Torsten Ewert hat in seiner vorgestrigen Analyse bereits geschrieben, dass der DAX derzeit durch die Gas-Krise belastet ist. Und diese Belastungen haben sich jüngst weiter verschärft. Denn die Pipeline Nord Stream 1 soll laut Angaben aus Russland erneut gewartet und die Gaslieferung deswegen noch einmal unterbrochen werden. Gazprom (MCX:GAZP) kündigte dies für den Zeitraum vom 31. August bis zum 2. September an. Danach sollen wieder 20 % der täglichen Maximalleistung durch die Leitung fließen.
Gaspreis steigt auf Rekordhoch
Der Gaspreis zog in der Folge erneut an. An der Energiebörse in den Niederlanden erreichte der als Referenz geltende Terminkontrakt TTF am vergangenen Freitag bereits mit einem Preis von 257,40 Euro pro Megawattstunde den höchsten Wert, der jemals zum Handelsschluss festgestellt wurde. Laut der Nachrichtenagentur Reuters stiegen die durchschnittlichen Gaspreise in der Europäischen Union (EU) auf ein Rekordhoch. Dabei verdoppelten sie sich in nur einem Monat auf das 14-fache des Durchschnitts der letzten 10 Jahre. Doch damit nicht genug. Laut n-tv.de stieg der Gaspreis vorgestern noch einmal um zeitweise mehr als 20 % und näherte sich der 300 Euro-Marke.
Strompreise schießen durch die Decke
Aber Gas ist derzeit nicht das einzige Problem. Denn auch die Preise für Strom gehen durch die Decke. Der als Messlatte für den deutschen und europäischen Strommarkt geltende Future-Preis für eine Megawattstunde erreicht aktuell einen Rekordwert nach dem anderen. Dazu berichtet n-tv, dass dieser im vergangenen Monat die 400 Euro-Marke übersprang, letzte Woche zum ersten Mal überhaupt 500 Euro erreichte und gestern mit einem Anstieg von mehr als 25 % innerhalb weniger Stunden über die Marken von 600 und 700 Euro kletterte. Das sei der größte Anstieg, der je innerhalb eines Tages verzeichnet wurde, so n-tv. „Zum Vergleich: Bevor der Preis 2021 seinen steilen Anstieg begann, pendelte er in den Vorjahren um die 50 Euro.“
Rezession im Anmarsch
Da verwundert es auch nicht, dass die Einkaufsmanager erneut skeptischer gestimmt sind. Bei der Umfrage von S&P Global legte der Index für das verarbeitende Gewerbe zwar überraschend von 49,3 auf 49,8 Punkte leicht zu (Konsenserwartung: 48,2), der Dienstleistungsindex (siehe folgende Grafik) brach aber von 49,7 auf 48,2 mit dem vierten Rückgang in Folge auf ein 18-Monats-Tief weiter ein (Erwartung: 49,0).
Der Gesamt-Einkaufsmanagerindex gab sogar auf nur noch 47,6 Zähler nach, von 48,1 im Juli (Erwartung: 47,4). Das war der sechste Rückgang in Folge, wodurch ein 26-Monats-Tief markiert wurde.
Die Stimmungsindikatoren für die deutsche Wirtschaft liegen damit allesamt unterhalb der Schwelle von 50, ab der Wachstum signalisiert wird.
Und ähnliches gilt auch für die Wirtschaft der Eurozone. Der Index für das verarbeitende Gewerbe gab hier von 49,8 auf 49,7 Punkte überraschend nur leicht nach (Konsenserwartung: 49,0), es war aber der siebte Rückgang in Folge. Und dieser führte ebenfalls auf ein 26-Monats-Tief.
