Das Original des Artikels erschien zuerst auf NorthmanTrader.com unter dem Titel 'The Never Ending Rally' von Sven Henrich.
Ups! Er hat es schon wieder getan. In dem Moment, in dem es an den Märkten Sorge um ein Tapering oder mögliche frühzeitige Zinserhöhungen gab, wie sie im Dot-Plot der Fed von letzter Woche angedeutet wurden, eilte Jay Powell herbei, um den Anlegern zu versichern, dass der Dot-Plot bedeutungslos sei, und als Bullard am Freitag eine Zinserhöhungs-Bombe für das Jahr 2022 platzen ließ, schoben sowohl Powell als auch Williams, mit der Hilfe von Kashkari am Freitag, jeglichen derartigen Überlegungen in dieser Woche sofort einen Riegel vor. Schließlich ist Bullard kein stimmberechtigtes Mitglied und wen kümmert es schon, was er sagt?! Stimmberechtigte Mitglieder halten sich an das Skript, nicht-stimmberechtigte Mitglieder und ehemalige Funktionäre können kühner und realitätsnäher in ihren Einschätzungen sein.
Wie üblich folgten die Märkte prompt dem Wink mit dem Zaunpfahl in der Gewissheit, dass der Liquiditätshahn noch längere Zeit offen bleiben wird, und das war's. Dip gekauft, neue Allzeithochs bei Tech-Aktien (NYSE:XLK) und der S&P 500 ist nicht einmal einen Steinwurf von neuen Allzeithochs entfernt.
Die unendliche Rallye. Alles, was zählt, ist, dass die Fed locker bleibt und druckt, ganz gleich, dass die Hauspreise im Jahresvergleich um 18% explodiert sein mögen, ganz gleich, dass der Verbraucherpreisindex (VPI) 5% beträgt. Wir schauen nicht auf den VPI, wir betrachten nur den PCE, so Powell in dieser Woche vor dem US-Kongressausschuss.
Nein, der Testballon der Fed letzte Woche, falls das denn die Absicht war, hat wieder einmal deutlich gemacht, dass dieser Markt nicht nur auf billiges Geld angewiesen ist, sondern auch auf die fortwährende Erwartung an billiges Geld, und so folgte die Fed ihrem seit langem verfolgten Ansatz der Geldpolitik: Große Geschütze auffahren, schnell handeln und quälend langsam wieder aussteigen, und das immer aus Angst vor den Folgen für die Märkte.
Was ist jetzt also mit diesem jüngsten Dip-Buying und neuen Höchstständen. Script as usual? Man sucht immer nach Signalen und Veränderungen, um herauszufinden, ob etwas im Gange ist, und das war Teil der Diskussion während meines Auftritts bei CNBC TechCheck heute:
Vorab eine wichtige Erkenntnis: Die außerordentliche, künstlich geschaffene Liquidität behält vorerst die volle Kontrolle über die Vermögenspreise. Der SPY-ETF mag die Wertentwicklung des S&P 500 abbilden, aber der S&P 500 selbst folgt anscheinend einfach nur der Fed-Bilanz. Seit November folgt auf jedes neue Hoch in der Fed-Bilanz ein neues Hoch im S&P und jeder Test der 50-Tage-Linie wird gekauft:
Das Zusammenspiel aus fiskalischen und geldpolitischen Stimuli und der Wiedereröffnung der Wirtschaft hat nicht nur zu einem außergewöhnlichen Wachstumsschub geführt, sondern auch viele Vermögenspreise sprichwörtlich auf den Mond katapultiert, und auf dem Mond herrscht reges Treiben, wo Narrative, Meme-Zockereien und Short-Running die Fundamentaldaten als Grundlage für die Kapitalanlage ersetzt haben. Dies hat zu einem noch nie dagewesenen Risiko für das Anlegerverhalten geführt und ist besonders im Tech-Sektor zu beobachten.
