Die Bullen-Bären-Debatte rund um Chewy (NYSE:CHWY) dreht sich hauptsächlich um zwei Faktoren: Bewertung und Gewinnmargen. Dass CHWY ein gutes Unternehmen ist, wissen wir, zumindest in puncto Umsätze.
Was wir nicht wissen, ist, wie rentabel das Unternehmen letztlich sein wird. Daraus ergibt sich wiederum der Kurs, den Anleger für die Aktie bezahlen wollen.
In letzter Zeit ist der Optimismus der Anleger deutlich gestiegen: CHWY hat seit den Tiefstständen Ende Mai um fast 100 % zugelegt. Aber nach dieser steilen Erholung erscheinen die eingepreisten langfristigen Gewinnspannen nun viel höher - und vielleicht sogar etwas zu hoch.
Die Margen expandieren - nach und nach
CHWY erzielt weiterhin ein deutliches Wachstum der Gewinnmarge und des Gewinns in USD. Bei einem Kurs von 43,9 USD am Montag kommt das Unternehmen auf eine Marktkapitalisierung von mehr als 18,5 Mrd. USD.
Trotzdem rechnet das Unternehmen für das Gesamtjahr mit einem bereinigten EBITDA (Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen) von rund 250 Mio. USD. Das legt nahe, dass sowohl der Nettogewinn als auch der freie Cashflow um Null liegen sollten.
Mit einem geschätzten Umsatz von 10 Mrd. USD in diesem Jahr und EBITDA-Margen von 2,3 % bis 2,4 % gibt es viel Spielraum für einen Gewinn, der dann schnell wachsen kann. Doch bei einem erwarteten Umsatzwachstum von 13 % in diesem Jahr sind es die Gewinnmargen, auf die es ankommt.
Die gute Nachricht für CHWY ist, dass die Margen stetig wachsen. Im Geschäftsjahr 2018 (bis Januar 2019) lagen die bereinigten EBITDA-Margen bei negativen 6,5 %. Vier Jahre später werden sie voraussichtlich um etwa neun Prozentpunkte höher ausfallen, einschließlich einer Steigerung um 1,5 Prozentpunkte in diesem Jahr.
Diese Expansion sollte weitergehen. Chewy automatisiert derzeit eine Reihe seiner Vertriebszentren; die ersten drei Maßnahmen sollen die Margen nach und nach um 40 bis 60 Basispunkte (0,4 bis 0,6 Prozentpunkte) erhöhen. Die Erweiterung des CarePlus-Angebots des Unternehmens, das Versicherungspartnerschaften mit Lemonade (NYSE:LMND) und Trupanion (NASDAQ:TRUP) umfasst, dürfte diesen Trend weiter unterstützen. Eine simple Skalierung würde ausreichen, insbesondere angesichts der geringen Gewinnspannen, die derzeit erzielt werden.
Alles in allem sollten sich die Margen weiter verbessern, was dann auch den Weg zu einem potenziell explosiven Gewinnwachstum eröffnet. Auf Sicht von drei Jahren könnte Chewy einen Umsatz von 14 Mrd. USD erzielen, das entspricht einem jährlichen Wachstum von etwa 12 %, und die EBITDA-Margen könnten auf 5 bis 6 % steigen. Das entspräche einer Verdreifachung des EBITDA in nur drei Jahren.
Ist die Chewy-Aktie zu teuer?
Das Potenzial für höhere Gewinnmargen war einer der Hauptgründe, warum ich mich in der Nähe der Mai-Tiefs für diese Aktie ausgesprochen hatte. Nach der Erholung tauchte jedoch eine neue Sorge auf: Der Markt könnte mehr Expansion einkalkulieren, als Chewy liefern kann.
Auf Basis unseres groben Dreijahresmodells, das ein EBITDA von 750 Mio. USD und einen Gewinn je Aktie von knapp über 1 USD unterstellt, erscheint die Bewertung von CHWY eher fragwürdig. Die Aktie wird mit dem 24-fachen des EBITDA und dem 40-fachen des EPS gehandelt - bezogen auf das Geschäftsjahr 2025. Wenn wir dann von einer angemessenen Wertsteigerung der Aktie ausgehen - etwa 10 % auf jährlicher Basis - liegen die Multiplikatoren näher beim 32-fachen bzw. 55-fachen.
Mit anderen Worten: Der aktuelle Kurs der CHWY-Aktie setzt ein beträchtliches Gewinnwachstum nach 2025 voraus, was durchaus möglich ist. Das Unternehmen baut seinen Anteil an den Ausgaben von Haustierbesitzern weiter aus. Theoretisch könnten und sollten die EBITDA-Margen im hohen einstelligen Bereich liegen.
Viel höher gehen sie aber in der Regel nicht. Der Einzelhandel ist ein Geschäft mit niedrigen Margen. Selbst Walmart (NYSE:WMT) musste sich im Geschäftsjahr 2022 (Ende Januar) mit EBITDA-Margen von unter 7 % zufriedengeben.
Der derzeitige Multiplikator von CHWY lässt vermuten, dass das Unternehmen nicht nur (mindestens) diese Margen erreichen wird, sondern auch über das Kerngeschäft E-Commerce hinaus erhebliche Gewinne erzielen wird. Das alles ist durchaus möglich. Endmärkte wie die Versicherung von Haustieren und die Telemedizin im veterinärmedizinischen Bereich sind sehr vielversprechend.
Was allerdings bedenklich stimmt, ist die Tatsache, wie viel von diesem Erfolg bereits in den Kursen enthalten ist.
Die Margenaussichten bleiben im Vergleich zu vor sieben Monaten relativ unverändert; geändert hat sich nur die Bewertung. Und diese Veränderung ist so signifikant, dass hier wahrscheinlich Gewinnmitnahmen ratsam sind.
Offenlegung: Vince Martin ist derzeit in keinen der hier besprochenen Aktien invesitert.