ROUNDUP/Aktien New York Schluss: Moderate Gewinne nach kurzem Powell-Schrecken
Tim Cook hat ausgedient. Der CEO von Apple (NASDAQ:AAPL) hat in zwei Jahren den gesamten technologischen Vorsprung des Unternehmens verspielt. Indem man auf die falschen Pferde setzte und dort, wo man richtig lag, nur im Schneckentempo vorankommt. Die Konkurrenz zieht derweil gnadenlos an Apple vorbei.
Steve Jobs hatte Tim Cook ausgewählt, weil er ein exzellenter „Operations Guy“ ist. Wenn ein Produkt im Ausland in optimaler Qualität und in hohen Volumina produziert werden soll, gab es keinen besseren als Cook, um diesen Job zu erledigen. Im Hinblick auf die Produktentwicklung, das Design und das Charisma bei der Präsentation hatte Cook jedoch nie etwas zu bieten. Im festen Bewusstsein, dass er eine ausgezeichnete Mannschaft bei Apple zusammengestellt hatte, sorgte Jobs dafür, dass Cook den Konzern in Zukunft leiten wird. Und er hat das Erbe Jobs sehr erfolgreich verwaltet.
Die Pipeline der Innovationen wurde jedoch nach Jobs Tod zu einem Rinnsal. Apple TV hatte einen großartigen Start und blieb dann hängen, nur um von der Konkurrenz überholt zu werden. Heute dominieren Netflix (NASDAQ:NFLX) und Disney (NYSE:DIS) das Streaminggeschäft. Apple hat immer noch ausgezeichneten Content, den sich jedoch kaum jemand ansieht.
Das Apple Car erblickte nie das Licht der Welt, sondern wurde nach einem Jahrzehnt und Milliardeninvestitionen ohne eine offizielle Erwähnung noch im Labor verschrottet. Xiaomi (HK:1810) setzt jetzt das um, was sich Apple immer vorgenommen hatte, und feiert damit riesige Erfolge.
Apples Innovationspipeline ist staubtrocken
Im Bereich Machine Learning war Apple mit seinen proprietären Chips immer führend. Und Machine Learning ist eine der wichtigen Komponenten, um im AI-Geschäft erfolgreich zu werden. Doch auch hier ließ man das große Potenzial liegen und machte nie ein Geschäftsmodell daraus. Der Erfolg von ChatGPT kam für Apple völlig überraschend und man hat sich bis heute nicht davon erholt, dass man diesen Bereich vernachlässigt hatte.
Auch Meta (NASDAQ:META), Microsoft (NASDAQ:MSFT) und Google (NASDAQ:GOOGL) hatten nichts Vergleichbares zu bieten, als OpenAI mit seinem ChatBot um die Ecke kam. Doch alle haben schnell reagiert und ihre eigenen Entwicklungen zur Marktreife vorangetrieben. Und Apple? Seit November 2022 hat man es nicht geschafft, ein eigenes Modell auf den Markt zu bringen, während die Konkurrenz quasi im Wochentakt Fortschritte und Innovationen präsentiert. Ein Mini-Unternehmen wie DeepSeek schafft es sogar aus dem Stand heraus an die Spitze.
Was sind die letzten Innovationen von Apple? Die Apple Watch ist ohne Zweifel ein Blockbuster und macht der klassischen Uhrenindustrie große Probleme, weil sie im Volumengeschäft viele Marktanteile gewonnen hat. Aber am Ende des Tages ist die Apple Watch auch nur ein Accessoire. Ohne ein iPhone oder einen Mac ist die Uhr sehr eingeschränkt zu nutzen.
