Der Euro eröffnet heute gegenüber dem USD bei 1,0512 (06:09 Uhr), nachdem der Tiefstkurs der letzten 24 Handelsstunden bei 1,0472 im US-Geschäft markiert wurde. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 130.64. In der Folge notiert EUR-JPY bei 136,37. EUR-CHF oszilliert bei 1,0213.
In den letzten 24 Handelsstunden dominierte unter Umständen zarte Zuversicht bei Aktienhändlern im Hinblick auf die Weltgeschehnisse mit der Folge leicht erhöhter Risikobereitschaft an den Märkten, die zu freundlicheren Entwicklungen am Aktienmarkt führten. Unter Umständen waren es aber einfach technische Korrekturen als Reaktion auf die schwächeren Vortage.
Der Devisenmarkt diskontierte das Geschehen anders als der Aktienmarkt. Der USD konnte gestern trotz Gegenwinds bei makroökonomischen Daten (siehe Datenpotpourri BIP) an Boden gewinnen. Gegenüber dem Euro wurde vom USD Höchstkurse seit Ende 2016 markiert. Offenbar dominiert die geopolitische als auch zinstechnische Lage die Kaufbereitschaft für den USD. Fakt ist, dass es keine Anzeichen einer Entspannung in der Ukraine-Krise gibt. Im Gegenteil weitet sich die Basis des Konflikts Stück für Stück aus. Transnistrien ist das nächste potenzielle Opfer.
London ermuntert die Ukraine zu Angriffen des russischen Staatsgebiets. Die USA rüsten die Ukraine in massivem Umfang auf. Moskau setzt seine Ziele weiter um. Die Ukraine kritisiert, dass der UN-Chef überhaupt mit Moskau redet und Bundeskanzler Scholz weilt in Japan und philosophiert über Demokratie (heute Welt-online). In der gegebenen geopolitischen Instabilität erfahren die Aktienmärkte zumindest eine bemerkenswerte Stabilität.
Der deutsche Arbeitgeberverband hat sich zu Wort gemeldet. Die von diesem Verband ausgehenden mahnenden Worte, sollten in Berlin, aber auch in Brüssel, sehr ernst genommen werden. Ich habe in den letzten Wochen in diversen Formaten dieses Thema aufgenommen. Wenn wir den Kapitalstock Deutschlands und der EU (Summe aller Unternehmen, die für alle Zahlungsströme für Staat und Haushalte sorgen!), also den "Lebensbaum" unserer Gesellschaft willentlich zerstören (auch Basis für Sozialstaat), können wir kaum noch dritten Ländern helfen, vielleicht nicht einmal uns selbst.
Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) warnte gestern vor drastischen Folgen eines russischen Erdgasgas Lieferstopps für die deutsche Wirtschaft.
O-Ton von Präsident Dulger: Bei einem Gas-Embargo, egal welche Seite es losträte, stünde dieses Land still. Eine solche Situation hätte katastrophale Auswirkungen für Unternehmer, Arbeitnehmer und nicht zuletzt den Staatshaushalt. Ein Gas-Stopp würde vor allem unsere chemische Industrie und die Grundstoffindustrie hart treffen. Dadurch wären direkt die Produktion von einem Großteil unserer Industrie-Produkte betroffen. Deswegen solle Deutschland so lange wie möglich ein Gas-Embargo verhindern.
In der Tat ist es so. Insbesondere ohne chemische Produkte, die in allen Produktionszweigen unverzichtbar sind, sind Unternehmen nicht mehr produktionsfähig. Das gilt auch für die Lebensmittelindustrie (Aspekt lebensnotwendige Grundbedürfnisse). Die Komplexität dieser Thematiknscheint im intellektuellen Diskurs ein wenig zu kurz zu kommen.
Als Fazit lässt sich ziehen, dass die existentiellen Risiken für den "Lebensbaum" (Kapitalstock, Summe aller Unternehmen) in Deutschland und in Europa in der Nachkriegsphase nie größer war als derzeit. Der Preis, der hinsichtlich der Ukraine-Krise im Raum steht, kann sich am Ende desaströs für die EU und dann in der Folge auch für die Ukraine (ausbleibende Subvention) auswirken.
Aus Berlin erreichten uns weitere Nachrichten. Der Stabilitätsrat zur Überprüfung der deutschen Staatsfinanzen rechnet wegen des Ukraine-Konflikts später mit einer Normalisierung. Laut Stabilitätsrat wird die Obergrenze für das strukturelle Staatsdefizit noch bis einschließlich 2025 überschritten und erst 2026 wieder eingehalten. Gemäß aktuellen Berechnungen solle das Defizit dieses Jahr bei 3,5% des BIP liegen. Danach würden die Defizite sukzessive kleiner ausfallen.
