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Börse: Die Schwergewichte machen den Trend

Veröffentlicht am 23.07.2024, 17:59
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Die Berichtssaison überflutet uns wie alle drei Monate mit Tausenden von Geschäftsberichten. Die Kunst liegt darin, die wichtigsten zu analysieren, zu bewerten und dann darauf zu reagieren. Den Rest betrachtet man, wenn die Zeit dafür gekommen ist, denn niemand kann das Gesamtbild in Echtzeit verfolgen.

Doch wie setzt man als Privatanleger seine Prioritäten richtig? Die höchste Priorität haben immer die eigenen Unternehmen im Depot. Der Peer-Vergleich ist zwar immer wichtig, denn man will keine neuen Chancen verpassen, aber das Brot-und-Butter Geschäft ist und bleibt die Chancen und Risiken des Bestandes richtig einzuschätzen. Insofern stehen die eigenen Aktien ganz auf der Prio-Liste.

Die zweithöchste Priorität haben die Aktien, die den Gesamtmarkt bewegen können. Denn an der Börse ist es am effektivsten, mit dem Strom zu schwimmen. Daher ist der Top-Down Ansatz bei den Analysten auch so beliebt. Man sucht sich als erstes eine Volkswirtschaft, die stark ist. Dort wählt man die stärksten Branchen aus und darin wieder die Marktführer. Denn man verdient sein Geld sehr viel leichter und risikoärmer, wenn die Flut alles steigen lässt und man beständig Rückenwind genießt.

Die geringste Priorität haben die Stock-Picks. Sie sind sozusagen das Salz in der Suppe und können ausgesprochen attraktiv sein. Dabei handelt es sich um Aktien von Unternehmen, die aus sich heraus so stark und attraktiv sind, dass sie eine Einzelstory entwickeln, die sich unabhängig von allen Trends macht. Oder sogar neue Trends schafft. Die Kursgewinne können hier überdurchschnittlich hoch sein, was aber auch einem erhöhten Risiko gegenübersteht, dass man die Lage falsch einschätzt oder sich niemand für die Equity-Story interessiert.

Prioritäten richtig setzen

Die marktbewegenden Aktien dominieren in der aktuellen Rallye. Selten ist eine Rallye am Aktienmarkt so einseitig gewesen wie in den vergangenen neun Monaten. Zum einen läuft im Kern nur die amerikanische Volkswirtschaft. Dafür aber so stark, dass der amerikanische Aktienmarkt die meisten anderen (verbundenen) Aktienmärkte mitzieht. Die Rallye in Frankfurt beispielsweise wäre ohne die Zugkraft der Wall Street nicht da, wo sie heute steht.

Analysiert man die amerikanischen Benchmarks, so wird das Klumpenrisiko sofort offensichtlich. Im Kern dominiert ein halbes Dutzend Aktien den gesamten Trend. Wir reden hier über Alphabet (NASDAQ:GOOGL), Amazon (NASDAQ:AMZN), Apple (NASDAQ:AAPL), Meta (NASDAQ:META), Microsoft (NASDAQ:MSFT) und Nvidia (NASDAQ:NVDA). Dabei gibt es mehrere Betrachtungswinkel, wie man an die Analyse herangeht. Sei es über klassische Bewertungskennzahlen, die Marktkapitalisierung oder die Cashflows. Was jedoch für den Gesamttrend der Wall Street entscheidend ist, ist die Gewichtung dieser Titel in den großen drei Benchmarks.

Klumpenrisiko liegt im Technologiesektor

Natürlich liegt das Klumpenrisiko im Technologiesektor. Das weiß jedes Kind. Aber selbst innerhalb des Nasdaq 100 Index bilden die oben genannten sechs Aktien noch ein eigenes Klumpenrisiko. Denn zusammengenommen ist diese Handvoll von Aktien für mehr als 39 % der Kursveränderungen des Index verantwortlich. Oder anders gerechnet: Die restlichen 94 % der Aktienmitglieder beeinflussen aktuell lediglich 61 % der Kursveränderungen.

Überraschend für die meisten ist die Einseitigkeit des S&P 500 Index genauso hoch. Hier verteilt sich das Klumpenrisiko auf die obigen sechs Titel plus Tesla (NASDAQ:TSLA). Schaut man sich zudem die einzelnen Gruppen in der wichtigsten amerikanischen Benchmark an, dann wird die Einseitigkeit der Rallye noch deutlicher.

Der Technologiesektor im S&P 500 Index hat eine Gesamtgewichtung von aktuell 39,72 %. Das ist nicht nur sehr hoch, sondern mit Abstand die gewichtigste Gruppe. Die nächstgrößte Gruppe ist die Gesundheit und Pflege, die nur auf 12,49 % an der Benchmark kommt. Der Technologiesektor ist sogar größer als die Gruppen Gesundheit und Pflege, zyklische Konsumgüter, Finanzwirtschaft, Energie und Immobilien zusammen. Das ist selbstverständlich keine realistische Abbildung der Volkswirtschaft mehr. Man könnte auch sagen, dass beim S&P 500 Index der Schwanz mit dem Hund wackelt.

Am dichtesten an der Wirklichkeit liegt der Dow

Die amerikanische Benchmark mit der geringsten Schieflage ist der Dow Jones Industrial Average Index. Die Technologie hat als Gruppe hier „nur“ eine Gewichtung von 23,74 %. Es ist erneut die größte Gruppe, aber die Finanzwirtschaft kommt als Gruppe mit 18,91 % Gewichtung direkt dahinter, ebenso wie die Gruppe Gesundheit und Pflege mit 18,20 %, was die Bedeutung der Technologietitel für den Dow dämpft, aber natürlich nicht nimmt.

Hervorzuheben ist vor allem, dass der Dow unter den großen amerikanischen Benchmarks das geringste Klumpenrisiko bei Einzeltiteln hat. So gibt es beispielsweise unter den fünf Aktien mit der höchsten Einzelgewichtung im Index nur einen Technologietitel mit Microsoft, die mehr als 7 % Gewichtung haben. Die anderen Aktien aus den Top 5 sind zudem über verschiedene Gruppen verteilt. Das gibt dem Dow eine wesentlich größere Resilienz, insbesondere im Vergleich zum Nasdaq 100 Index und S&P 500 Index.

Auch Frankfurt hat ein Klumpenrisiko

Andere Länder-Benchmarks haben selbstverständlich auch ihre Schwergewichte. In der Regel halten sich die Klumpenrisiken jedoch in überschaubaren Grenzen. In Frankfurt ergab sich in dieser Hinsicht allerdings eine Zuspitzung. Die Deutsche Börse hat in diesem Jahr die Gewichtungskappung bei 10 % je DAX-Mitglied auf 15 % erhöht, was maßgeblich zu der Rallye bei den wichtigsten Schwergewichten in der jüngeren Vergangenheit beigetragen hat.

Konkret geht es im DAX um die Allianz (ETR:ALVG), SAP (ETR:SAPG) und Siemens (ETR:SIEGn). Die Zahlen dieser drei Unternehmen bewegen die deutsche Benchmark mehr als die meisten anderen zusammen und müssen daher im Fokus jedes Anlegers liegen. SAP hat bereits positiv überrascht und die Perspektiven für die anderen beiden sind ebenfalls sehr gut. Insofern bleibt die Ampel in Frankfurt bis auf weiteres auf Grün.

Ein Artikel von
Mikey Fritz
Chefredakteur Zürcher Finanzbrief

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