Können Nvidia (NASDAQ:NVDA) und Tesla (NASDAQ:TSLA) trotz ihrer hohen Kurs-Gewinn-Verhältnisse (KGV) – fast doppelt bzw. viermal so hoch wie das des S&P 500 – als Value-Aktien gelten? Und ist es umgekehrt möglich, dass Ford (NYSE:F) trotz eines KGV von 10, eines Kurs-Umsatz-Verhältnisses (KUV) von 0,20 und einer Dividendenrendite von 7,5 % keine Value-Aktie ist?
Wer sich nur auf diese Kennzahlen stützt, wird darauf keine eindeutige Antwort finden. Trotzdem würden wohl die meisten Anleger intuitiv Nvidia und Tesla als Wachstumswerte und Ford als klassischen Value-Titel einordnen.
In diesem Artikel werfen wir einen genaueren Blick auf das GARP-Konzept – Growth at a Reasonable Price (Wachstum zu einem vernünftigen Preis). Wie wir zeigen werden, sind einige vermeintliche Value-Aktien möglicherweise gar nicht so günstig, wenn man zukünftige Wachstumserwartungen in die traditionelle Bewertung einbezieht. Gleichzeitig können manche Wachstumswerte durchaus als Value-Aktien betrachtet werden.
Was bedeuten Value und Growth?
Investopedia definiert eine Value-Aktie folgendermaßen:
Eine Value-Aktie bezeichnet die Aktie eines Unternehmens, das im Verhältnis zu seinen Fundamentaldaten – wie Dividenden, Gewinn oder Umsatz – zu einem vergleichsweise niedrigen Preis gehandelt wird.
Die meisten Anleger würden dieser Definition zustimmen. Oft wird der Begriff "billig" verwendet, wenn es um Value-Aktien geht – also Unternehmen, deren Aktienkurs als unterbewertet gilt.
Für Wachstumsaktien lautet die Definition von Investopedia:
Eine Wachstumsaktie ist eine Aktie eines Unternehmens, das voraussichtlich deutlich stärker wächst als der Durchschnitt des Marktes.
Auch hier dürften die meisten Anleger einverstanden sein. Viele würden jedoch ergänzen, dass Wachstumsaktien häufig hoch bewertet sind, weil Investoren bereit sind, für künftiges Wachstum einen Aufpreis zu zahlen.
Die Begriffe Value und Growth sind fest im Wortschatz der Investoren verankert. Dennoch wird selten dieselbe Aktie in beide Kategorien eingeordnet. Stattdessen neigen Anleger dazu, Aktien klar einer der beiden Gruppen zuzuweisen.
Diese starre Einteilung kann allerdings die Qualität der Analyse beeinträchtigen. Wer Aktien ausschließlich durch die Brille von Value oder Growth betrachtet, läuft Gefahr, attraktive Gelegenheiten zu übersehen – oder sich auf Werte zu konzentrieren, die letztlich hinter den eigenen Erwartungen zurückbleiben.
Die wichtigsten Bewertungskennzahlen
Es gibt eine Reihe von Kennzahlen, mit denen Anleger den Wert einer Aktie einschätzen können. Hier sind einige der gängigsten (mit den üblichen US-Abkürzungen):
- Kurs-Gewinn-Verhältnis (P/E oder KGV)
- Kurs zu erwarteten Gewinnen (P/FE)
- Kurs-Umsatz-Verhältnis (P/S)
- Kurs-Buchwert-Verhältnis (P/BV)
- Kurs zu freiem Cashflow (P/FCF)
Diese Kennzahlen helfen dabei, einzuschätzen, wie viel Anleger für einen bestimmten Fundamentalwert wie Gewinn oder Umsatz im Verhältnis zum Aktienkurs zahlen. Sie sind nützliche Werkzeuge zur Bewertung von Aktien, haben jedoch eine Schwäche: Die meisten beruhen auf vergangenen Finanzdaten.
Eine Ausnahme ist das P/FE-Verhältnis, das auf den erwarteten künftigen Gewinnen basiert. Allerdings wird es meist nur mit einer einjährigen Gewinnprognose berechnet – was für eine langfristige Einschätzung oft nicht ausreicht.
Die historische Performance eines Unternehmens ist zweifellos wichtig. Doch Anleger sollten sich vor allem mit der Zukunft befassen – denn Aktienkurse spiegeln Erwartungen wider, nicht die Vergangenheit. Deshalb ist das zukünftige Wachstum eines Unternehmens mindestens genauso entscheidend wie seine bisherigen Erfolge.
Eine Kennzahl, die diesen Faktor berücksichtigt, ist das PEG-Verhältnis (KGV im Verhältnis zum Gewinnwachstum). Hier wird das klassische Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) durch die erwartete Wachstumsrate des Unternehmens geteilt.
In der Regel bezieht sich das PEG-Verhältnis auf eine geschätzte Wachstumsperiode von drei bis fünf Jahren. Anleger können diese Kennzahl aber flexibel anpassen und für beliebige Zeiträume verwenden, um eine zukunftsorientierte Bewertung vorzunehmen.
Schlüsselkennzahl PEG - was ist denn das genau?
Um das PEG-Verhältnis besser zu veranschaulichen, haben wir das folgende Streudiagramm erstellt. Es zeigt 458 der S&P 500-Aktien, wobei wir diejenigen ausgeschlossen haben, deren Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) entweder negativ oder unrealistisch hoch ist. Die Daten stammen mit Genehmigung von Zacks und basieren auf firmeneigenen Schätzungen des annualisierten Ertragswachstums über einen Zeitraum von 3 bis 5 Jahren.