Man lässt verlauten, dass die öffentlichen Haushalte kurz- und mittelfristig vor immensen Herausforderungen stünden. Die neuen Belastungen seien kaum noch abzuschätzen. Gleichzeitig müsse man auch darauf achten, dass unser Staat handlungs und gestaltungsfähig bliebe.
Das sind recht viele, aber doch blumige Worte. Der Staatshaushalt braucht den "Lebensbaum", also die Unternehmen. Das ultimative Risiko, dass der Präsident der Arbeitgeberverbände Dulger aufnahm (siehe Absatz zuvor), ist vom Stabilitätsrat nicht ansatzweise adressiert. Das ist für einen Stabilitätsrat erstaunlich. Mehr gibt es nicht zu sagen!
Ja, es gibt aber auch positive Nachrichten, Ja, sie kommen weiter aus China.
Chinas Führung kündigte weitere Maßnahmen zur Stützung der Konjunktur an. Die Herausforderungen durch die Corona- und die Ukraine-Krisen nähmen zu. Darum würden nun weitere wirtschaftliche Anpassungen umgesetzt. China werde ein Maßnahmenpaket zur Unterstützung von Branchen und kleinen Firmen aufsetzen. Man werde eine gesunde Entwicklung des Immobilienmarktes fördern und ein stabiles Funktionieren der Kapitalmärkte gewährleisten. Zyklische Risiken würden eingedämmt und systemischen
Risiken würde vorgebeugt.
Ja, du glückliches China, die Versorgungssicherheit mit Rohstoffen ist gewährleistet, Discounts auf Rohstoffe sind in den Büchern (komparativer Vorteil für Investitionen), die Preisinflation ist auch deshalb unter 3%. Man kann Mindestreserven lockern und sogar über milde Zinssenkungen räsonieren, während die Wirtshaft trotz der rigiden Corona-Maßnahmen ein solides Wachstum im Laufe des Jahres aufweisen wird, um das der Westen China beneiden darf.
Wo liegt die Konjunktur-Zukunft? Erinnern sie sich an die Reports des letzten Jahres? Sie liegt im Osten.
Datenpotpourri der letzten 24 Handelsstunden
Eurozone: Noch starker Arbeitsmarkt (nachlaufender Indikator) - Inflation hoch
Deutschland: Die Verbraucherpreise nahmen laut vorläufiger Berechnung per April im Monatsvergleich um 0,8% (Prognose 0,6%) nach zuvor 2,5% zu. Im Jahresvergleich stellte sich ein Anstieg um 7,4% (Prognose 7,2%) nach zuvor 7,3% ein.
Frankreich: Die Zahl der Arbeitslosen (Class A) ging per März von zuvor 2.951.000 (revidiert von 2.967.300) auf 2.940.000 zurück und markierte den niedrigsten Stand seit Mai 2012.
Spanien: Die Arbeitslosenrate stellte sich per 1. Quartal 2022 auf 13,65% nach zuvor 13,33%. Damit oszilliert sie weiter auf den niedrigsten Niveaus seit 2008. Die Verbraucherpreise nahmen laut Erstschätzung per April um 8,3% (Prognose 9,0% nach zuvor 9,8% zu.
Italien: Der Geschäftsklimaindex des Verarbeitenden Gewerbes fiel per April geringfügig von zuvor 110,1 (revidiert von 110,3) auf 110,0 Zähler (Prognose 110,0). Der Index des Verbrauchervertrauens verlor von 100,8 auf 100,0 Punkte (Prognose 100,4).
In den Niederlanden nahmen die Einzelhandelsumsätze im Jahresvergleich um 9,8% nach zuvor 16,4% zu.
USA: BIP enttäuscht quantitativ, qualitativ weniger negativ
Gemäß vorläufigen Berechnungen sank das BIP (auf das Jahr hochgerechnete Fassung) im Quartalsvergleich um 1,4% (Prognose 1,0%) nach zuvor 6,9%. Hintergründe sind unter anderem hohe Handelsbilanzdefizite und der Lagersektor. Qualitativ waren die Daten (u. a. Konsum, Investition) besser als es das Gesamtergebnis des BIP impliziert. Die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe lagen in der Berichtswoche per 23. April bei 180.000 (Prognose 180.000) nach zuvor 185.000.
Der Kansas Fed Composite Index (regional) verlor per Berichtsmonat April von 37 auf 25 Punkte (Verarbeitendes Gewerbe von 46 auf 28 Zähler).
Südkorea
Die Industrieproduktion verzeichnete per März im Monatsvergleich eine Zunahme um 1,3% (Prognose -0,2% nach zuvor +0,3%. Im Jahresvergleich kam es zu 3,7% nach zuvor 6,3%.
Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den USD gegenüber dem EUR favorisiert. Ein Überschreiten des Widerstandsniveaus bei 1.0950 - 1.0980 neutralisiert den positiven Bias des USD.
Viel Erfolg!
© Folker Hellmeyer
Chefvolkswirt der Netfonds Gruppe
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