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Anleihemarkt – wie Phönix aus der Asche?

Veröffentlicht am 16.08.2022, 09:29
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  • Die meisten DM-Anleihenmärkte haben erhebliche Zinserhöhungen bereits eingepreist
  • Bank of Japan sieht Inflationsentwicklung als Chance
  • Chinesischer Rentenmarkt stemmt sich gegen Bärenmarkttrend
  • Der Anleihemarkt ist sprichwörtlich in Flammen aufgegangen, nachdem sich ein Jahrzehnt sinkender Renditen innerhalb weniger Wochen umkehrte. Die Ausgangslage mit niedrigen Renditen, engen Spreads und hohen Aktienmultiplikatoren führte durch die veränderten Fundamentaldaten – insbesondere die hohe Inflation – zu einer umfassenden Neubewertung der Märkte. Das Ergebnis: Die Renditen für Anleihen und Aktien waren im ersten Halbjahr so schlecht wie seit den 1970er Jahren nicht mehr, als Inflation und Unsicherheit ähnlich hoch waren. Die Mythologie rund um den „Phönix“ deutet auf eine Renaissance des Anleihemarktes hin, was jedoch noch verfrüht wäre.

    Auch wenn man die Zinsentwicklung des ersten Halbjahres als extrem rückläufig zusammenfassen könnte, würde dies zwei wichtige Aspekte außer Acht lassen. Erstens muss die Ursache dieser Entwicklung noch einmal verdeutlicht werden. Für viele DM-Volkswirtschaften sind die hohen Wachstumsraten, die in diesem Jahr erreicht werden sollten, und die rasant ansteigende Inflation nicht nur hoch – sie übertreffen alles, was in den letzten 30 Jahren zu beobachten war, um Längen. Zudem lösten das starke Beschäftigungswachstum und die hohe Inflation im ersten Quartal eine umfassende Neubewertung der Marktniveaus aus, die sich bis Mai fortsetzte.

    Der zweite wichtige Punkt ist das hohe Maß an Volatilität: Nicht nur die Nettobewegungen des Quartals waren beachtlich, sie waren es umso mehr angesichts der bemerkenswerten Umkehr von steigenden und fallenden Zinsen während der letzten Quartalswochen. Je nach Markt und Kurvenpunkt stiegen und fielen die Zinssätze um 50 bis 100 Basispunkte, als die zukunftsgerichteten Wachstumsindikatoren schließlich abflauten und der PCE-Kernindex, der bevorzugte Inflationsindikator der Fed, auf einem schockierend niedrigen Niveau notierte. Darüber hinaus änderte sich die Haltung der Fed gegenüber den finanziellen Bedingungen.

    Der rasche Umschwung könnte auch darauf hindeuten, dass der Zinsmarkt ein Plateau erreicht haben könnte. Zudem haben die meisten DM-Anleihemärkte erhebliche Zinserhöhungen bereits eingepreist. Im Großen und Ganzen wäre dies ein geeigneter Punkt, an dem sich die Renditen in einer bestimmten Spanne bewegen und darauf warten, dass entweder die Zentralbanken mit der Kurve gleichziehen oder dass es zwingende Anzeichen für eine Änderung der Aussichten gibt, die neue Zinssätze erforderlich machen würden.

