Mit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine intensivierte sich die Volatilität der Finanzmärkte erkennbar. Während es bei vielen Aktien nach unten ging, entluden Energiewerte (NYSE:XLE), wie Öl und Gas, ihre Energie nach oben. Das alles zählt für die globale Wirtschaft. National, also in Russland, wurde die Wirtschaft massiv durch eine Welle von Sanktionen belastet, die darauf abzielten, den Spielraum und das Wachstum der russischen Wirtschaft einzudämmen. Unterstützt wurde dies auch medial, indem man jede Sanktionsentscheidung in die Schlagzeilen schrieb. Ich denke, man kann schon sagen, dass ein flächendeckendes Gefühl entstanden ist, dass die Weltwirtschaft Russland den Rücken zugekehrt hat. Aber ist dem so?
Mal abgesehen davon, dass Rohstofflieferungen weiter fortgesetzt werden und planmäßig verlaufen, ist auch die russische Börse wieder geöffnet. Die Kurse liegen erwartungsgemäß unter den Vorkriegspreisen, aber halten sich im Rahmen normaler Korrekturen. So liegen die Verluste von russischen Großkonzernen, wie Yandex (MCX:YNDX), Lukoil (MCX:LKOH), Gazprom (MCX:GAZP) oder Aeroflot (MCX:AFLT), irgendwo zwischen 28% und 50%. Zum Vergleich können wir Meta Platforms (NASDAQ:FB) hinzuziehen, welches eines der größten Unternehmen der Welt ist. Hier wurden von Anfang Februar bis Mitte März über 40% hergegeben. Von Wirecard-artigen Verlusten kann hier also nicht die Rede sein.
Ein etwas deutlicherer Faktor, um zu bewerten, wie es um die undurchsichtige Lage der russischen Wirtschaft steht, könnte der russische Rubel sein. Der Grund dafür ist, dass der Wert der Währung zu einem gewissen Maß die Präsenz von Fremdkapital in Russland anzeigt. Zudem spiegelt der Wert des Rubels in diesem Kontext möglicherweise wider, wie integriert Russland in der Weltwirtschaft ist oder auch nicht. Wenn der Rubel schwächelt, bedeutet es, dass die Nachfrage nach der Währung nachlässt. Warum könnte das der Fall sein? Man möchte keine russischen Produkte oder Dienstleistungen erhalten. Da der Rubel keine weitverbreitete Leitwährung ist, ist die praktische Anwendung nur auf die Grenzen des Landes beschränkt (mal einfach gesehen).
Ebenfalls stark vereinfacht, kann man sagen, dass man einen Rubel also verkauft, weil man nichts kaufen möchte, was man mit dem Rubel kaufen könnte. Aus der Investment-Sicht bedeutet ein Verkauf von Rubel, dass man entweder um die Sicherheit der eigenen Geldanlage in Rubel bangt, man keine nachhaltige Wertschöpfung erwartet oder lediglich einen spekulativen Handel eingeht. Wenn man aber Rubel kauft, so muss man all diese Dinge aus gegenteiliger Perspektive betrachten.
Was ist also mit dem Kurs passiert? Mit dem Einmarsch von der Nacht des 23. Februars zum 24. Februar ist der russische Rubel gegenüber dem US-Dollar um etwas über 10% abgefallen. Am Folgetag stieg der Rubel aber wieder um etwa 10% und machte fast die anfänglichen Verluste wieder wett. Danach jedoch nahm der Rubel über 45% bis zum 7. März ab. Dies ist natürlich eine rapide Bewegung und als Schock für die Wirtschaft zu werten. Damit hätten wir auch die Analysen schon abschließen können, wenn der Kurs so geblieben wäre. Jedoch stieg der Rubel massiv nach diesem Tief an. Aktuell notiert der Kurs bei über 86% über diesem Tief und kam zwischenzeitlich auf leicht über 105% Zuwachs seit dem Einbruch. Im Vergleich zum Level vor dem Einmarsch in die Ukraine notiert der Rubel gegen den US-Dollar gerade einmal etwas mehr als 3% tiefer – ein völlig normales Level.
Wenn man sich nur den Rubel ansieht, so kann man den Schluss ziehen, dass zwar eine kurzfristige Schockwelle durch die russische Wirtschaft gegangen ist, sich diese aber wieder etwas erholt hat. Die Nachfrage nach der Währung mit stark limitierter Anwendung ist nicht nennenswert abgefallen, wenn man diesen kurzzeitigen Knick in der Kurve mal außen vor lässt. Meine Sicht auf dieses Thema ist, dass Russland zwar weiterhin unter wirtschaftlichem Stress steht, die Integration in der Weltwirtschaft aber nicht sonderlich rückläufig gewesen sein kann. Wie stark die Sanktionen das Land getroffen haben, werden wir wahrscheinlich erst in einigen Jahren wissen, wenn diesbezüglich die ersten Daten und akademischen Aufarbeitungen eintrudeln.
Für mehr Analysen, Einblicke und Prognosen klicken Sie hier!