Nach einem Jahr mit bemerkenswertem Wachstum ist der E-Commerce-Riese Amazon.com (NASDAQ:AMZN) nun in rauem Fahrwasser angelangt.
Die Aktie des Unternehmens rutschte am Freitag um fast 8% ab, ihr größte Einbruch seit mehr als einem Jahr, nachdem der Onlinehändler seinen Investoren mit dem Quartalsbericht am Donnerstag nach Handelsende eine Enttäuschung bereitet hatte.
Auf den ersten Blick waren die Q2-Ergebnisse nicht schlecht. Der in Seattle ansässige Tech-Gigant verzeichnete in dem am 30. Juni abgelaufenen Geschäftsjahr einen Umsatz von 113,1 Milliarden Dollar - ein Plus von 27%. Analysten hatten mit 115 Milliarden Dollar gerechnet. Der Gewinn belief sich auf 15,12 Dollar pro Aktie und übertraf damit die durchschnittliche Schätzung von 12,28 Dollar.
Die Anleger ignorierten auch die besser als erwartet ausgefallenen Gewinne und die starke Entwicklung des Werbegeschäfts sowie von Amazon Web Services, der Cloud-Einheit des Unternehmens. Der AWS-Umsatz stieg im Quartal um 37% auf 14,8 Milliarden Dollar – der größte Umsatzsprung im Jahresvergleich seit zwei Jahren. Die Umsatzkategorie "Sonstige" des Unternehmens, hauptsächlich Anzeigeneinnahmen, wuchs um 87% auf 7,92 Milliarden Dollar. Beide Geschäftsbereiche übertrafen die Analystenschätzungen.
Aber über diese fantastischen Zahlen hinaus hatte Amazon nicht viel zu bieten, um seine wachstumshungrigen Investoren zu befriedigen, die sich Sorgen machen, dass der bemerkenswerte Lauf des Online-Händlers während der Pandemie vielleicht bereits der Vergangenheit angehört.
Der Fokus der Aktionäre liegt auf dem Onlinehandel, dem Kerngeschäft des Unternehmens, das sich tatsächlich verlangsamt, zumal Gründer Jeff Bezos die Führungsrolle an einen langjährigen Weggefährten, Brian Olsavsky, übergeben hat. Auf einer Telefonkonferenz nahm der neue CEO bezüglich der Situation kein Blatt vor den Mund und sagte den Analysten, dass die Umsatzverlangsamung bis zum Ende des Jahres anhalten werde.
"Die Leute gehen mehr raus und machen auch andere Sachen als Einkaufen", sagte Olsavsky in einer Konferenz mit Reportern und bezog sich auf die Wiedereröffnung der Wirtschaft nach mehr als einem Jahr der Beschränkungen, die ein günstiges Umfeld für das Online-Shopping geschaffen hatte.
Analysten bleiben optimistisch in Bezug auf die Amazon-Aktie
Der Umsatz wird im Zeitraum bis September 106 bis 112 Milliarden Dollar betragen, sagte Amazon. Der Betriebsgewinn soll zwischen 2,5 und 6 Milliarden Dollar liegen. Analysten prognostizieren im Durchschnitt 8,11 Milliarden Dollar Gewinn bei einem Umsatz von 118,7 Milliarden Dollar, wie von Bloomberg zusammengestellte Daten zeigen.
Trotz des Rückschlags beim Umsatz bleibt die Mehrheit der Wall Street-Analysten hinsichtlich der langfristigen Aussichten des Unternehmens und seiner führenden Position im E-Commerce optimistisch. Obwohl einige ihre Kursziele für die Aktie wegen des langsameren Umsatzwachstums angepasst haben, glauben viele, dass jede anhaltende Kursschwäche eine Kaufgelegenheit bietet.
Telsey Advisory Group stuft die Amazon-Aktie mit "Outperform" und einem Kursziel von 4.000 Dollar ein. Den Analysten zufolge wird das Unternehmen in der Zeit nach der Pandemie weiter an Wert gewinnen:
"Wir glauben, dass die Amazon-Aktie angesichts der schwachen Ergebnisse für Q2'21 und eines gesenkten Ausblicks für Q3'21 wahrscheinlich fallen wird. Dennoch sind wir der Meinung, dass Amazon auf einem hohen Niveau operiert und weiterhin Marktanteile gewinnen sollte, weil es seinen etablierten Kundenstamm, die Beziehungen zu kleinen Unternehmen und die Konsolidierung im Einzelhandel nutzt. Der Fokus auf neuere Geschäftsbereiche und Initiativen - Lebensmittel, Apotheken, Mode, Heimtextilien, Eigenmarken, Drittanbieter, Same-Day/One-Day-Delivery und Amazon Logistics - macht Amazon noch wertvoller."
Stifel Nicolaus, das ebenfalls ein Kaufrating für die Aktie mit einem Kursziel von 4.400 Dollar stehen hat, schrieb:
"Wir haben jetzt einen besseren Einblick in das zweite Halbjahr und die Schätzungen werden angepasst, um die neue Normalität besser zu reflektieren, als wir die Pandemie hinter uns lassen... Wir würden bei einem Kursrückgang nach dem jüngsten Bericht zukaufen."
Von 49 Analysten, die von Investing.com befragt wurden, stufen 48 die AMZN-Aktie mit "Buy" ein.
Chart: Investing.com
Das durchschnittliche 12-Monats-Kursziel der Befragten lag bei 4.169 USD, was einem Plus von 25% entspricht.
Fazit zur Amazon-Aktie
Die Aktien von Amazon könnten nach den schwachen Q3-Prognosen für seinen Kernumsatz im E-Commerce nach dem lebhaften Geschäft während der Pandemie einen weiteren Rückgang erleben.
Diese Kursschwäche bietet jedoch eine Einstiegsgelegenheit für Investoren, die an der Seitenlinie sitzen, angesichts der schnell wachsenden Einnahmen des Unternehmens aus seinen Cloud- und Anzeigengeschäften sowie seiner weiterhin dominanten Position im E-Commerce.
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