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Die EZB senkt die Zinsen. Die aktuellen Inflationsdaten eröffnen Lagarde den Spielraum dafür, Konjunktur und US-Geldpolitik sind weitere Argumente für eine Lockerung. Die jüngste Entwicklung der Anleiherenditen spricht für eine geringe Wirkung des Zinsschritts.
Die EZB hat am Donnerstag die Leitzinsen um 25 Basispunkte gesenkt. Der Einlagensatz fällt damit kommende Woche auf 3,25%. Spannender als die Meldung an sich ist ein Blick auf das ökonomische Umfeld, das dieser Entscheidung zugrunde liegt – und der Blick nach vorn.
Entscheidungen „von Sitzung zu Sitzung“
Die Aussagen von EZB-Präsidentin Christine Lagarde sind – wie sollte es auch anders sein – wenig konkret. „Wir legen uns nicht im Voraus auf einen bestimmten Zinspfad fest“, ließ sie verlauten – Entscheidungen würden „von Sitzung zu Sitzung“ getroffen. Es müsse allerdings sichergestellt werden, dass die Inflation wieder den mittelfristigen Zielwert von zwei Prozent erreiche.
Die Zinssenkung ist vor dem Hintergrund der jüngsten Inflationsentwicklung nur ein geringes Risiko, da die Zinssätze weiterhin über den wichtigsten Teuerungsraten (Gesamtinflation und Kerninflation) liegen. „Die aktuellen Daten zur Inflation zeigen, dass der Disinflationsprozess gut voranschreitet“, heißt es in der Stellungnahme der EZB.
Wenige Stunden vor dem Zinsentscheid meldete Eurostat für September einen Rückgang der Inflationsrate auf 1,70 %. Die Schätzungen lagen zuvor bei 1,8 %. Diese Daten sehen allerdings etwas besser aus, als sie tatsächlich sind. Gedämpft wurde die Teuerung vor allem durch die Energiepreise: Ein Effekt, der sich bereits im November umkehren dürfte. Die Kerninflation lag im September bei 2,6%. Auch hier revidierte Eurostat die Zahl am Donnerstag um 0,1 Prozentpunkte nach unten.
Schwache Konjunktur drückt Inflation: Aufwärtsrisiken bleiben
Die künftige Inflationsentwicklung ist ungewiss. Einerseits spricht die anhaltend schwache Konjunktur und deren zunehmendes Übergreifen auf den Arbeitsmarkt insbesondere in Deutschland für moderatere Lohnabschlüsse und sinkenden Inflationsdruck.
Andererseits könnte eine weitere Eskalation im Nahen Osten jederzeit zu einem Anstieg der Energiepreise führen, wie in den letzten Wochen am Ölmarkt zu beobachten war. Zudem stehen die US-Präsidentschaftswahlen an. Vor allem (aber nicht zwingend nur dann) im Fall eines Sieges von Donald Trump könnten neue tarifäre Hemmnisse die Teuerung treiben.
Die Zinssenkung war nicht immer so selbstverständlich, wie sie am Tag ihrer Verkündung eingepreist war. Noch Mitte September hatte die Mehrheit der Mitglieder im EZB-Rat noch mit einer Zinspause bis Dezember gerechnet.
Sorge vor Euro-Aufwertung
Dass sich die EZB für einen schnelleren Schritt entschieden hat, ist vor allem auf zwei Ursachen zurückzuführen: Die sehr schwache Konjunktur in Europa und insbesondere Deutschland sowie die mit 50 Basispunkten recht ambitioniert vorgetragene Zinssenkung durch die US-Notenbank Federal Reserve.
Die Konjunkturindikatoren zeigen Schwäche: Privater Konsum, Einkaufsmanagerindizes, Auftragseingänge und zunehmend auch der Arbeitsmarkt bereiten Sorgen. Die starke Zinssenkung in den USA hätte ohne Zinssenkung in Europa das kurzfristige Aufwertungspotenzial für den EUR vergrößert – eine zusätzliche Belastung für die exportorientierte Industrie.
Steigende Bond-Renditen: Wirken die Zinssenkungen überhaupt?
Die Wirkung der Zinssenkungen wird indes angezweifelt. Dies - wie jenseits des Atlantiks scheinen die Märkte nicht so recht an eine inflationsfreie Zukunft zu glauben. Deka-Chefvolkswirt Ulrich Kater etwa verweist darauf, dass die langfristigen Kreditkonditionen etwa bei Hypothekenkrediten die Zinssenkungen längst eingepreist hätten und es deshalb nicht zu weiteren Rückgängen komme.
Friedrich Heinemann vom Mannheimer ZEW weist darauf hin, dass die fallenden Leitzinsen nicht zu sinkenden Renditen für langfristige Euro-Staatsanleihen übertragen. Ein ähnliches Phänomen lässt sich in den USA beobachten: Dort lagen die 10-jährigen Renditen am 16. September bei gut 3,6 % - aktuell bei über 4,1 %.