Manchmal werden einem die Entscheidungen durch bestimmte Umstände einfach abgenommen. Man möchte, zum Beispiel, nicht zu einer Verabredung gehen und wird einen Tag vorher etwas krank – wie passend. Ein ähnliches Problem hat die globale Energieinfrastruktur durch die Ukraine-Krise erlebt. Da sich viele Staaten in diesem Kontext gegen Russland gestellt haben, fingen sie an, nach Alternativen zu russischem Gas und Öl zu suchen und beschleunigten zudem noch die lange angestrebte Energiewende. Zwei Staaten haben von dieser Entwicklung deutlich profitiert: Saudi-Arabien und Qatar.
Durch die stark angestiegenen Ölpreise ist die saudi-arabische Wirtschaft im ersten Quartal dieses Jahres um 9.9% gestiegen und übertraf die bereits bei 9.6% sehr hoch angesetzten Einschätzungen der Analysten in diesem Bereich. Mit Beginn der Ukraine-Krise sind viele Abnehmer an die Saudis getreten, um Rohöl zu beziehen. Die steigenden Preise und limitierten Alternativen gaben dem staatlichen Ölkonzern Saudi Aramco (TADAWUL:2222) einen deutlichen Boost und zogen direkt die gesamte Wirtschaft mit. Zwar deutet das auf eine große Abhängigkeit des Landes von diesem Energieträger hin, aber Saudi-Arabien plant, diese Abhängigkeit mit dem Betrieb des Jarufah Gasreservoirs zu reduzieren.
Das dürfte nochmal mehr Zeit für den Energiewandel geben, aber auch helfen, andere Sektoren, wie Finanzen und Dienstleistungen, auf einen tragbaren Stand zu bringen. Viele Staaten setzen auf eine ähnliche Taktik. So auch Qatar. Der Golfstaat möchte bis 2027 seine Vormachtstellung im Flüssiggassektor (LNG) weiter ausbauen. Dazu startet das Land das größte LNG-Projekt der Welt. Mit der Förderung größerer LNG-Mengen will Qatar seine Produktion bis 2027 um 64% steigern. Die Europäer stehen bereits jetzt Schlange, um sich langfristige Verträge von den Qataris einzuholen.
Partner könnten prominente Energiekonzerne aus dem Westen werden, welche aber klassischerweise mit dem Ölsektor assoziiert werden. Shell (ETR:R6C0), Total (EPA:TTEF), Exxon, ConocoPhillips (NYSE:COP), Eni (BIT:ENI) und Chevron (NYSE:CVX) sollen alle Angebote für das $30 Milliarden Gas-Projekt abgegeben haben, das ein strukturell wichtiges Standbein der globalen LNG-Versorgung werden soll. Ursprünglich wollte Qatar das Projekt alleine betreiben, eröffnete aber nochmal die Ausschreibung, um die finanziellen Risiken zusammen mit Partnern zu teilen. Im Raum stehen zwischen 20-25% Anteile am Projekt.
Das wäre auch nicht die erste Zusammenarbeit zwischen Weltkonzern und Qatar. In der nordamerikanischen Provinz Louisiana betreibt der Golfstaat das $10 Milliarden schwere „Golden Pass LNG“ Projekt mit einem Anteil von 70%. Die restlichen 30% gehören Exxon (NYSE:XOM), welche möglicherweise durch diese Kooperation einen gewissen Vorteil für das geplante „North Field“ LNG-Projekt haben könnten.
Klar ist aber, dass dieses Projekt auch politische Implikationen haben wird. Somit wird die wirtschaftliche Abhängigkeit von Flüssiggas stärker auf Qatar konzentriert. Jedoch hatte sich das Land in der Vergangenheit als kooperativer und produktiver Geschäftspartner bewiesen, weshalb das Interesse westlicher Energiekonzerne so groß sein dürfte.
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