Obwohl diverse Wirtschaftsdaten in Gestalt von Frühindikatoren die Aussichten für die Wirtschaft weiter eingetrübt haben, konnten die Aktienmärkte ihre Erholungsbewegungen fortsetzen. Der DAX folgte dabei unserem Elliott-Wellen-Szenario.
Kurse laufen der Wirtschaft sechs bis neun Monate voraus
Vor einer Woche hatten wir genau auf diese Möglichkeit hingewiesen, dass der DAX sein Tief bereits gesehen hat, obwohl wir noch eine Weile schwächere Konjunkturdaten erwarten. Denn die Börsenkurse laufen der realen Wirtschaft sechs bis neun Monate voraus (siehe „Ende der Korrektur trotz wirtschaftlichen Abschwungs?“).
Zu Beginn der Handelswoche wurde der Aktienmarkt zunächst von zwei Faktoren bewegt, wobei einer die Kurse belastete und der zweite zu einer deutlichen Kurserholung führte:
Zunächst erlitt der deutsche Leitindex DAX einen Schwächeanfall und sackte vom Schlusskurs der Vorwoche bei 9.513 auf im Tief 9.332 Punkte um 1,9 Prozent ab. Medienberichten zufolge war der Grund für die Kursschwäche, dass beim G20-Treffen kein globales Konjunkturpaket verabschiedet wurde, worauf jedoch im Vorfeld angeblich einige Investoren gesetzt hatten.
DAX schließt Kurslücke und testet Unterstützung
Ich sehe dagegen charttechnische Gründe für die anfängliche Kursschwäche: So kommt es nicht selten vor, dass Kurslücken im weiteren Handelsverlauf geschlossen werden. Im DAX wurde mit dem Rücksetzer eine Eröffnungslücke vom 26. Februar (siehe blauer Pfeil) vollständig geschlossen. Zudem wurde der wichtige Bereich bei rund 9.300 Punkten (grüne Linie) noch einmal von oben erfolgreich getestet (grüner Pfeil), womit die Basis für den anschließenden Ausbruch über den Widerstand bei 9.581,45 Punkten (rote Linie) gelegt wurde.
Rutscht die Eurozone in die Deflation
Nachdem der DAX die Lücke geschlossen und die Auffangzone knapp oberhalb von 9.300 Punkten erreicht hatte, führte der oben genannte zweite Faktor zu einer deutlichen Kurserholung. Denn es wurde bekanntgegeben, dass die Inflationsdaten im Euroraum im Februar unter den Erwartungen lagen. Wie die Statistikbehörde Eurostat in einer ersten Schätzung mitteilte, fielen die Verbraucherpreise mit minus 0,2 Prozent zum Vorjahresmonat nach vier Monaten wieder in den negativen Bereich zurück. Ökonomen hatten mit stagnierenden Preisen gerechnet, nachdem die Teuerung im Januar noch bei +0,3 Prozent lag.
(Quelle: Eurostat)
März-Sitzung der EZB rückt in den Fokus der Anleger
Daraufhin drehte die Stimmung und der DAX konnte die anfänglichen Verluste bereits am Montag fast vollständig aufholen. Das Argument der Bullen: Die niedrigen Inflationsraten wird die Europäische Zentralbank (EZB) dazu veranlassen, noch mehr Liquidität in den Markt zu pumpen, um die Inflationsrate stärker anzutreiben. Bereits jetzt wird von vielen Marktteilnehmern unterstellt, dass der EZB-Rat auf der nächsten Sitzung am kommenden Donnerstag, den 10. März, den Einlagensatz um mindestens um 10 Basispunkte senken wird. Und diese Erwartung an eine höhere Liquidität beflügelte die Märkte. Die Kurse dürften bis zu diesem Termin also von Daten, die neue geldpolitische Maßnahmen der EZB begründen, gestützt oder sogar weiter nach oben getrieben werden. – Das sollten Sie bei Ihrem Trading beachten.
Zumal beim näheren Blick auf die Inflationsdaten neue EZB-Maßnahmen durchaus wahrscheinlich erscheinen. Denn zwar sorgte insbesondere der Ölpreisverfall dafür, dass die Lebenshaltungskosten im Februar gesunken sind – Energie verbilligte sich im Februar binnen Jahresfrist um satte 8,0 Prozent (siehe folgende Grafik), nachdem bereits im Januar der Rückgang 5,4 Prozent betragen hatte – doch auch die sogenannte Kernrate, die besonders volatile Preise ausklammert, gab nach. So sank die Inflation ohne Energie, Nahrungsmittel, Alkohol und Tabak im Februar von 1,0 auf 0,7 Prozent.
(Quelle: Eurostat)
Chinesische Notenbank kämpft gegen Wirtschaftsschwäche
Während die Anleger noch bis Donnerstag auf neue EZB-Maßnahmen warten müssen, hat die chinesische Notenbank am Montag bereits geliefert. Sie senkte die Anforderungen an die Höhe der Mindestreserven der chinesischen Geschäftsbanken um 50 Basispunkte. Auch hier galt: Liquidität treibt Kurse. Weil diese Meldung zeitgleich zu den europäischen Inflationszahlen am Montag um 11:00 Uhr kam, verlieh dies den Bullen zusätzlichen Schwung.
Der Grund für die Aktion der chinesischen Notenbank wurde dann am Dienstag deutlich: Der vom staatlichen Handelsverband CFLP ermittelte Einkaufsmanagerindex fiel um 0,4 Zähler auf 49 Punkte und der private Caixin/Markit-Einkaufsmanagerindex ging von 48,4 auf 48,0 Punkte zurück. Beide Indikatoren entfernten sich damit weiter von der kritischen Marke von 50 Zählern, die auf Wachstum hindeutet.
Auch der Einkaufsmanagerindex für das Dienstleistungsgewerbe ist gefallen, von 53,5 im Januar auf nun 52,7 Punkte. Dieser Index liegt damit zwar noch deutlich über der Wachstumsschwelle von 50 Punkten, es ist jedoch der niedrigste Wert seit gut sieben Jahren.
Aussicht auf mehr Liquidität rettete die Aktienmärkte
Wenn man sich neben dem DAX-Chart oben den folgenden Chart des Shanghai Composite Index ansieht, fällt auf, dass nicht nur der DAX an einer wichtigen Unterstützung nach oben drehte, sondern auch der chinesische Leitindex eine markante Marke zunächst verteidigen konnte:
Im Tagestief hatte der Kurs nämlich punktgenau auf den bisherigen Jahrestiefs vom Januar aufgesetzt (rote Linie bei 2.638 Punkten) und konnte sich dann wieder ein nach oben absetzen.
Fazit: Märkte weiter abhängig von Konjunktur- und Finanzspritzen
Glaubt man den Medien, dann gaben die Kurse zu Wochenbeginn nach, weil die G20-Staaten kein globales Konjunkturpaket verabschiedeten. Weil aber die chinesische Notenbank ihre Mindestreserveanforderung um 50 Basispunkte senkte und die Inflationsdaten vom Euroraum weitere EZB-Maßnahmen wahrscheinlich machen, stiegen die Kurse wieder an. Wichtige Unterstützungen konnten dadurch soeben noch verteidigt werden. Mit anderen Worten: Die Anleger sind nach wie vor stark abhängig von Konjunktur- und Finanzspritzen.
(Quelle: Geldanlage-Brief vom 06.03.2016)
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Sven Weisenhaus