Investing.com – Das von Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder persönlich eingefädelte Gasgeschäft mit Russland entpuppt sich im Angesicht des Russland-Ukraine-Kriegs als eine Art trojanisches Pferd. Während sich die Industrie und die Menschen die ersten Jahre an der billigen Energiequelle erfreuen konnten, verteufeln sie nun zunehmend die Abhängigkeit gegenüber dem Kreml.
Wie grün wird die Unabhängigkeit von russischem Gas?
Der deutsche Bundesminister für Wirtschaft und Energie, Robert Habeck, stellte gestern mit seinem Osterpaket die Beschleunigung der energiepolitischen Wende vor. Die Genehmigungsverfahren für Wind- und Solarparks sollen beschleunigt werden, indem die Energieversorgung künftig von Gesetzes wegen als sicherheitsrelevanter Aspekt gilt, dem sich alle anderen Belange wie Naturschutz und Abstandsregelungen zu bewohntem Gebiet zu unterwerfen haben.
Aus seiner Sicht werden die erneuerbaren Energien jetzt so schnell vorangetrieben, dass der Flaschenhals bei der Umsetzung nicht mehr die Genehmigungsverfahren, sondern die Produktions- und Installationskapazitäten sein werden.
Damit beabsichtigt die Regierung zumindest in der Theorie, das umzusetzen, was auf dem Pariser-Klimaabkommen ohnehin vereinbart wurde. Die EU hatte sich nichts Geringeres vorgenommen, als baldmöglichst klimaneutral zu werden.
Aber der Einmarsch Russlands in der Ukraine scheint die Umsetzung dieses Plans keinesfalls zu beschleunigen, sondern vielmehr bröckeln zu lassen.
Während die Unabhängigkeit von russischen Energielieferungen nun oberste Priorität genießt, scheint der Ausweg nicht darin zu liegen, auf Erneuerbare zu setzen, sondern verstärkt auf LNG, Kohle und Öl.
Wer darin einen Widerspruch erkennt, der scheint nicht auf dem aktuellen Stand der Politik zu sein. LNG ist zwar ein fossiler Brennstoff, aber seit dem 2. Februar gilt Erdgas bis mindestens 2035 als klimafreundlich.
Keine vier Wochen zuvor berichtete Bloomberg noch, dass die EU Erdgas gegen erneuerbare Energien ersetzen wird. Grundlage war eine Studie des Energie Think Tank Ember, in der es hieß:
„Wir erleben gerade einen Paradigmenwechsel, bei dem Regierungen und Unternehmen beginnen, das Thema viel ernster zu nehmen. Die verfügbaren Alternativen sind preiswerter, und sie werden wahrscheinlich noch billiger und wettbewerbsfähiger werden. Erneuerbare Energien bieten jetzt eine Chance und keine Nachteile“.
Aber entgegen der ursprünglichen Idee einer EU-Klimaneutralität und die vielgepriesenen neuen Chancen beim Schopfe zu packen, plant die EU nun den jährlichen Verbrauch russischen Gases in Höhe von 155 Milliarden Kubikmetern überwiegend durch fossile Brennstoffe zu ersetzen.
Die FAZ berichtete, dass 50 Milliarden Kubikmeter durch Flüssiggas und 10 Milliarden Kubikmeter durch Pipeline Gas aus anderen Quellen ersetzt werden sollen. Laut dem Industrie- und Binnenmarktkommissar Thierry Breton könne man weitere 20 Milliarden Kubikmeter verzichten, wenn stattdessen Kohle zum Einsatz kommt. Den Bereichen Wind- und Solarenergie traut man lediglich zu, ein Äquivalent von 22,5 Milliarden Kubikmetern russischen Gases zu ersetzen.
Somit werden die russischen Gasimporte nur zu 14,5 Prozent gegen erneuerbare Energien ersetzt, während 51,6 Prozent gegen andere fossile Brennstoffe ausgetauscht werden.
Energiekrise läutet des Ende des Kohle-Ausstiegs ein
Fraglich bleibt, was verbrannt werden soll, um das verbleibende Drittel von über 50 Milliarden Kubikmetern russischen Gases auszugleichen. Dafür gibt es noch keine Lösung und so deutet alles auf eine Energiekrise hin, in deren Vorstadium wir uns bereits befinden.
In Deutschland werden Pläne zur Rationierung von Energie geschmiedet und in Frankreich ruft die Regierung die Bevölkerung bereits auf, weniger Strom zu verbrauchen. Richtig düster sieht es in Großbritannien aus, denn nächsten Winter müssen sich Millionen Menschen entscheiden, ob sie lieber frieren oder etwas essen.
Robert Habeck sprach bei der Vorstellung von seinem ehrgeizigen Osterpaket ebenfalls davon, dass erneuerbare Energien mit dem starken Vorantreiben des Ausbaus wesentlich billiger werden. Aber warum nehmen diese dann auf EU-Ebene nur eine Nische beim Ersetzen des russischen Gases ein, wenn das die billige Energie der Zukunft ist?
Eine Frage, die einfacher zu beantworten ist, als es auf den ersten Blick scheint. Es sind große Mengen von Kupfer, Stahl, Polysilizium und vielen anderen mineralischen Rohstoffen nötig, deren Preise in jüngster Zeit beträchtlich gestiegen sind. Ein klares Indiz dafür, dass die Offensive der Erneuerbaren in Deutschland am Rohstoffmangel scheitern wird.
Das in der EU, wie vereinbart, bis 2030 alle Kohlekraftwerke abgeschaltet werden ist illusorisch. Wahrscheinlicher ist, dass auch Kohle bald als nachhaltiger Brennstoff propagiert wird, im Zweifelsfall durch den Kauf von CO2-Zertifikaten, oder durch den Bau von neuen Kohlekraftwerken, die auf dem Papier irgendwann grünen Wasserstoff verstromen können.