Apple Watch und Vision Pro reichen nicht aus
Die Apple Vision Pro ist ein Meisterwerk, das jedoch keiner benutzt. Es erinnert ein wenig an den Power Mac G4 Cube, der im Hinblick auf das Design ein Meisterwerk war, aber beim Preis- / Leistungsverhältnis am Zielpublikum vorbeischoss. Bei der Vision Pro zeigt Apple, was im Bereich der Headsets technisch möglich ist, aber die Verkaufszahlen sind so gering, dass sie nicht einmal ausgewiesen werden. Das wiederum hält die Softwareentwickler davon ab, Killer-Apps für das Gerät zu schreiben, womit es bei den Käufern die meiste Zeit im Regal verstaubt. Apple ist sich dessen auch bewusst und investiert nicht mehr in das Gerät. Auf der jüngsten WWDC ist die wichtigste Neuerung für die Vision Pro, dass man nun Widgets virtuell im Raum platzieren kann. So eine Funktion sollte eigentlich nur eine Fußnote sein.
Im Hinblick auf AI bietet Apple nichts, was von Interesse ist. Der Funktionsumfang ist selbst ein Jahr nach den ersten Ankündigungen im Juni 2024 – die schon mindestens ein Jahr zu spät kamen – noch immer nicht vollständig integriert. Auf der jährlichen Entwicklerkonferenz kam das Thema daher nur am Rande vor, denn man hatte nichts zu bieten.
Woran liegt es, dass Google, Meta und Microsoft so viel agiler und besser als Apple geworden sind? An den Ressourcen liegt es nicht. Apple hat mehr als ausreichend Kapital, um jede Form der Entwicklung voranzutreiben. Im Hinblick auf das Recruiting hat Apple sicherlich zu kämpfen, denn die besten Köpfe gehen in dieser Sturm- und Drangphase zu den Marktführern. Nichtsdestotrotz sind die abgelieferten schwachen Leistungen bei Apple nur mit einem Verfall der Leistungskultur innerhalb des Unternehmens zu erklären, was nur möglich ist, wenn das Management es entsprechend vorlebt.
Apple hat seinen Hunger verloren
Der Erfolg hat Apple satt gemacht. Auch die Erfahrung, dass man den Kunden Jahr für Jahr das gleiche Produkt fortsetzen kann und es trotzdem gekauft wurde, führt am Ende dazu, dass man sich nicht mehr anstrengt. Denn man verdient sein Geld auch ohne in den Wettbewerb um die Gunst der Kunden zu gehen.
Die Börse schaut zu, aber Begeisterung sieht anders aus. Da Apple weiterhin seine Zahlen abliefert, ist dagegen auch nichts einzuwenden, aber am Ende muss das Unternehmen seine Wachstumsstory beleben, um die Marktkapitalisierung von 3 Billionen US-Dollar zu rechtfertigen. Aktuell bewegen sich die Erwartungen für das jährliche Umsatzwachstum bei 4 % bis 6 % p. a. Wir reden dann immer noch über ein Kurs- / Umsatz-Verhältnis von 7, was zu hoch ist, wenn das Unternehmen weiterhin nur im mittleren einstelligen Prozentbereich wächst. Ohne Zweifel ist Apple hochprofitabel, was die hohe Bewertung wieder etwas richtet mit einem erwarteten KGV von 25,5 bis 28.
Was die Bewertung wieder erheblich ausweiten kann, ist eine neue Unternehmensführung, die hungrig ist. Noch ist die Gerüchteküche ruhig, aber es ist inzwischen offensichtlich geworden, dass Tim Cook nicht mehr der beste CEO für Apple ist. Es wäre klug, wenn die Führungsspitze gegen einen neuen, dynamischen und erfolgsfokussierten CEO ausgetauscht wird, bevor einer der aufstrebenden AI-Konkurrenten nicht nur im Softwarebereich Apple gegen die Wand spielt, sondern auch im Hardwarebereich, was die Cashcow für das Unternehmen ist. Die Zusammenarbeit von Sam Altman mit Sir Jony Ive und die Ankündigung, dass man gemeinsam schon im kommenden Jahr eine Hardware auf den Markt bringen will, die auf AI zugeschnitten ist, statt andersherum, ist ein lautes und schrilles Wecksignal für Apple und die Börse.
Ein Artikel von
Mikey Fritz
Chefredakteur Zürcher Finanzbrief (https://www.zuercher-boersenbriefe.ch)