    Ausnahme 1: Die Bank of Japan hält durch 

    Wenngleich in den Industrieländern und in den Schwellenländern ähnliche Pfade steigender Marktzinsen als Reaktion auf die erhöhte Inflation und die Straffung durch die Zentralbank die Regel waren, gab es doch zwei wichtige Ausnahmen. Erstens sieht die Bank of Japan (BoJ) die hohen Wachstums- und Inflationsraten des aktuellen Zyklus‘ in Japan als Chance, die tatsächliche Inflation und die Inflationserwartungen ein für alle Mal näher an ihren Zielwert heranzuführen. In diesem Bestreben hat sie einen unglaublichen Kampf gegen die weltweit steigenden Zinssätze geführt, um ihre Handelsspanne von +/- 25 Basispunkten für die 10-jährigen japanischen Staatsanleihen (JGB) aufrechtzuerhalten, die sich de facto zu einer Verteidigung einer Renditeobergrenze von 25 Basispunkten entwickelte. Zu den ständigen Vorstößen in diesem Ringen gehörten nicht nur unbegrenzte Angebote zum Kauf 10-jähriger JGB zu 25 Basispunkten, sondern auch Ad-hoc-Käufe an allen Punkten der Renditekurve, die nicht mit einer 25-Bp-Rendite für 10-jährige Anleihen vereinbar sind. Da sich der Renditeabstand zwischen Japan und anderen Märkten vergrößerte, rutschte der Yen ab. Auch wenn die Umstände ein anderes Ergebnis diktieren könnten, dürfte die BoJ diesen Weg bis zum Ende der Amtszeit von Zentralbankchef Haruhiko Kuroda fortsetzen. Danach könnte der kurzfristige Zinssatz leicht aus dem negativen Bereich geführt werden und die Spanne für die Zehnjahresrendite auf ein höheres, aber immer noch zweistelliges Basispunktniveau angepasst werden. 

    Ausnahme 2: China sorgt für Diversifizierung 

    Chinas Bemühungen, das Phänomen des „Moral Hazard“, Ungleichheit und Covid-19 in den Griff zu bekommen, haben dazu geführt, dass das Land unter anderem seine Tech-Champions und Immobilienentwickler zusammenstutzte und Städte abriegelte. Chinas wirtschaftliche Größe und sein spezielles, von Marktkräften und Befehls- und Kontrollmechanismen geprägtes System hat der weltweiten Anlegerszene etwas Seltenes beschert: eine mögliche Quelle der Diversifizierung. Chinesische Aktien sind von globalen Trends abgewichen während chinesische Anleihen sich in den letzten anderthalb Jahren mehr oder weniger gegen den weltweiten Bärenmarkttrend wehren konnten. In einer Welt, in der hohe Korrelationen zwischen den Anleihe- und Aktienmärkten die Norm sind, könnte China tatsächlich eine einzigartige Wirtschaft mit einer speziellen Politik und Größe sein, die zu Geschäfts- und Marktzyklen führt, die nicht vollständig mit dem Rest der Welt korrelieren. Langfristig dürfte dies länderübergreifende relative Wertsteigerungsmöglichkeiten schaffen und gleichzeitig die Gesamtmarktvolatilität dämpfen, sofern die chinesischen Märkte weiterhin schnell wachsen und die länderübergreifende Korrelation niedrig bleibt.

    Wird es eine Renaissance der Anleihen geben? 

    Nachdem die Renditen mehrerer Jahre ausradiert wurden, die realen Renditen nach wie vor extrem niedrig sind und die Kreditmärkte von einer harten Landung bedroht sind, braucht es nicht viel, um ein wenig Verzweiflung über den Zustand des Anleihemarktes zu wecken. Freilich ist nicht abzusehen, wann die derzeitige Phase vorbei sein dürfte. Auf mittel- bis längerfristige Sicht könnte Hoffnungslosigkeit jedoch die falsche Reaktion sein. Ist es möglich, dass sich der derzeitige Ausverkauf bei den Zinssätzen und Spreads als positiv erweisen könnte, als eine Art „Mini-Reset“ der 1980er Jahre? So unwahrscheinlich das derzeit auch erscheinen mag, Tatsache ist, dass die übergreifenden Trends der demografischen Alterung, der hohen Schuldenlast und anderer Faktoren, die jahrzehntelang die Gleichgewichtszinsen nach unten drückten, eher in den Winterschlaf fallen als sich umzukehren. Und wenn sie ein Comeback feiern sollten, nachdem der Enthusiasmus für die Wiedereröffnung und die Lieferkettenproblematik vorüber sind, wird die Inflation wahrscheinlich wieder auf – oder vielleicht sogar unter – den Zielwerten liegen, während Anleihen auf dem besten Weg zu einer längeren Periode solider Erträge wären. Doch bevor es zu diesem Happy End kommen kann, müssen wir erst einmal das Ende der russischen Gas-Saga und den Großteil der Zinserhöhungen der DM-Zentralbanken hinter uns bringen. Der beste Ansatz für die Zwischenzeit wird sein, sich auf die Mikro-Alpha-Chancen innerhalb und zwischen den Sektoren zu konzentrieren.

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