Die zusätzliche Liquidität infolge der fiskalpolitischen Maßnahmen und nun auch aufgrund der rekordhohen Aktienrückkäufe haben einen felsenfesten Boden unter einen Markt gelegt, der ein Spiegelbild des Marktes aus dem Jahr 2013 ist: Konstanter Anstieg, abnehmende Volatilität, abgesehen von gelegentlichen Ausschlägen, und praktisch keine Korrekturen bei den großen Indizes. Solange die Liquidität gewährleistet ist, kann man also davon ausgehen, dass sich die Märkte auch weiterhin kontinuierlich nach oben bewegen werden, wo Dips immer wieder gekauft werden. Zu beachten gilt jedoch, dass wir uns jetzt in einem ganz anderen Bewertungsumfeld befinden als 2013, denn wir sehen gerade die größte Diskrepanz zwischen den Vermögenspreisen und der Gesamtwirtschaft, die es je gegeben hat: Das Verhältnis von Marktkapitalisierung zu BIP liegt bei beispiellosen 203% und das Kurs-Umsatz-Verhältnis beim S&P bei bisher unerreichten 3,1.
Im Moment dominiert das Dip-Verhalten der Anleger, was sich auch diese Woche wieder mit neuen Rekordständen im Nasdaq bestätigt hat. Doch obwohl wir Tech aus technischer Sicht beim Dip gerne eingesammelt hatten, werden wir bei diesem Index nun etwas vorsichtiger.
Denn die neuen Hochs gehen mit einer Eintrübung der internen Bedingungen einher. Noch im Februar hat der Index mit 600 Werten, die neue Hochs ausgebildet hatten, den Trend bestätigt. Im Februar waren es dann nur noch 250 und gestern waren es sogar nur noch 124. Dies zeigt eine technische Schwäche an und deutet auf einen Trendwechsel hin.
Hinzu kommt, dass immer weniger Aktien über ihrer gleitenden 50-Tage-Linie notieren, was wiederum auf eine relative Schwäche hindeutet:
Was ist der Grund dafür?
Im Tech-Sektor sollten wir zwischen 2 wesentlichen Teilmärkten unterscheiden, ich bezeichne beide als Monopolmärkte. Beim ersten handelt es sich um die großen Quasi-Monopole des globalen Tech-Sektors, Apple (NASDAQ:AAPL), Amazon (NASDAQ:AMZN), Alphabet (NASDAQ:GOOGL), Microsoft (NASDAQ:MSFT), Facebook (NASDAQ:FB), die allesamt stabile Charts aufweisen, die sich entweder in einer Konsolidierung befinden oder auf einem beständigen Flug zu neuen Höchstständen. Die Bewertungen sind hoch, aber die Aktienrückkäufe, die sich daraus ergeben, sind es auch. Diese Aktien treiben erneut den Großteil der Gewinne im Index an, was die Rallye auf tönerne Füße stellt.
Der andere Monopolmarkt geht nicht auf die Marktdominanz zurück, sondern auf das Monopolgeld, die exzessive Liquidität, die zu hyperspekulativen Aktivitäten führt, und obwohl der Index dies in der Summe nicht widerspiegelt, kommt es tatsächlich zu wechselseitigen Boom- und Bust-Zyklen, ja sogar zu regelrechten Bärenmärkten im Tech-Bereich, da alle herumschwirrenden Narrative den Höhenflug der Bewertungen nicht rechtfertigen können.
Man denke nur an Tesla (NASDAQ:TSLA), das im Januar sein Rekordhoch erreichte und dann um 40% einbrach, oder an SPACs, die im Februar ihr Hoch markierten und dann um fast 40% absackten, oder an Gesellschaften wie ARKK oder sogar Coinbase (NASDAQ:COIN) und selbst an Kryptowährungen mit dem Rekordhoch beim Bitcoin im April - das sind absolute Katastrophen für Leute, die hier zu spät einsteigen, was die Frage aufwirft, ob diese Charts auf eine Marktblase hindeuten, die im Begriff ist zu platzen, auch wenn die Indizes immer neue Hochs erklimmen, oder ob sie ihre beschädigten Charts reparieren können. Ich hatte die Rückeroberung der 50-Tage-Linie durch Tesla als mögliches positives Zeichen im Kontext der Bildung einer weiteren potenziellen Bärenflagge bereits angesprochen:
Für den Moment ist es angesichts dieser laufenden Bärenmärkte in der Tat sehr beachtlich, dass der breiter aufgestellte Tech-Sektor bislang keinen größeren Schaden erlitten hat, es wirft jedoch Fragen über die Dauerhaftigkeit der neuen Höchststände auf und vieles wird davon abhängen, ob diese kaputten Charts sich selbst reparieren und sich von den jüngsten Tiefs erholen können.
