In den letzten Quartalen ist eine Vielzahl von Unternehmen in den USA an die Börse gegangen. Viele unter ihnen, wie z.B. Airbnb (NASDAQ:ABNB), Asana (NYSE:ASAN), DoorDash (NYSE:DASH), Jfrog (NASDAQ:FRPT) (NASDAQ:FROG) und Snowflake (NYSE:SNOW) haben dazu den Weg eines traditionellen Börsengangs (IPO) beschritten.
Andere haben jedoch den Weg inverser Fusionen mit Akquisitionszweckunternehmen bzw. Mantelgesellschaften (special purpose acquisition companies, SPACs) gewählt. Beispiele hierfür wären Arrival (NASDAQ:ARVL), ChargePoint (NYSE:CHPT), DraftKings (NASDAQ:DKNG), Immunovant (NASDAQ:IMVT), Plby Group (NASDAQ:PLBY), Repay Holdings (NASDAQ:RPAY) und Virgin Galactic (NYSE:SPCE). Und Palantir Technologies (NYSE:PLTR) hat sich für eine Direktplatzierung (DPO) entschieden.
Aber mit 2021 bahnt sich ein heißes Jahr für Börsengänge an, insbesondere in Großbritannien. Heute nehmen wir daher ein Unternehmen unter die Lupe, das Anfang dieses Jahres seinen Börsengang hatte: der Lebensmittelauslieferer Deliveroo (LON:ROO).
Bislang keine schmackhaften Renditen
Deliveroo, das eine bekannte Marke in Großbritannien ist, wurde 2013 in London gegründet und ging am 31. März an die Börse. Der Rummel vor dem ersten Handelstag war beeindruckend. Schließlich war das Bestellen von Essen im Internet während der Pandemie angesagt.
Jüngste Statistiken zeigen, dass "das Vereinigte Königreich für ungefähr 40% aller Einnahmen in Europa bei den Lebensmittellieferdiensten steht". Beispielsweise hat Just Eat Takeaway (LON:JETJ) (OTC:TKAYF), ein Mitglied des FTSE 100, während der Pandemie ein erhebliches Umsatzwachstum verzeichnet. Die JETJ-Aktie ist in den letzten 12 Monaten um über 16% gestiegen.
Im August 2020 genehmigte die britische Wettbewerbs- und Marktaufsichtsbehörde (Competition and Markets Authority, CMA) die 16%-Beteiligung von Amazon (NASDAQ:AMZN) an Deliveroo, eine Entwicklung, die den Hype um den Börsengang des Unternehmens deutlich steigerte. In ihrer Analyse befand die Behörde:
"Die CMA stellte letztendlich fest, dass dieses Investitionsniveau den Wettbewerb in beiden Märkten nicht wesentlich verringern wird. Sollte Amazon jedoch ein höheres Maß an Kontrolle über Deliveroo erlangen, beispielsweise durch den Erwerb einer Mehrheitsbeteiligung an dem Unternehmen, könnte dies eine weitere Untersuchung durch die CMA auslösen."
Nach dem Börsengang machte Deliveroo Schlagzeilen, aber nicht aus den richtigen Gründen. Das Unternehmen hoffte, seine Aktien zu mindestens 390 Pence (oder etwa 5,35 USD) verkaufen zu können, was dem unteren Ende der ursprünglich erwarteten Spanne von 390 Pence bis 460 Pence entsprochen hätte. Am 31. März beendete die Aktie den Handel jedoch bei 287 Pence. Zum jetzigen Zeitpunkt wird sie zu 282 Pence (4,15 USD in den USA) gehandelt.
Die Marktkapitalisierung beträgt derzeit 5,2 Mrd. GBP (oder 7,2 Mrd. USD). Anfang 2021 wurde das Debüt von Deliveroo als potenziell größter Börsengang in London gefeiert. Er wurde jedoch einer der Schlimmsten der jüngeren Vergangenheit.
