Der jüngste Bericht zu den Einzelhandelsumsätzen hat der Wall Street anscheinend Grund zur Freude gegeben. Schlagzeilen, die von einer Erholung der Verbraucherausgaben berichteten, ließen die Hoffnung auf eine "weiche Landung" wachsen und hat den Aktienmarkt beflügelt. Doch wie so oft steckt der Teufel im Detail.
Wenn wir die scheinbar optimistischen Daten genauer unter die Lupe nehmen, offenbart sich ein beunruhigenderes Szenario. Saisonale Anpassungen, Abwärtskorrekturen und steigende Verzugsquoten bei Kreditkarten und Autokrediten weisen den Weg zu einer vorsichtigeren Einschätzung. Der Verbraucher - das Rückgrat der US-Wirtschaft - steckt möglicherweise in größeren Schwierigkeiten, als es die Schlagzeilen vermuten lassen.
- Hinweis: Möchten Sie wissen, wie die erfolgreichsten Investoren ihre Portfolios gestalten? InvestingPro gibt Ihnen Zugang zu den Strategien und Portfolios von Top-Investoren. Zusätzlich erhalten Sie monatlich über 100 Aktienempfehlungen, die auf KI-gestützten Analysen basieren. Neugierig? Klicken Sie hier für mehr Informationen.
Irreführende Darstellung der Realität
Der Bericht über die Einzelhandelsumsätze im Juli zeigte einen starken Anstieg von 1,0 % im Vergleich zum Vormonat und übertraf damit die Erwartungen. Diese Zahl suggeriert zwar einen widerstandsfähigen Verbraucher, allerdings war dieser Ausschlag nach oben eher anormal.
Seit 2021 war bei den realen Einzelhandelsumsätze praktisch eine Stagnation zu beobachten. Das ist nicht überraschend, denn den Verbrauchern gehen jetzt die Ersparnisse aus, um ihren Lebensstandard aufrechtzuerhalten
Die folgende Abbildung der realen Einzelhandelsumsätze zeigt das Dilemma der Verbraucher recht deutlich. In den letzten zwei Jahren sind die Einzelhandelsumsätze nicht ausreichend gestiegen, um ein robusteres Wirtschaftswachstum zu unterstützen. Insbesondere das stagnierende reale Wachstum der Einzelhandelsumsätze war vor der Rezession ein Alarmsignal für ein schwächer werdendes Wirtschaftswachstum.
Angesichts des massiven Anstiegs der Ausgaben, der durch wiederholte staatliche Konjunkturprogramme ausgelöst wurde, hat die Rückkehr der Einzelhandelsumsätze zum langfristigen Trend jedoch länger gedauert als in früheren Perioden, was Ökonomen zu der Annahme veranlasst, dass "diesmal alles anders ist".
Doch bevor wir den Champagner kaltstellen, sollten wir uns ansehen, wie diese Zahlen berechnet werden. Die Daten zu den Einzelhandelsumsätzen sind notorisch schwankend. Faktoren wie Wetter, Feiertage und sogar einzelne Wochentage spielen eine wichtige Rolle.
Um diese Schwankungen zu glätten, werden die Daten saisonbereinigt. Die Grafik zeigt das Ausmaß dieser saisonalen Anpassungen seit 1992. Interessanterweise nimmt das Ausmaß dieser Anpassungen im Zeitverlauf zu.
Aber was passiert, wenn diese Anpassungen ein zu rosiges Bild zeichnen?
Revisionen nach unten: Tendenz steigend
Saisonale Anpassungen sind ein zweischneidiges Schwert. Sie sollen zwar einen klareren Blick auf die zugrunde liegenden Trends ermöglichen, können aber auch die Realität verzerren, vor allem in einer so dynamischen und unberechenbaren Wirtschaft wie der unseren.
Leider werden diese Anpassungen im Nachhinein oft revidiert, wenn mehr Daten zur Verfügung stehen. Ein Alarmsignal ist zum Beispiel, dass acht der letzten zwölf Monatsberichte deutlich nach unten revidiert wurden, was den jüngsten monatlichen "Überraschenden Anstieg" weit weniger beeindruckend macht.
Warum werden die Einzelhandelsumsätze so häufig nach unten korrigiert? Eine mögliche Erklärung ist, dass die ersten Schätzungen zu optimistisch sind, vielleicht aufgrund von saisonalen Anpassungen.
Sobald genauere Daten verfügbar sind, zeigt sich das wahre Bild, und es ist nicht so schön, wie viele glauben. Gibt es also möglicherweise eine bessere Methode?
Wie bereits erwähnt, sind die monatlichen Einzelhandelsumsätze aufgrund verschiedener Einflussfaktoren volatil. Weihnachten, Thanksgiving, Ostern, Sommerreisen, Schulanfang und das Wetter wirken sich alle auf die Verbraucherausgaben aus.
Daher kann eine "saisonale Anpassung" der Rohdaten notwendig werden, um diese Perioden höherer Volatilität zu glätten. Allerdings ist ein solches Verfahren mit erheblichen menschlichen Fehlern verbunden.
Die Verwendung eines vereinfachten 12-Monats-Durchschnitts der nicht saisonbereinigten Daten (Rohdaten) liefert eine glattere und zuverlässigere Analyse der Stärke des Konsumenten.
Historisch gesehen ist es ein Warnsignal für die Wirtschaft, wenn sich der 12-Monats-Durchschnitt der Rohdaten auf Jahresbasis 2 % nähert oder darunter fällt. Auch hier kehrt sich der massive Anstieg der COVID-bedingten Impulse in Richtung eines Niveaus um, das den Anlegern zu denken geben sollte.