Zwar konzentrieren sich die meisten Anleger auf den VIX, aber der NDX besitzt tatsächlich seinen eigenen Volatilitätsindex, den VXN, und der Chart ist extrem spannend:
Bei all den Ausreden, die Volatilitätstiefs der Jahre 2019/2020 zu erreichen, gilt es zu beachten, dass der VXN ein ähnliches Muster ausbildet, das zu einem Volatilitätsausbruch im Jahr 2020 führte, wobei dieses Muster jedoch oberhalb des vorherigen Musters angesiedelt ist. Dies stellt eine ungewöhnliche Divergenz dar und deutet darauf hin, dass die derzeitige Ruhe an den Märkten nicht von Dauer sein wird, insbesondere wenn neue Hochs nicht nachhaltig gehalten werden können. Deshalb ist es wichtig, entweder auf eine Fortsetzung der Rallye oder auf Anzeichen für das Scheitern an neuen Rekordhochs nach einem fünfwöchigen ununterbrochenen Anstieg im Tech-Bereich zu achten.
In diesem Kontext dürfte das Quartalsende in der kommenden Woche von großem Interesse sein und Aufschluss darüber geben, wie überzogen die Gesamtcharts im historischen Kontext sind:
Der VTI hat noch nicht einmal richtig sein oberes Bollinger-Band auf Quartalsbasis getestet und liegt zudem weit über seinem 5-EMA. Schaut man zurück, gibt es in der Vergangenheit nichts Vergleichbares, weshalb ich auf die Gefahr einer Umkehr im nächsten Quartal hinweise.
Ab 2013 wurden z.B. alle größeren Umkehrbewegungen an die 100-Tage-Linie zurück zuerst gekauft, aber Trendbrüche in einem Umfeld überhöhter Bewertungen gilt es zu beachten, wie etwa beim von mir im Interview erwähnten Dow Jones-Index:
Der Trend wurde eindeutig gebrochen, und zwar nicht nur im $DJIA, sondern auch in einer Reihe anderer Indizes, aber bisher ohne Folgen. Doch Vorsicht ist geboten: Diese Märkte sind so überspannt, dass die Marktteilnehmer darauf trainiert sind, jeden noch so winzigen Dip zu kaufen, selbst ein einfaches technisches Retrace auf z.B. das .236 Fib würde einem entfesselten Armageddon gleichen.
In den letzten Jahren folgte auf jeden Einbruch bis Ende Juni eine weitere Rallye auf neue Hochs im Juli, und angesichts des abnehmenden Volumens im Sommer könnte dies auch in diesem Jahr wieder das Drehbuch sein. Für den Moment läuft der Markt auf Autopilot und ignoriert dabei einfach alles. Er konzentriert sich voll und ganz darauf, dass weiterhin ausreichend Liquidität zur Verfügung steht, um noch nie dagewesene Bewertungen zu rechtfertigen.
Den Investoren scheint das egal zu sein, denn es hat sich eine "All-in"-Mentalität eingestellt:
Nein, das "Buy any dip"-Verhalten ist so allgegenwärtig in dem festen Glauben, dass der Markt wegen seines Verhaltens kugelsicher ist, dass zu dem Zeitpunkt, an dem dieser Markt tatsächlich korrigiert, niemand mehr daran glauben wird. Das könnte eine teure Lektion werden, denn alle Rallyes enden, auch die, die niemals enden wollen.