Die vorgestrige Mahnung, dass eine defensive Haltung für Trader und Anleger vor dem Hintergrund der sich häufenden Warnzeichen einer nahenden Rezession sinnvoll ist, möchte ich heute noch einmal bekräftigen. Allerdings möchte ich hinzufügen, dass dies nicht bedeutet, sich komplett aus dem Aktienmarkt zu verabschieden.
Korrigiert der Aktienmarkt nur die übertriebene Kursrallye?
Nicht ohne Grund lautet eine Börsenweisheit: „Kaufen, wenn die Kanonen donnern.“ Denn wenn sich in den Wirtschaftsdaten eine Rezession abzeichnet, hat man das Tief am Aktienmarkt meist bereits hinter sich. Und vielleicht waren die Kursverluste bis Ende 2018 bereits der aktuelle Tiefpunkt am Aktienmarkt. Genauso, wie wir damals eine Übertreibung nach unten gesehen haben, könnten wir mit der anschließenden viermonatigen Kursrallye, die einigen Indizes sogar neue Rekordstände bescherte, eine Übertreibung nach oben gesehen haben. Und diese wird nun möglicherweise lediglich korrigiert bzw. konsolidiert.
S&P 500 und Dow Jones am Mindestkorrekturkursziel
Der S&P 500 hat jüngst beispielsweise nach seiner rekordverdächtigen Aufwärtsbewegung inkl. neuem Allzeithoch ziemlich genau das Mindestkorrekturkursziel dieser Bewegung von 38,20 % erreicht und von dort wieder nach oben gedreht (siehe grüner Pfeil im Chart).
Theoretisch kann es nun sogar schon wieder auf neue Höhen gehen. Zumal mit dem vorgestrigen Tageshoch (2.804,49 Punkte) das Tief der ersten Abwärtswelle vom 13. Mai (2.801,43 Punkte) überschritten wurde. Aus Sicht der Elliott-Wellen-Theorie liegt damit eine Überschneidung vor. Und diese deutet darauf hin, dass wir hier aktuell keinen 5-gliedrigen Abwärtsimpuls sehen, sondern eben nur eine (ABC-)Korrektur, also eine Gegenbewegung nach den vorangegangenen Kursgewinnen.
Das gleiche gilt auch für den Dow Jones. Hier wurde das 38,20%-Fibonacci-Retracement als Mindestkorrekturkursziel zwar am Montag intraday unterschritten, auf Schlusskursbasis aber verteidigt (siehe grüner Pfeil im folgenden Chart). Und anschließend sind die Kurse auch hier über das Tief der ersten Abwärtswelle (Welle A) gestiegen, so dass ebenfalls eine Überschneidung vorliegt und die ABC-Korrektur damit beendet sein kann.
Ich schreibe dabei bewusst „kann“, weil sich die Welle C theoretisch noch solange fortsetzen könnte, wie das Hoch der Welle B nicht überschritten wurde. Im S&P 500 wäre das bei 2.892,15 und im Dow Jones bei 25.957,63 Punkten der Fall.
Doch aktuell sehe ich mich in meiner Erwartung bestätigt, dass wir in den US-Indizes wohl eine moderate Konsolidierung erleben, so wie ich es unter anderem schon am 30. April und damit noch vor Beginn der aktuellen Korrektur prognostiziert hatte (siehe „Anstieg der Aktienkurse ist fundamental begründet, aber ausgereizt“).
Technologietitel in Sondersituation
Das gilt auch für den Nasdaq 100, obwohl die Kurse hier deutlich stärker gefallen sind. Der Technologieindex ist am Montag dieser Woche bis an das Tief vom Februar 2018 bei 6.164 Punkten und damit unter sein 38,20er Retracement gerutscht. Zudem ist ihm mit der anschließenden Kurserholung noch keine Überschneidung gelungen.
Doch dies lässt sich mit einer Sondersituation erklären. Neben der Befürchtung, dass Technologieunternehmen wie Apple (NASDAQ:AAPL) Opfer von Retourkutschen aus China werden könnten, gab es Berichte, dass die US-Regierung die Marktmacht der vier Technologieriesen Facebook (NASDAQ:FB), Apple, Google und Amazon (NASDAQ:AMZN) untersuchen will. Amazon und Facebook würden demnach von der Branchenaufsicht FTC geprüft, die Google-Mutter Alphabet (NASDAQ:GOOGL) und Apple vom Justizministerium.
Die beiden voneinander getrennten Fälle können regulatorische Eingriffe zur Folge haben, die bis hin zu einer Aufspaltung der Konzerne reichen könnten. Dementsprechend belastet zeigten sich die Aktienkurse der Unternehmen und damit auch die US-Technologiebörse Nasdaq. Aktien von Facebook und Alphabet verloren alleine an einem Tag jeweils rund 7 %, Amazon gab 5,2 % nach und Apple knapp 2 %. Und da es sich dabei um Schwergewichte handelt, zog dies den gesamten Index nach unten.
Eine starke Kurserholung führt in die Seitwärtskonsolidierung
Unabhängig davon zeigt mir die Dynamik der jüngsten Abwärtswellen aber auch an, dass die Konsolidierung noch eine Weile anhalten wird, selbst wenn die ABC-Korrekturen in den US-Indizes beendet sind. Dazu verweise ich auch noch einmal auf die Saisonalität.
(Quelle: www.stockstreet.de/saisonale-charts)
Demnach wäre es möglich, dass die US-Aktien jetzt sogar bis zum Hochsommer wieder zulegen können. Doch dann sollten sie endgültig in eine länger anhaltende Seitwärtstendenz übergehen. Damit würde sich einerseits die „große Seitwärtskonsolidierung auf hohem Niveau“ fortsetzen, die ich hier schon seit vielen Monaten propagiere. Andererseits könnten sich die Kurse dann bis zum Jahresende als die moderate Konsolidierung, die ich seit dem 30. April erwartet habe, am oberen Ende dieser großen Seitwärtsrange auf hohem Niveau seitwärts bewegen.
Fazit
Aufgrund der jüngsten Kursverluste an den Aktienmärkten, der Verschärfungen im Handelskonflikt sowie der Anzeichen für eine nahende Rezession bzw. zumindest einer Wachstumsverlangsamung ist Vorsicht geboten. Doch dabei bieten die Aktienmärkte durchaus noch Chancen. Denn von einem Bärenmarkt sind wir noch weit entfernt. Es deutet sich lediglich eine anhaltende Konsolidierung an. Doch diese ist kein Grund, sich aus dem Aktienmarkt zu verabschieden. Vielmehr kann man auch Seitwärtstendenzen sehr gut zum Trading nutzen. Wie das geht, zeigen wir regelmäßig in unseren Stockstreet-Börsenbriefen.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Geldanlage
Ihr
Sven Weisenhaus