Die Bullen haben den Kampf um die 13.000er Marke gewonnen. Pendelte der DAX vor den Herbstferien der Börse-Intern noch wochenlang lediglich in zum Großteil sehr engen Seitwärtsbewegungen um diese psychologisch wichtige Marke, konnte er sich inzwischen (siehe vertikale Linie im Chart) mit zwei dynamischen Aufwärtsbewegungen klar nach oben absetzen und neue Allzeithochs markieren.
Sogar der DAX Kursindex notiert inzwischen auf Rekordniveau, weil er vorgestern seinen bisherigen Höchststand vom 10. April 2015 bei 6.339,56 Punkten überschritten hat und auf das neue Top bei 6.392,86 Zählern geklettert ist.
Die Börsenampeln stehen damit nicht nur auf Grün, sondern sogar auf Dunkelgrün, was auch für den (folgenden) Target-Trend-Chart des DAX gilt. Hier konnte mit zwei Aufwärtslücken zuerst die rot gestrichelte Konsolidierungslinie und dann die Rechteckgrenze bei 13.300 Punkten übersprungen werden (siehe grüne Pfeile). Mit dem zweiten Kurssprung gelangte der deutsche Leitindex sogar in den steilen Aufwärtstrendkanal zurück, der Ende August begann.
Aber: Alleine im Rahmen dieses Aufwärtstrends hat der DAX 1.620 Punkte bzw. 13,65 % zugelegt - innerhalb von nur zwei Monaten. Damit dürfte nun klar sein, dass wir uns zwar in einem eindeutigen Aufwärtstrend, allerdings auch in einer Übertreibungsphase befinden.
Charttechnische Übertreibung
Schon vor den Herbstferien hatte ich geschrieben, dass diese Phase meist das Ende eines übergeordneten Aufwärtstrends einläutet. Und ich hatte geschrieben, dass auch in den US-Indizes im kurzfristigen Bereich eine Trendbeschleunigung zu erkennen ist, die wie der Beginn einer typischen „Fahnenstange“ aussieht - also fast senkrecht nach oben verläuft. Schauen wir dazu nun einmal auf den langfristigen Chart des Dow Jones:
Innerhalb eines Jahres hat der US-Index 5.585,82 Punkte bzw. 31,15 % zugelegt. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber mir wird bei diesen Zahlen so langsam schwindelig. Alleine in den vergangenen zwei Monaten legten die Notierungen im Dow Jones um 8,3 % zu. Das ist mit dem Wirtschaftswachstum und dem Gewinnwachstum der Unternehmen nicht mehr zu erklären.
Anstieg der Kurse und der Gewinne stehen nicht mehr im Einklang
Denn nachdem 55 % der Unternehmen aus dem S&P 500 ihre Geschäftsberichte vorgelegt hatten, lag die aus den tatsächlich vorgelegten und den noch erwarteten Ergebnissen kombinierte Umsatzwachstumsrate bei +5,7% und die Gewinnwachstumsrate bei +4,7 %. Damit wurden zwar die Erwartung vor der Berichtssaison (Umsätze: +4,9 %, Gewinne: +2,8 %) übertroffen, aber einen derartigen Anstieg der Kurse begründen diese Zahlen nicht.
Stattdessen laufen die Kurse den Unternehmensgewinnen schon seit geraumer Zeit davon (siehe folgende Grafik). Die Schere zwischen der Kursentwicklung des S&P 500 (dunkelblau) und dem 12-Monats-KGV des US-Index (hellblau) ist extrem weit offen - so weit wie seit der Technologieblase nicht mehr.
(Grafikquelle: FactSet)
Was in den Jahren 2000 bis 2003 passierte, dürfte allgemein bekannt sein. Allerdings gilt diese fundamentale Überbewertung nur für US-Aktien.
DAX kaufen, US-Aktien verkaufen
Denn eine Grafik, die ich kürzlich bei FOCUS Online entdeckt habe, zeigt, dass sich der DAX durchaus noch im Einklang mit den Unternehmensgewinnen entwickelt:
(Grafikquelle: FOCUS Online)
Dennoch liegt auch hier charttechnisch eine Übertreibung vor, wie die eingangs genannten Zahlen zum seit Ende August laufenden Aufwärtstrend im DAX zeigen. Der Bewertungsunterschied zwischen heimischen und US-Aktien könnte allerdings dazu führen, dass sich der DAX stabiler entwickelt, wenn es zu einer charttechnischen Gegenbewegung bzw. allgemeinen Marktkorrektur kommt.
Wann diese allerdings kommt, lässt sich nicht sagen. Daher sollte man den Aufwärtstrends an den Aktienmärkten auch einfach weiter folgen, selbst wenn einem der gesunde Menschenverstand und die fundamentalen Fakten sagen, dass dies nicht mehr „gesund“ ist. Denn eigentlich verrate ich Ihnen nichts Neues, wenn ich schreibe, dass Übertreibungen länger anhalten können, als man denkt. Mit (nachgezogenen) Stopps kann man sich aber gegen eine drohende Korrektur „versichern“.
Das hatte ich schon vor den Herbstferien mehrfach geschrieben. Da sich aber kontinuierlich neue Leser zur Börse-Intern anmelden, muss ich dies immer mal wiederholen. Und das gilt auch für meinen Rat, angesichts der Bewertungsrelationen US-Aktien zu meiden und eher auf heimische Werte aus der DAX-Familie (inkl. MDAX, SDAX und TecDAX) zu setzen.
Mit Blick auf den Target-Trend-Chart des DAX oben haben die Kurse nun weiteres Potential bis zur Mittellinie bei 13.655 Punkten. Ein erstes Schwächesignal wäre dagegen, wenn die Rechteckgrenze bei 13.300 Zählern wieder unterschritten wird.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Geldanlage
Ihr
Sven Weisenhaus