte Anstieg in Folge und vor allem schossen die Neuaufträge nach oben – mit dem größten Anstieg seit 17 Jahren.
Dann wäre noch der für die Aktienmärkte sehr günstige saisonale Effekt zu Jahresende – aber das ist 2020 eher keine zuverlässige Größe.

Jetzt kann Präsident Trump sogar noch ein paar Pluspunkte für seine Regierungsarbeit aufzählen: Wurde denn letzten Donnerstag nicht ein Anstieg des Bruttoinlandsprodukts im dritten Quartal von 33,1 Prozent gemeldet (auf Quartalssicht 7,4 Prozent) und jetzt der gute ISM-Index? Ein bisschen spät, angesichts der Tatsache, dass bereits zwei Drittel der Wähler ihre Stimmen abgegeben haben.

Fazit

An den Märkten wird für einen Ein- oder Ausstieg nicht geläutet, so eine überaus zutreffende Bemerkung zum Geschehen der Aktienmärkte. Heute ist ein bedeutender Tag – was US-Wahlen eigentlich schon immer waren, aber 2020 mehr denn je. Aus gesellschaftspolitischer und wirtschaftlicher Sicht, könnte es zu einem Richtungswechsel kommen.

Trotzdem: Es kann viel passieren in nächster Zeit in punkto Wahlfolgen, in Sachen Impfstoffentwicklung und bei der Ausbreitung von Covid-19. Nicht vorhersehbar. Was aber absehbar ist die Wirtschafts- und Zinspolitik, die Versorgung der Märkte mit Liquidität. All das ist mit Sicherheit schon zu einem großen Teil eingepreist. Dennoch gibt es die großen „Unknown Unknows“, die zur Vorsicht, zur Zurückhaltung und zur Absicherung mahnen. Sollten die Negativszenarien nicht eintreten, bin ich recht überzeugt, dass sich bei einem Zinssatz der 10-jährigen US-Treasury von 0,85 Prozent und weiteren Anleihekäufen der Federal Reserve zum Jahresende „noch“ einmal eines durchsetzen wird – die Geldflut oder der monetäre Faktor für die Aktienmärkte. Selten stand die aktive Fondsbranche so unter Druck und noch nie gab es so hohe Zuflüsse in die passiven Anlageprodukte (ETFs). Ende 2019 waren es schon 6,2 Billionen Dollar, die in diese gebührenarme Anlageform geflossen sind, nach 4,7 Billionen Dollar ((2018), Tendenz stark steigend. Und der Druck auf die aktiven Fondsmanager wächst.

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