Das Dienstleistungsgewerbe musste derweil stärkere Einbußen hinnehmen, mit einem Index-Rückgang von 51,2 auf 50,2 (Erwartung: 50,5). Immerhin hielt sich dieser Index damit knapp im Wachstumsbereich. Dies konnte aber nicht verhindern, dass auch der Gesamt-Einkaufsmanagerindex der Eurozone weiter unter die Wachstumsschwelle geriet, mit einem Rückgang von 49,9 auf 49,2 Punkte (Erwartung: 49,0).
Insgesamt kann man allerdings sagen, dass die neuerliche Stimmungseintrübung nicht unerwartet gekommen ist. Und daher hatte sie gestern nur wenig Einfluss auf die Börsenkurse. Doch die steigenden Energiepreise haben zuvor schon Spuren hinterlassen. Schließlich haben nicht nur die Bürger mit höheren Kosten zu kämpfen, wodurch sie womöglich ihren Konsum einschränken (müssen), sondern auch die Unternehmen. Euro STOXX 50 und DAX beschleunigten daher ihre Mitte der vergangenen Woche gestarteten Gegenbewegungen.
Hohe Abwärtsdynamik könnte zum Problem werden
Das könnte zu einem Problem für die vorherigen Kurserholungen werden. Denn wie Torsten Ewert vorgestern auch bereits schrieb, sollte der Rücklauf erkennbar moderat, also mit wenig Dynamik erfolgen. „Sonst steigt die Gefahr, dass dies die erste Welle einer neuen Abwärtsbewegung ist“. Und diese Gefahr ist nun schon gegeben. Bislang hat der DAX ziemlich genau 50 % seiner Kursgewinne abgegeben (siehe grüner Pfeil im folgenden Chart), die er seit dem Tief im Juli erzielen konnte. Damit liegt noch eine völlig normale Korrektur vor.
Allerdings hat der Index eine Reihe wichtiger Linien und Marken durchbrochen. So wurde die Aufwärtsbewegung nicht nur durch den Bruch der Aufwärtstrendlinie (dick grün) beendet, sondern auch die Folge höherer Tiefs hat durch das Unterschreiten zweier Zwischentiefs ein Ende gefunden. Zudem wurden die horizontalen Hürden bei 13.566, 13.443 und 13.358 Punkten wieder unterschritten (rote Linien). Zu diesen Marken hatte ich am 3. August noch geschrieben, dass ein erneuter Rücksetzer reicht, damit es für die Bullen schon wieder gefährlich wird, weil sich der DAX wenig volatil und auf relativ engem Raum bewegt hatte.
Und nun hat sich der DAX aus Sicht der Elliott-Wellen (siehe folgender Chart) bereits gefährlich dem Hoch einer möglichen Welle 1 bei 13.019,13 Punkten genähert.
Sollte diese Marke unterschritten werden, sieht es für die Kurserholung äußerst schlecht aus.
Erneuter Gaslieferstopp machte einen Strich durch die Rechnung
In der DAX-Analyse vom 3. August hatte ich folgendes Szenario beschrieben: „Ein abnehmender Inflationsdruck wird in den kommenden Monaten zu einer besseren Stimmung bei Konsumenten und Unternehmen beitragen. Der Stimmungsaufschwung wird sich dann sukzessive positiv auf den Konsum und die Produktion auswirken.“ Dieses Szenario wurde durch Daten, die auf einen nachlassenden Preisdruck hindeuteten und die zu steigenden Aktienkursen führten, auch zunächst Realität. Doch nun hat Russland durch die Ankündigung eines erneuten Gaslieferstopps einen Strich durch diese Rechnung gemacht.
Noch ist das Szenario allerdings nicht hinfällig. Kann sich der DAX oberhalb des Hochs der möglichen Welle 1 bei 13.019,13 Punkten halten und bald wieder nach oben drehen, bleibt die Chance auf eine Fortsetzung der Kurserholung erhalten. Andernfalls muss man den Blick wieder nach unten richten.
Ich wünsche auch Ihnen in jedem Fall viel Erfolg an der Börse
Ihr
Sven Weisenhaus