Davor war es in 2011 der Rohstoffkonzern Glencore (LON:GLEN) (OTC:GLNCY) gewesen, der den größten Börsengang hinlegte, welcher zu einer Enttäuschung wurde. Zu dieser Zeit war Glencore mit Kontroversen konfrontiert, insbesondere in Umwelt-, Sozial- und Governance-Fragen (environmental, social and governance, ESP). Die Aktien wurden ebenfalls am unteren Ende ihres erhofften Emissionskurses bewertet. Die GLEN-Aktie erreichte nie ihren Ausgabekurs von 530 Pence, fiel bis unter 80 Pence und kostet derzeit 290 Pence. Deliveroo dürfte hoffen, dass es bei seiner Aktie nicht so schlimm kommt.
Bedenken über Preisgestaltung und Corporate Governance
In den letzten 10 Tagen haben Analysten diskutiert, warum dieser mit Spannung erwartete Börsengang nicht gut angenommen wurde. Viele nennen Bewertungsniveaus als Hauptproblem. Obwohl Deliveroo die Aktie am unteren Ende der Zielspanne verkauft hatte, war das den Anlegern immer noch zu viel. Da sich Großbritannien darauf vorbereitet, seine Ausgangssperren aufzuheben und die Eröffnung nicht essentieller Geschäfte zu erlauben, könnte auch das Bestellvolumen bei den Lieferdiensten sinken.
Trotz des Wachstums der Online-Bestellungen während der Pandemie hat die Firmengruppe in diesem wettbewerbsintensiven Segment noch nie einen Gewinn gemacht. Tatsächlich hatte Deliveroo vor der Genehmigung der Investition von Amazon bei der CMA-Prüfung argumentiert, dass es ohne die Unterstützung von Amazon Pleite gehen könnte. Nicht alle Fondsmanager zeigten sich von den Zahlen der verlustbringenden Bestellplattform beeindruckt.
Das andere Problem ist die Corporate Governance, vor allem die Arbeitsbedingungen für die Fahrer. Im Februar entschied der Oberste Gerichtshof des Vereinigten Königreichs, dass die Fahrer von Uber (NYSE:UBER) in Großbritannien Lohnbeschäftigte und nicht unabhängige Auftragnehmer sind.
Angesichts der gerichtlichen Niederlage für einen der größten Namen der Gig-Economy stellt sich nun die Frage, ob Deliveroo möglicherweise die Bezahlung und die Bedingungen für seine Zustellfahrer verbessern muss. Das Management argumentierte, dass dies keine Auswirkungen auf die Gruppe habe, aber es scheint, als sehen einige Anleger dies etwas anders. Wenn die Ausgaben von Deliveroo aufgrund höherer Fahrerkosten steigen, würde dies den Weg in die Gewinnzone noch länger machen.
Schließlich sollten wir die Anleger an die bestehende Aktienstruktur mit zwei Klassen erinnern. Dieses Arrangement gibt den Besitzern einer bestimmten Klasse von Aktien mehr Stimmrechte als den Inhabern einer anderen Aktienklasse. Eine solche doppelte Struktur zementiert typischerweise die Macht der Gründer eines Unternehmens. Nach dem Börsengang besitzt Will Shu, der Gründer von Deliveroo, 6,3% des Unternehmens, hält jedoch 57,5% der Stimmrechte. Dies ist in den USA üblich, in Großbritannien jedoch nicht. Infolgedessen ist Deliveroo nicht für den FTSE 100 qualifiziert.
Fazit zur Deliveroo-Aktie
London hofft, sich einen Nischenstatus als Technologie- und Innovationshauptstadt Europas zu sichern und wachstumsstarke Unternehmen dazu zu bewegen, in Großbritannien statt in den USA an die Börse zu gehen.
Deliveroo befindet sich als Aktiengesellschaft in den Anfangstagen. Anleger könnten durchaus bereit sein, auf ROO-Aktien zu setzen, wenn das Management einen klaren Weg in die Gewinnzone präsentieren kann und Fragen der Unternehmensführung besser beantwortet werden.