Letzte Woche habe ich Faktoren angesprochen, die die Ölnachfrage beeinflussen könnten. In diesem Artikel lege ich positive und negative Szenarien für die Ölversorgung dar.
Das beste Szenario ist eines, in dem das Ölangebot sinkt und die Preise steigen. Das schlimmste Szenario: Das Angebot bleibt weiterhin hoch und die Ölpreise niedrig oder sie fallen noch weiter.
5 Best-Case-Szenarien (Ölangebot schrumpft)
Jedes positive Szenario für das Ölangebot ist unabhängig von den anderen. Das könnte jeweils passieren:
1. Russland entscheidet sich gegen eine Erhöhung der Ölproduktion. Es gibt Anzeichen dafür, dass dies so kommen könnte. Bei einem kürzlich abgehaltenen Treffen mit dem russischen Energieminister Alexander Novak, sprachen sich die meisten russischen Ölfirmen gegen eine Steigerung der russischen Ölproduktion im April aus, hauptsächlich aufgrund der rückläufigen Nachfrage durch die Coronavirus-Pandemie.
2. Während dies für die US-Wirtschaft negativ wäre, könnte eine Verringerung der Ausgaben, Konsolidierungen und Insolvenzen in der US-Schieferölindustrie erhebliche Auswirkungen auf die Ölproduktion haben.
Die Produktion könnte viel niedriger sein als die 13 Millionen bpd, die die IEA für 2020 vorhergesagt hat. Laut der Analyse von Rystad Energy könnte die Schieferölindustrie in diesem Jahr um bis zu 30% schrumpfen. Da die Zukunft immer noch mit großer Unsicherheit behaftet ist - insbesondere die wirtschaftlichen Auswirkungen staatlichen Maßnahmen gegen das Coronavirus - ist es unmöglich vorherzusagen, wie stark die US-Ölproduktion im Jahr 2020 sinken könnte. Möglicherweise könnten wir einen Rückgang auf unter 10 Millionen bpd sehen. Ein so deutlicher Rückgang wäre für die Arbeitsplätze und den Wohlstand einiger Regionen verheerend, würde jedoch das weltweite Angebot verringern und die Ölpreise in die Höhe treiben.
3. Saudi-Arabien erkennt, dass es eigentlich keine 12 Millionen bpd aus dem Boden und 300.000 bpd aus den Lagern holen will, während die Weltwirtschaft zum Stillstand gekommen ist.
Die Gründe hierfür könnten von der Entscheidung reichen, dass eine derart erhöhte Produktion den langfristigen Zustand seiner Ölfelder beeinträchtigt, bis hin zur Besorgnis über einen Mangel an Kapazitätsreserven, der entstehen würde, bis Aramco seine Kapazität auf 13 Millionen bpd erhöhen kann. Ein weiterer möglicher Grund: Saudi-Arabien könnte Schwierigkeiten haben, Kunden für so viel Öl zu finden und bei der Stange zu halten.
4. Öl aus Venezuela, Iran und Libyen bleibt weitgehend vom Markt, da die Sanktionen nicht gelockert werden und die politischen und wirtschaftlichen Turbulenzen anhalten.
5. Die OPEC erzielt eine Einigung zur Stabilisierung des Ölmarktes und kann zumindest einige ihrer OPEC+-Partner an Bord halten. Dazu könnte bereits Ende Juni kommen, wenn es denn passiert.
4 Worst-Case-Szenarien (Angebot steigt)
4 unabhängige negative Szenarien für die Ölversorgung:
1. Russland überschwemmt den chinesischen Markt weiter mit billigem Öl und steigert die Produktion im April. Laut Händlern wird Russland bereits in den nächsten vier Wochen eine Rekordmenge an Öl, 12 Millionen Fass, nach China auf dem Seeweg verschicken.
2. Schieferölunternehmen in den USA werden vom Staat gerettet oder erhalten zusätzliche Finanzmittel.
Die Wall Street und andere könnten weitere Finanzierungen bereitstellen, dank der Mittel, die sie durch die quantitative Lockerung zur Verfügung haben, oder sie könnten sich dafür entscheiden, Schieferölgeschäfte zu finanzieren, wenn sie Geld aus anderen Anlagen herausnehmen.
Als Ergebnis der Rettung und Finanzierung schrumpft die Schieferölproduktion im Jahr 2020 nicht annähernd so stark wie vom Markt befürchtet.
3. Trotz der Bitten von US-Präsident Trump, en Markt in einer Zeit außergewöhnlich geringer Nachfrage nicht mit Öl zu überfluten, zeigt sich Saudi-Arabien stur und weicht nicht von seinen erklärten Absichten ab.
Saudi-Arabien hält an seinen früheren Aussagen fest, dass es das Angebot im April auf 12,3 Mio. bpd erhöhen wird, 12 Mio. bpd davon aus der Förderung. Saudi-Arabien könnte diese Politik des hohen Angebots bis in den Sommer hinein fortsetzen.
4. Die OPEC erzielt im Juni oder Dezember keine Produktionsvereinbarung.
Fazit
Wie immer ist die Stimmung das einflussreichste Element am Ölmarkt für diejenigen, die mit Terminkontrakten und nicht mit physischem Öl handeln. Die wichtigste zu berücksichtigende Frage ist: Haben Ölhändler das Gefühl, dass das Angebot steigt oder fällt?
Ein noch so geringer Rückgang der Schieferölproduktion könnte sich aufgrund der Reaktion der Händler übergroß auf den Preis auswirken. Eine Änderung der Politik durch Saudi-Arabien könnte dasselbe erreichen. Ebenso könnten Berichte über Eigensinn aus Saudi-Arabien oder über Beharrlichkeit der US-Schieferölfirmen in den kommenden Wochen oder Monaten ernsthafte Preisrückgänge auslösen.
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