Jeder blaue Punkt im Diagramm stellt die Schnittmenge zwischen dem erwarteten Forward-KGV einer Aktie (für die nächsten zwölf Monate) und ihrem prognostizierten jährlichen Ertragswachstum dar. Die schwarz gepunktete Linie zeigt den fairen Wert im Vergleich zum S&P 500 Index. Aktuell liegt das KGV des S&P 500 bei 24,26, während das erwartete Ertragswachstum 15,55 % beträgt. Das ergibt ein PEG-Verhältnis von 1,56 (24,26 / 15,55).
Die schwarz gepunktete Linie verbindet alle Aktien mit demselben PEG-Verhältnis, während die grüne Linie diejenigen markiert, deren PEG-Verhältnis genau 1,0 beträgt. Traditionell gelten Aktien mit einem PEG unter 1,0 als unterbewertet oder „günstig“.
Derzeit notieren 29,5 % der S&P 500-Aktien unterhalb der schwarz gestrichelten Linie, was bedeutet, dass sie im Vergleich zum Gesamtindex günstiger bewertet sind. Allerdings erfüllen nur 12,25 % der Aktien die strenge PEG<1-Kriterien (unterhalb der grünen Linie) und könnten somit als echte „Value-Werte“ gelten.
Value und Growth sind vielleicht nicht das, was wir denken
Um aus der Grafik weitere Erkenntnisse zu gewinnen, werfen wir einen Blick auf sechs Aktien. Sie zeigen, wie das PEG-Verhältnis andere Bewertungsmethoden sinnvoll ergänzen kann.
American International Group (NYSE:AIG) (rotes Dreieck) weist ein Forward-KGV von 11 auf, was deutlich unter dem S&P 500 liegt und von vielen Anlegern als attraktiv bewertet wird. Allerdings beträgt die erwartete Gewinnwachstumsrate nur 2 %, sodass das PEG-Verhältnis bei 5,50 liegt – ein Hinweis darauf, dass die Aktie trotz des niedrigen KGVs teuer ist.
Tesla (roter Kreis) hat mit einem Forward-KGV von 142 die höchste Bewertung unter den betrachteten Aktien. Die erwartete Wachstumsrate von 21 % ist zwar solide, aber nicht wesentlich höher als die des Index (15,5 %). Das bedeutet, dass Anleger entweder davon ausgehen, dass das Gewinnwachstum weit über den aktuellen Prognosen von Zacks liegt – oder dass Tesla schlicht stark überbewertet ist. Sollte sich Elon Musks Prognose bewahrheiten, dass Tesla eine höhere Marktkapitalisierung als die fünf größten Unternehmen zusammen erreichen wird, könnte die tatsächliche Wachstumsrate ein Vielfaches der derzeitigen Erwartungen betragen. In diesem Fall wäre Tesla womöglich doch eine Value-Aktie in der Entstehung.
Amazon (NASDAQ:AMZN) (grünes Dreieck) hat mit 28 ein Forward-KGV, das über dem Marktdurchschnitt liegt. Allerdings sind die Gewinnwachstumserwartungen mit 35 % fast doppelt so hoch wie die des S&P 500 (18 %). Trotz der überdurchschnittlichen Bewertung macht das starke Wachstum Amazon zu einer attraktiven Value-Aktie.
First Solar (NASDAQ:FSLR) (grüner Kreis) hat mit 9 ein sehr niedriges Forward-KGV und eine beeindruckende erwartete jährliche Wachstumsrate von 43 %. Das ergibt ein PEG von 0,20, was weit unter dem traditionellen Wert von 1 liegt. Damit gehört First Solar zu den günstigsten Wachstumswerten in dieser Analyse.
Everest Re Group (NYSE:EG) (orangefarbenes Dreieck) weist mit 5 ein äußerst niedriges Forward-KGV auf, allerdings auch eine entsprechend niedrige erwartete Wachstumsrate von 2 %. Trotz dieser Werte liegt das PEG-Verhältnis mit 1,56 im normalen Bereich – die Aktie ist also fair bewertet. Basierend auf diesen Daten wäre es für einen Anleger im Grunde egal, ob er in Everest Re Group oder in den S&P 500 investiert.
Live Nation Entertainment (NYSE:LYV) (oranger Kreis) hat mit 54 ein hohes Forward-KGV, aber auch eine entsprechend hohe erwartete Wachstumsrate. Mit einem PEG von 1,56 liegt die Aktie, ähnlich wie Everest Re Group, genau im Marktdurchschnitt.
Fazit
Im ersten Abschnitt haben wir uns die Frage gestellt, ob TSLA, NVDA und Ford als Value-Aktien einzustufen sind.
Unsere Analyse von Tesla haben wir bereits vorgestellt.
Interessanterweise lässt sich Nvidia allein auf Basis dieser Daten als Value-Aktie einstufen – das Unternehmen weist ein PEG-Verhältnis von unter 1,0 auf, das unter dem Durchschnitt des S&P 500 liegt.
Ford hingegen hat trotz seiner niedrigen Bewertung und hohen Dividendenrendite ein PEG-Verhältnis von 1,86. Damit liegt es nicht nur über dem S&P 500, sondern auch deutlich über dem Wert von 1,0. Nach dieser Analyse wäre Ford also keine klassische Value-Aktie.
Letztlich bleibt die Frage, was als "Value" gilt, immer auch eine Sache der Perspektive – und möglicherweise nicht so eindeutig, wie man auf den ersten Blick denken könnte!
Die Daten für diese Analyse stammen von Zack. Um eine möglichst umfassende Bewertung vorzunehmen, ist es ideal, den Durchschnitt mehrerer Prognosen zum Gewinnwachstum heranzuziehen und eigene Annahmen in die Analyse einfließen zu lassen.