Mit anderen Worten: Wenn wir die saisonalen Bereinigungen und ein Glättungsverfahren auf die volatilen Daten anwenden, wird das Thema der Stärke der Verbraucher immer schwieriger.
Eine weiteres Warnsignal ist die Erkenntnis, dass die Einzelhandelsumsätze mit dem Bevölkerungswachstum wachsen sollten. Betrachtet man die Einzelhandelsumsätze auf einer pro-Kopf-Basis, so stellt man fest, dass die Einzelhandelsumsätze vor 2010 auf Jahresbasis um 5 % gestiegen sind.
Das änderte sich jedoch nach der Finanzkrise, die Einzelhandelsumsätze fielen trotz steigender Bevölkerung deutlich unter den vorherigen Trend. Während sich diese Lücke nach den Covid-Konjunkturpaketen verbessert hat, weitet sie sich nun wieder aus.
Wie Sie sehen können, zeigen die Daten ein viel gedämpfteres Bild der Verbraucherausgaben, was eine entscheidende Frage aufwirft: Lassen wir uns von den Schlagzeilen in falscher Sicherheit wiegen? Die Realität ist wahrscheinlich ernüchternder.
Die Schuldenbombe: Steigende Verzugsraten
Das vielleicht alarmierendste Signal wird von den steigenden Verzugsraten bei Kreditkarten und Autokrediten ausgesendet. Angesichts der hohen Inflation und des stagnierenden Lohnwachstums haben sich die Verbraucher in hohem Maße auf Kredite verlassen, um ihre Kaufgewohnheiten aufrechtzuerhalten.
Die Spanne zwischen den Einzelhandelsumsätzen und den Verbraucherkrediten im Verhältnis zum verfügbaren persönlichen Einkommen nimmt zu, da die COVID-bedingten Impulse versiegen und die Inflation die Löhne übersteigt, so dass die Verbraucher gezwungen sind, Kredite in Anspruch zu nehmen.
Doch die Verschuldung der Verbraucher hat ihre Grenzen, bevor das Kartenhaus endgültig in sich zusammenfällt.
Den jüngsten Daten zufolge haben die Verzugsraten (mehr als 90 Tage) sowohl bei Autokrediten als auch bei Kreditkarten den höchsten Stand seit 2012 erreicht.
Das ist vor allem bei den jüngeren Generationen der Fall, die in der Regel über ein geringeres Einkommen und weniger Ersparnisse verfügen - hier steigen die Verzugsraten am schnellsten. (Charts mit Genehmigung von Mish Shedlock)
Diese steigenden Verzugsraten sind ein Warnsignal dafür, dass die Verbraucher Schwierigkeiten haben, ihren Verpflichtungen nachzukommen. Je mehr Verbraucher mit ihren Zahlungen in Verzug geraten, desto größer ist das Risiko einer allgemeinen Konjunkturflaute.
Immerhin machen die Verbraucherausgaben fast 70 % des amerikanischen BIP aus. Wenn es dem Verbraucher nicht gut geht, ist die gesamte Wirtschaft gefährdet.
Die Auswirkungen auf den zukünftigen Konsum
Angesichts dieser Warnsignale kann man sich nur schwer vorstellen, wie das derzeitige Niveau der Verbraucherausgaben aufrechterhalten werden kann. Steigende Verzugsraten, Abwärtskorrekturen bei den Einzelhandelsumsätzen und fragwürdige saisonale Anpassungen signalisieren, dass den Verbrauchern die Kaufkraft ausgeht.
In nächster Zeit könnten die Einzelhandelsumsätze weiterhin gut ausfallen, insbesondere wenn die Saisonbereinigung weiterhin für Rückenwind sorgt. Die zugrunde liegenden Daten sprechen jedoch eine andere Sprache.
Immer mehr Verbraucher erreichen ihre Verschuldungsgrenze und die Zahl der Zahlungsausfälle steigt weiter an - so ist im weiteren Verlauf des Jahres eine deutliche Verlangsamung der Ausgaben denkbar.
Eine solche Verlangsamung hätte weitreichende Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft. Die Einzelhändler könnten weitere Umsatzrückgänge verzeichnen, was Entlassungen und eine weiteren Abschwächung der Verbraucherausgaben auslösen könnte. Banken und Finanzinstitute könnten auch mit höheren Kreditausfällen konfrontiert werden, insbesondere in den Segmenten Kreditkarten und Autokredite.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der jüngste Bericht zu den Einzelhandelsumsätzen den Markt zwar kurzfristig beflügelt hat und auf eine weiche Landung der Wirtschaft hindeutet, die zugrunde liegenden Daten jedoch zur Vorsicht mahnen.
Saisonale Anpassungen und Abwärtskorrekturen verschleiern den tatsächlichen Zustand der Verbraucherausgaben, während steigende Verzugsraten ein eindeutiges Signal für bevorstehende Probleme sind.
Anleger und politische Entscheidungsträger täten gut daran, über den Tellerrand der Schlagzeilen hinauszublicken und sich auf die tatsächlichen Risiken der Wirtschaft einzustellen. Die Kraft der Verbraucher mag noch ein wenig anhalten, die Risse werden aber langsam sichtbar. Ein Ignorieren dieser Warnsignale könnte in den kommenden Monaten mit einem bösen Erwachen abgestraft werden.